Die Berner Fotografin Carmela Harshani Odoni zeigt mit Porträts und Tonaufnahmen, dass eine Adoption Glück oder Pech sein kann. Sie wurde selbst aus Sri Lanka adoptiert und hat ihre leiblichen Eltern bis heute nicht gefunden. Trotzdem ist sie glücklich.

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Die Wohnung im Berner Schosshalde-Quartier strahlt Familienglück und Fröhlichkeit aus: Kindersachen liegen neben Laptop, an der Wand erinnert ein Familienkalender ans Gassigehen mit dem Hund, Mäuse graben geräuschvoll Höhlen durchs Sägemehl eines grossen, tierfreundlich eingerichteten Käfigs. Ein Terrier springt herum und bellt, lässt sich am Bauch kraulen und macht es sich dann auf einem Sofa auf dem Balkon gemütlich.

Die hochschwangere Carmela Harshani Odoni lässt sich vom nahenden Umzugstermin in eine grössere Wohnung und der gleichzeitig stattfindenden Foto-Ausstellung nicht aus der Ruhe bringen. Sie setzt Kaffee auf und erzählt in aller Ruhe, wie sie auf das Thema Adoption für eine Fotoausstellung gekommen ist.

Suche nach der leiblichen Mutter

2005 reiste sie nach Sri Lanka, um ihre leibliche Mutter zu finden. Denn Odoni selbst wurde von Schweizer Eltern in Colombo adoptiert, als sie gerade drei Wochen alt war. Odonis Reise war ein Erfolg – auch wenn sie die Mutter am Ende nicht gefunden hat und noch immer nicht weiss, wer ihre leiblichen Eltern sind. "Ich wusste lange nicht, wer ich bin", erklärt Odoni. Die Reise – die sie auch damals fotografisch festgehalten hat – habe sie gefestigt. "Heute weiss ich, wer ich bin." Geholfen hat auch das Mutterwerden: "Mit den Kindern konnte ich eigene Wurzeln schlagen", sagt Odoni.

Nach der Ausstellung "Harshani" hat sie das Thema Adoption über zehn Jahre lang ruhen lassen. Erst im Jahr 2016 grub sie ihre angefangene Arbeit über Adoptierte in der Schweiz wieder aus und stellte diese fertig. Daraus entstand die aktuelle Ausstellung "Wer bin ich? Adoption im Wandel". Während dieser Zeit wurde publik, dass in Sri Lanka in den 1980er-Jahren Säuglinge den Müttern gestohlen, verkauft und an Adoptiveltern in der Schweiz weitervermittelt wurden. "Dieser Skandal hat mich aufgewühlt", erzählt Odoni. Der Adoptionsbetrug rückte alles in eine neues Licht: "Wenn ich meiner Mutter gegen ihren Willen weggenommen wurde, dann würde ich ihr gerne erzählen können, dass es mir gut geht."

Odoni sucht in der leiblichen Mutter aber keine neue Bezugsperson, sie ist glücklich mit ihren Adoptiveltern. "Meine Eltern haben mich geliebt wie ein eigenes Kind", sagt Odoni und legt die Hand auf den eigenen Babybauch. Dass dies nicht selbstverständlich ist, musste sie in den Gesprächen mit einigen Adoptierten erfahren. "Nicht alle haben es gut getroffen", erzählt Odoni.

"Ich war erschüttert"

Die Ausstellung zeigt die Vielfalt von Adoptionen in der Schweiz: Manche wurden in fernen Ländern geboren, andere in der Schweiz. Eine Frau wurde als Baby in Sri Lanka verkauft, andere wurden ihren Müttern in der Schweiz im Rahmen einer fürsorgerischen Zwangsmassnahme weggenommen. Bis 1981 wurden Kinder in der Schweiz massenweise fremdplatziert, weil die Lebensweise ihrer Eltern nicht den Vorstellungen der Behörden entsprach. Ledigen Müttern nahmen die Behörden die Babys häufig direkt nach der Geburt weg und gaben sie – teils gegen den Willen der Mütter – zur Adoption frei.

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"Das Thema fürsorgerische Zwangsmassnahmen kannte ich vorher gar nicht", erzählt Odoni. "Ich war erschüttert."

Odoni bemühte sich bei der Auswahl der Porträtierten aber um Ausgeglichenheit: "Bei der einen Hälfte der Geschichten ist die Adoption gut verlaufen, bei der anderen Hälfte nicht." Nach all den Lebensgeschichten, die sie gehört hat, sagt sie heute: "Es ist sehr individuell – die Adoption kann ein Glück oder ein Pech sein."

Adoption weder als gut noch schlecht darstellen

"Ich bin glücklich", sagt Odoni über sich und ihre Lebensgeschichte. Das spürt und sieht man. Nach einigem Nachdenken ergänzt sie: "Manchmal heisst es, man könne doch froh sein, aus einem Dritt-Welt-Land in die Schweiz gekommen zu sein", sagt Odoni. "Das stimmt zum Teil. Aber es ist manchmal auch eine Bürde."

Deshalb will sie mit ihrer Ausstellung über das Thema Adoption aufklären. Sie will dabei die Adoption weder als gut noch als schlecht darstellen. "Ich werte die Adoption nicht", sagt Odoni.

Die Augen sprechen lassen

Die Ausstellung zeigt Schwarz-Weiss-Porträts sowie Tonaufnahmen und einen kurzen Film. In den Audios erzählen die Porträtierten beispielsweise, was sie von Adoptionen halten. Denn Odoni möchte den Adoptierten eine Stimme geben.

Odoni hat analog im Mittelformat fotografiert und die Filme selber in der Dunkelkammer entwickelt. "Man fotografiert langsamer und konzentrierter", begründet sie den Entscheid für die analoge Fotografie. Die Porträts sind schwarz-weiss gehalten, um Augen und Ausdruck sprechen zu lassen. Das reduziere die Umgebung, erklärt Odoni.

Odoni hat bei ihrer Arbeit als Fotografin immer das Geschichten-Erzählen interessiert, sowie die Begegnungen mit Menschen. "Mir gefällt es, wenn man das Vertrauen der Menschen in den Bildern sieht."

Odoni kannte die porträtierten Personen zuvor nicht, doch von Anfang an sei ein grosses Vertrauen dagewesen: "Es war, als ob wir uns kennen würden. Wir mussten uns nicht erklären." Mit allen Porträtierten sei eine Freundschaft entstanden.

Wie ist es nach Auffliegen des Adoptionsskandals in Sri Lanka mit Odonis eigener Geschichte weitergegangen? Sie hat inzwischen einen DNA-Test gemacht, dessen Resultate noch ausstehen. Odoni hadert aber nicht mit ihrem Schicksal: "Ein adoptiertes Kind hat einen anderen Weg, aber das gehört zum Leben."

Die Ausstellung "Wer bin ich? Adoption im Wandel" wird vom 13.8. – 21.9.2018 im Polit-Forum Bern im Käfigturm gezeigt. Begleitet von Podiumsdiskussionen, beispielsweise zum Thema Zwangsadoptionen in der Schweiz.

Carmela Harshani Odoni

Carmela Harshani Odoni wurde 1980 in Colombo (Sri Lanka) geboren. Als sie 3 Wochen alt war, kam sie zu Schweizer Adoptiveltern und wuchs in Luzern auf. Nach der Lehre als Fotofachangestellte und einem Volontariat bei der Neuen Luzerner Zeitung absolvierte sie den Diplomlehrgang Pressefotografie am Medienausbildungszentrum Luzern (MAZ) und arbeitete als Fotografin beim St. Galler Tagblatt. Heute arbeitet sie als freie Fotografin. Sie hat ihre Werke in zahlreichen Ausstellungen präsentiert und beim vfg selection den ersten Fotopreis der SonntagsZeitung erhalten.  © swissinfo.ch

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