- Homeschooling, Wechselunterricht, weniger Sport, kaum soziale Kontakte: Die Facetten der Corona-Pandemie hinterlassen Spuren in der Psyche von Kindern.
- Fast jedes dritte Kind in Deutschland zeigt psychische Auffälligkeiten.
- Auf welche Warnzeichen Eltern achten sollten.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Seit Beginn der Corona-Pandemie vor einem Jahr zeigt fast jedes dritte Kind in Deutschland psychische Auffälligkeiten.
Damit sind vor allem Sorgen und Ängste, aber auch depressive Symptome und psychosomatische Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen gemeint, wie eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) vor wenigen Wochen gezeigt hat.
Eltern fragen sich angesichts dieser Ergebnisse zu Recht: Was belastet meine Kinder am stärksten? Und was kann ich tun, um ihnen zu helfen?
Psychische Belastung: Alarmsignale
Als Erstes gilt es herauszufinden: Hat mein Kind aktuell nur eine schlechte Phase, oder steckt da mehr dahinter? "Es gibt eine Reihe an körperlichen Symptomen wie Unruhe, Bauchschmerzen, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen", sagt Mirriam Priess im Themendienst-Gespräch. Sie lassen darauf schliessen, dass das Kind psychisch belastet ist. Priess ist Ärztin, Therapeutin und Autorin.
Ein weiteres Alarmzeichen ist es, wenn Kinder und Jugendliche ihre Ängste und Nöte kompensieren, indem sie sich in eine andere Welt flüchten. Je nach Alter kann das vermehrt durch Smartphonenutzung und Computerspiele, aber auch Süssigkeiten und Alkohol passieren.
Kommunikation ist wichtiger denn je
Im Umgang miteinander merken Eltern ausserdem, dass es zunächst zu mehr Auseinandersetzungen mit dem Nachwuchs kommt. Der Kontakt kann dann aber langsam verloren gehen, das Kind zieht sich immer weiter zurück.
"Damit ich mitbekomme, wie es meinem Kind in dieser Zeit überhaupt geht, muss ich den Dialog aufrechterhalten. Das beinhaltet aber mehr, als nur miteinander zu reden", erklärt Priess. Im Gespräch gehe es um Fragen: "Wie geht es dir? Was ist für dich wichtig?". Beide Seiten müssten sich gehört und verstanden fühlen.
Gerade im Moment sei es wichtig, den Kindern wertschätzend zu vermitteln: "Du bist gut, so wie du bist" - auch, wenn sie für den elterlichen Geschmack vielleicht gerade weniger für die Schule machen, als sie sollten. "Da muss man auch seine eigene Anspruchshaltung überprüfen: Im Moment ist es nicht realistisch, alle Ansprüche so zu erfüllen, wie das vor Corona möglich war", sagt Priess.
Für die Kinder sei unheimlich viel weggefallen: Beziehungen, soziale Kontakte, die Schule als Strukturgeber, alle Hobbys. "Das kann in der Familie mit Empathie aufgefangen werden, auch wenn es sehr anstrengend für alle ist."
Die Atmosphäre zu Hause sei insgesamt sehr wichtig, so Priess: "Damit ist aber nicht gemeint, dass es immer nur harmonisch abläuft. Man muss auch akzeptieren, wenn einer sagt: 'Heute kann ich nicht mehr'. Im Dialog zu bleiben bedeutet auch, Grenzen zu respektieren."
Wann Sie Massnahmen ergreifen sollten
Haben Eltern das Gefühl, mit diesen Strategien nicht an ihr Kind heranzukommen, oder beobachten sie eine sich verschlechternde Symptomatik, sollten sie sich an den Kinder- und Jugendarzt wenden. Auch professionelle therapeutische Hilfe kann eine Möglichkeit sein.
Für Priess ist besonders wichtig, dass die Eltern nicht nur ihre Kinder im Blick haben, sondern auch sich selbst: "Wenn ich mich selbst ausbeute, kann ich nichts mehr geben. Deswegen sollten sich Väter und Mütter immer fragen: Befinde ich mich noch im Gleichgewicht zwischen Nehmen und Geben? Wie kann ich meine wesentlichen Bedürfnisse erfüllen, auch wenn vieles nicht geht? Was würde mir gerade gut tun, wie kann ich mich entlasten? Auch wenn es nur zehn Minuten sind."
Inwieweit die Einschränkungen der Corona-Pandemie auch langfristige Auswirkungen haben werden, ist für Priess nicht vorhersehbar. Was aber klar ist: "Das Jahr hat bei allen deutliche Spuren hinterlassen. Bei so vielen Menschen merke ich, wie sehr sie über ihre Grenzen gegangen sind - das habe ich in diesem Ausmass noch nicht gesehen." (dpa/mak)
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