Boizenburg - Wer lässt denn schon seine Tiere massieren? Eine Frage, die Julia Neumann kennt. Die 33-Jährige arbeitet als selbstständige Tierphysiotherapeutin und weiss: Der Job besteht aus mehr als Tiere streicheln. Und wer ihn ausüben will, braucht nicht nur Feingefühl. Auch ein fundiertes Wissen und Lösungsorientierung sind gefragt.
Im Job-Protokoll berichtet Julia Neumann, was ihren Joballtag ausmacht - und warum Tiere zu behandeln eine besondere Herausforderung ist.
Mein Weg in den Job:
Ich bin mit Tieren gross geworden und wollte schon als Kind allen Tieren helfen. Ob eine verletzte Maus oder ein Vogelbaby - ich habe alle mit nach Hause genommen und wieder aufgepäppelt. Beruflich habe ich aber zunächst einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Ich habe Modedesign studiert und als Tänzerin und Schauspielerin gearbeitet.
Irgendwann ist mir klar geworden: Ich möchte gerne auch beruflich etwas mit Tieren machen. Also habe ich mich dazu entschlossen, eine Ausbildung zur Tierphysiotherapeutin zu machen. Vor anderthalb Jahren habe ich mich dann mit meiner Praxis "Tierisch Julia" selbstständig gemacht. Ich behandle gerne ganzheitlich und habe mich deshalb zusätzlich auf den Gebieten Ernährungsberatung für Tiere und Mykotherapie weitergebildet.
Die Ausbildung:
Ich habe meine Ausbildung an einer privaten Akademie gemacht. Zwischen 4000 und 7000 Euro muss man für solch einen Lehrgang einplanen. Doch Tierphysiotherapeut ist kein staatlich anerkannter Beruf. Theoretisch kann sich jeder so nennen. Das ist ein grosser Fehler. Denn es gibt ganz unterschiedliche Ausbildungen und viele schwarze Schafe auf dem Markt. Reine Online-Ausbildungen funktionieren zum Beispiel nicht. Denn es fehlt natürlich der Praxisbezug.
Meine Ausbildung hat zwei Jahre gedauert. Die meisten unterschätzen diese Lehre. Man muss die Anatomie der Tiere studieren, jeden einzelnen Muskel im Körper kennen und die Zusammenhänge verstehen. Ein Hund kann vorne lahmen und der Grund dafür liegt in den Hinterbeinen. Man muss aber auch mit den Besitzern umgehen können. Und die Begrifflichkeiten sollten sitzen - für die Kommunikation mit den Tierärzten.
Das sind meine Aufgaben:
Ob Hund, Katze oder Pferd: Ich gucke mir das Tier ganz genau an und taste es komplett ab. Dabei gehe ich jedes einzelne Gelenk durch. So eine Erstanamnese dauert anderthalb Stunden. Am Ende komme ich zu einem Ergebnis und kann zu einem Spezialisten verweisen oder eine Therapie entwickeln.
Wie in der Humanmedizin gibt es auch für Tiere Krankengymnastik. Dazu gehört etwa eine passive Mobilisation der Gelenke oder eine aktive Trainingstherapie, zum Beispiel auf dem Balancekissen. Aber auch physikalische Therapieverfahren wie Elektrotherapie, Laser- oder Thermotherapie kommen zum Einsatz.
Anders als bei Menschen kann man bei einem Hund nicht davon ausgehen, dass er sich hinlegt und mich einfach machen lässt. Ganz häufig denken die Tiere beim ersten Termin, sie wären beim Tierarzt und bekommen Panik. Man muss sich auf jedes Tier und auf die Besitzer individuell einstellen.
Das sind gute und weniger gute Seiten an meinem Job:
Das Allerschönste ist, wenn sich Patienten, die aufgegeben wurden, wieder erholen: Gelähmte Hunde etwa, die wieder laufen können. Das sind Momente, in denen man sich besonders freut und auch ein bisschen stolz ist. Andererseits hat man natürlich viel mit kranken Tieren zu tun. Man versucht zu helfen und meistens wird es besser. Aber es gibt auch Fälle, die sehr schwierig sind.
So sieht das Gehalt aus:
Es gibt ganz wenige Stellen in Anstellung. Tierphysiotherapeut ist eher ein Beruf, mit dem man sich selbstständig macht. Es kann zwei bis vier Jahre dauern, bis man davon leben kann. Manche betreiben den Beruf auch nur nebenberuflich. Verlässliche Zahlen zum Gehalt von Tierphysiotherapeuten gibt es deshalb nicht.
Das sind die Aussichten:
Man merkt, dass das Interesse an der Tierphysiotherapie von der Humanmedizin herüberschwappt. Die Nachfrage steigt. Wer sich wirklich reinhängt, kann es auch schaffen, sich damit selbstständig zu machen. © dpa
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