Vielen ist es unangenehm, wenn das eigene Kind plötzlich Schimpfwörter für sich entdeckt hat und sie freudig zu Hause, aber auch in aller Öffentlichkeit raushaut. Quellen für Ausdrücke haben Kinder genug - häufig die eigenen Eltern, die beim Autofahren vor sich hin fluchen. Doch wie sollten Erwachsene reagieren? Es hilft schon zu verstehen, was die Kinder an solchen Wörtern eigentlich so reizt.

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"Du Arsch!" - wenn dem eigenen Kind so ein Ausdruck über die Lippen kommt, zucken die meisten Eltern erst mal zusammen. Wie kommt mein Kind darauf? Und was, wenn es das Wort beim Warten an der Supermarktkasse vor sich hin plappert?

"Kinder haben grosse Ohren und gehen damit sehr offen und interessiert durch die Welt", erklärt Dana Mundt von der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke). "Quellen für Schimpfwörter gibt es viele: Kita, Schule, ältere Geschwister oder auch die Eltern selbst, etwa wenn sie beim Autofahren fluchen."

Bei älteren Kindern und Jugendlichen spielen Medien eine grosse Rolle: Sie nehmen zum Beispiel durch Videos im Internet oder durch Rap-Texte Schimpfwörter auf.

Reizvoll für Kinder: Schimpfwörter wecken unsere Aufmerksamkeit

Bei den Kleinen gilt meist: Haben sie obszöne Worte für sich entdeckt, testen sie diese meist gleich mehrfach aus. Dana Mundt weiss, was dahinter steckt: "Es sind meist nicht die Wörter an sich, die für die Kinder reizvoll sind - sondern die Reaktionen darauf."

Schimpfwörter erzeugen sofort eine Rückmeldung, ganz egal, ob sie dem Vater, der Oma oder dem Erzieher zu Ohren kommen. Mit ihren feinen Antennen merken Kinder dann, dass sie offenbar etwas getan haben, was eigentlich tabu ist. Somit sorgen Schimpfwörter für Aufmerksamkeit und sind ein Weg, die eigenen Grenzen auszuloten - das gilt für kleinere Kinder genauso wie für Jugendliche in der Pubertät.

Peinlich berührte Eltern: "Was denken jetzt bloss die anderen?"

Wenn der Nachwuchs auf der Familienfeier oder auf dem Spielplatz die Schimpfwörter ausspricht, steigt so einigen Eltern die Röte in die Wangen. "Eltern wollen ja, dass ihr Kind wertschätzend mit anderen umgeht. Sagt das Kind dann Schimpfwörter, ist das vielen peinlich, weil sie sich fragen: Was denken jetzt bloss die anderen?", erläutert Christina Zehetner, Sozialpädagogin und Erzieherin.

Dabei ist den kleineren Kindern meist gar nicht bewusst, was Schimpfwörter bedeuten. "Ausdrücke wie Blödmann können sich die Kinder noch herleiten: Das ist ein blöder Mann", sagt Dana Mundt. Anders sieht es bei vielen sexualisierten Ausdrücken aus. Daraus folgt: Kleinere Kinder benutzen diese Wörter meist nicht mit der Absicht, andere zu beleidigen. Für ältere Kinder und Jugendliche dagegen können Schimpfwörter eine Möglichkeit sein, Dampf abzulassen.

Soll ich Schimpfwörter ignorieren?

Doch was tun, wenn obszöne Worte fallen? "Tief durchatmen - und nicht als persönlichen Angriff werten", rät die Erziehungswissenschaftlerin Stefanie Wenzlick. Eine pauschale Lösung gibt es nicht. Denn jede Familie hat ihre eigene Schimpfwort-Kultur. Einige Eltern ziehen schon bei milderen Wörtern wie "Mist" die Augenbrauen hoch, während in anderen härtere Ausdrücke ganz selbstverständlich verwendet werden. "Eltern können versuchen, ein gutes Vorbild zu sein", sagt Zehetner. Das bedeute jedoch nicht, seine Wut herunterzuschlucken.

Die Expertinnen sind sich einig: Strafen sind kein gutes Mittel, um Schimpfwörter einzudämmen. Doch auch das für viele Eltern reizvolle Überhören sollte nicht zur Normalität werden. Denn Kinder nutzen Schimpfwörter auch aus dem Grund, um Aufmerksamkeit zu erhalten.

"Ignorieren die Eltern das Kind, wird dieses Bedürfnis nicht gestillt", sagt Wenzlick. Das kann dazu führen, dass Kinder mit noch härteren Wörtern oder aggressivem Verhalten reagieren. Und auf keinen Fall sollten Eltern es ignorieren, wenn ihr Kind Schimpfwörter zu anderen Menschen sagt.

So reagieren Sie richtig

Ob das Schimpfwort in der Öffentlichkeit oder am Frühstückstisch fällt: Eltern sollten klar kommunizieren, dass solche Begriffe problematisch sind. "Dabei sollten sie das Wort kritisieren, nicht das Kind", sagt Wenzlick.

  • Ist das Kind im Kindergartenalter, kann man ihm klarmachen, dass Schimpfwörter nicht nett sind und anderen Menschen wehtun. "Kleinere Kinder verstehen das meist sehr gut", beobachtet Zehetner. "Das liegt daran, dass sie etwa ab dem Alter von drei Jahren, also in der magischen Phase, stark in den Kategorien 'gut' und 'böse' denken."
  • Bei älteren Kindern und Jugendlichen ist es möglich, die Hintergründe unter die Lupe zu nehmen. In vielen Schimpfwörtern stecken Frauenverachtung, Homophobie, Rassismus oder Behindertenfeindlichkeit. Wenn das den Jugendlichen bewusst wird, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie zu diesen Wörtern greifen.

Quatschwörter erfinden oder Schimpfwort-Kasse einrichten

"Es ist besser, das Thema mit einem Augenzwinkern als mit einem erhobenen Zeigefinger anzugehen", empfiehlt Mundt. Dabei können kreative Strategien helfen.

  • Ein Beispiel sind harmlose Quatschwörter, die Schimpfwörter ersetzen können. Vom "peinlichen Pudding-Plumpser" bis hin zum "Prinzessinnen-Orangenkopf" ist alles möglich, was Eltern und Kindern einfällt.
  • Für eher impulsive Kinder, die Schimpfwörter zum Abreagieren einsetzen, kann eine festgelegte Wut- oder Schimpfzeit sinnvoll sein. In diesem Zeitfenster kann der Nachwuchs seinen Gefühlen freien Lauf lassen - und all die dreckigen Worte loswerden, die sonst im Alltag nicht so gut ankommen.
  • Und bei älteren Kindern kann eine Schimpfwort-Kasse funktionieren. Lässt ein Familienmitglied - dazu gehören auch die Eltern - ein Schimpfwort fallen, muss es eine kleine Geldsumme einzahlen.

"Das schafft Bewusstsein, wie viele Schimpfwörter überhaupt benutzt werden", sagt Zehetner. Und läuft es eine Zeit lang gut mit der Schimpfwort-Vermeidung, kann sich die Familie mit dem vorher Angesparten zum Beispiel einen Besuch im Eiscafé gönnen. (Ricarda Dieckmann/dpa/af)

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