Jedes Baby schreit mal. Und wenn es das tut, laufen Eltern in der Regel hin und nehmen es in den Arm. Wenn ein Baby aber oft schreit und Hochnehmen es nicht beruhigen kann, fragen sich manche Eltern: Kann ich es nicht einfach schreien lassen? Nach wie vor ist das eine viel (und oft hitzig) diskutierte Frage. Vor allem wenn es ums Thema Einschlafen geht.

Alle Ratgeber-Themen im Überblick

Nach einer kurzen Gewöhnungsphase können die Eltern eines Neugeborenen durchaus Wochen und Monate mit wenig bis sehr wenig Schlaf auskommen. Wenn aber alle gleichaltrigen Babys der Bekannten und Freundinnen beginnen durchzuschlafen, nur das eigene nicht, sehen viele Eltern Handlungsbedarf.

Nicht wenige von ihnen greifen dann zu "Jedes Kind kann schlafen lernen", einem Ratgeber, der auf der sogenannten Ferber-Methode basiert. Richard Ferber ist ein US-amerikanischer Kinderarzt und seine Methode geht so: Das Kind wird wach ins Bett gelegt, es wird ein Einschlafritual gemacht, anschliessend verlassen die Eltern das Zimmer. Wenn das Kind anfängt zu schreien, sollen sie nach einer bestimmten Zeit wieder hereinkommen, das Kind mit Worten trösten, es aber nicht hoch- oder herausnehmen.

Verlust des Urvertrauens?

"Jedes Kind kann schlafen lernen" verkauft sich nach wie vor gut, weil die Methode oft funktioniert. Immer wieder wird sie aber auch scharf kritisiert: Manche Fachleute halten sie für unmenschlich und glauben, dass langes Schreien lassen unmittelbare und langfristige physische und psychische Auswirkungen haben kann.

So schreibt etwa der Schweizer Kinderarzt Remo H. Largo, es sei "quälend und sinnlos" Säuglinge schreien zu lassen, weil sich so kleine Kinder meist gar nicht selbst beruhigen könnten.

Andere "Schreien lassen"-Gegner sagen, dass der Stress und die Angst beim Baby, wenn es schreit und niemand kommt, um sich zu kümmern, negative Auswirkungen auf das Urvertrauen haben können. Einige sprechen sogar davon, dass Säuglinge in einer solchen Situation Todesangst hätten.

Wieder andere sagen, dass andauernder Stress bei Babys die Gehirnentwicklung hemmt und dafür sorgt, dass sie nicht lernen, mit Stress umzugehen. Dafür brauchten Kinder nämlich "verlässliche körperliche Nähe".

"Immer noch besser als die Wut am Baby auszulassen"

Andererseits weisen viele Ratgeber darauf hin, dass es immer noch besser sei, sein schreiendes Baby kurz allein zu lassen, als seine Verzweiflung oder Wut über sein Schreien an ihm auszulassen. "Auf keinen Fall darf ein Baby geschüttelt werden!" warnt etwa der Arbeitskreis Neue Erziehung (ANE) in seinen Elternbriefen.

Auch Annette Kast-Zahn, Co-Autorin von "Jedes Kind kann schlafen lernen", hat einmal in einem Interview betont, dass ihr Buch ein Angebot an Eltern sei, die durch den Schlafmangel stark belastet seien. Das klingt nach einer Art letzter Ausweg.

Andererseits sieht sie ihre Methode als Teil der Erziehung an und erklärt, dass Erziehung eben auch bedeute, mal auf den Widerstand des Kindes zu stossen. Ob Eltern das nun aber schon auf Säuglinge anwenden möchten, kann man zumindest in Frage stellen.

Auch für ihre These, dass kleine Kinder für einen guten Schlaf elternunabhängige Einschlafgewohnheiten brauchen, kennt in seinem Bekanntenkreis sicher jeder Gegenbeispiele. Richard Ferber selbst war früher auch der Meinung, dass Babys nur schlafen lernen, wenn sie alleine einschlafen. Das hat er aber schon vor längerer Zeit relativiert.

Keine abschliessende wissenschaftliche Meinung

Das Thema bleibt insofern offen, als es dazu keine finale wissenschaftliche Meinung gibt. Es gibt zwar Untersuchungen, die sich damit befasst haben, etwa eine Studie aus Australien. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Einschlafmethoden mit Schreien lassen, die Mutter-Kind-Bindung zumindest kurzfristig nicht negativ beeinflussen, und dass der Pegel des Stresshormons Cortisol bei den Babys nicht signifikant höher ist.

Andere Fragen wie die nach langfristigen, körperlichen oder seelischen Auswirkungen hat die Studie nicht gestellt und demnach auch nicht beantwortet. Aber selbst zu den Antworten, die sie gegeben hat, gibt es kritische Stimmen, die die Untersuchungsmethode anzweifeln.

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