Jeder Mensch ist früher oder später einmal in einer Wettbewerbssituation. Bei Kindern kommt das spätestens im Schulalltag vor. Doch ist der Konkurrenzgedanke wichtig oder schadet er Kindern eher? Eine Erziehungsexpertin hat eine klare Meinung.
Bei den Bundesjugendspielen wurde der Konkurrenzgedanke verdrängt. Grundschüler sollten nicht mehr gegeneinander in den Wettkampf um Punkte, Zeiten und Weiten treten. Doch nun wird erneut um das weichgespülte Motto "Dabei sein ist alles" diskutiert.
Erziehungsexpertin Kira Liebmann findet Wettbewerb unter Kindern wichtig, "aber in dosiertem Masse und in verschiedenen Bereichen", sagt die Gründerin der Akademie für Familiencoaching im Interview.
Brauchen Kinder überhaupt untereinander Ansporn und Konkurrenzgedanken?
Kira Liebmann: Ja. Es ist schon in Ordnung, dass Kinder in bedeutsamen Bereichen gelegentlich in Wettbewerb treten. Das erfüllt eine wichtige Motivationsfunktion. Dabei muss man allerdings bedenken, dass es nicht nur sportliche Kinder gibt, die man dann mit weniger sportlichen Kindern vergleicht, die dafür vielleicht einsame Spitze in Mathematik, Sprachen oder Chemie sind. Das kann man nicht vergleichen.
Deshalb befürworte ich Wettbewerbe, die auf freiwilliger Basis stattfinden und nicht verpflichtend. Denn ein sportlicher Wettkampf kratzt am Selbstwertgefühl eines Kindes, das im Sport nicht so gut ist. Denn die Mathegenies vergessen beim Laufen, dass sie in "ihrem Bereich" unschlagbar sind. Deshalb ist es smarter, in verschiedenen Bereichen in Wettbewerb zu treten - aber eben freiwillig.
Wenn man etwas erreichen will, muss man sich anstrengen. Wie vermittelt man das den Kindern?
Durch Vorleben! So können Kinder lernen, dass man etwa Dinge zu Ende bringt - auch wenn man darauf keine Lust hat. Manche Kinder fangen eine Sportart an und schmeissen nach sechs Monaten wieder hin. Dann fangen sie an, ein Musikinstrument zu erlernen. Und schon drei Monate später verlieren sie die Lust daran. Wenn Eltern dann sagen "In Ordnung, wenn es keinen Spass mehr macht, hörst du eben wieder auf", wäre das ein falsches Signal.
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Wenn es um sportliches oder musikalisches Ausprobieren geht, ist es besser, wenn Eltern mit ihren Kindern gleich zu Beginn eine Vereinbarung treffen und ihnen damit eine Haltung vermitteln: "Ja, du kannst das gerne beginnen, aber hältst das auch ein Jahr durch. Vorher brauchen wir gar nicht über ein Aufhören zu diskutieren." So vermittelt man, dass man an Sachen dran bleiben muss und nicht immer einem schnellen Impuls folgt, dass man irgendetwas nicht mehr mag. Das ist wichtig für das Erwachsenenleben.
Und wie können Eltern helfen, mit Niederlagen umzugehen?
Wichtig ist, dass Eltern Niederlagen ihrer Kinder nicht persönlich nehmen. Stattdessen sollten sie ihre Kinder bestärken: "Du hast vielleicht jetzt nicht gewonnen, aber es ist gut so, wie du bist." Ich würde dem Kind zeigen, dass es nicht um die eine oder andere Helden-Tat geht, sondern um seinen Selbstwert. Auf keinen Fall sollte man auf der Niederlage herumreiten, sondern zusammen schauen, wie man es das nächste Mal besser hinbekommt und nach Lösungen sucht.
Was macht überhaupt Konkurrenz mit einem Kind?
Das kommt ganz auf die Persönlichkeitsstruktur des Kindes an. Ist es ein Wettbewerbstyp, kann Konkurrenz richtig anspornen. Ist es kein Wettbewerbstyp, wirkt die Konkurrenz kontraproduktiv. Kinder, die gerne in den Wettbewerb gehen, für die ist das toll. Sie leben sich dabei aus und haben die Möglichkeit, daran zu wachsen. Kinder, die das nicht wollen, sollen sich auch zurückziehen dürfen. Das hängt damit zusammen, wie wichtig einem Medaillen, Status und der Wettbewerbsgedanke überhaupt sind. (dpa/mak)
Über die Gesprächspartnerin
- Kira Liebmann ist Gründerin und Geschäftsführerin der Akademie für Familiencoaching in Maisach (Bayern). Die Familien- und Erziehungsexpertin hält Vorträge und Schulungen rund um die Themen Familie und Pubertät.
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