• Wir wollen das Beste für unsere Kinder. Und manchmal übertreiben wir es, indem wir etwa sagen "Du bist das Wichtigste in meinem Leben!"
  • Warum wir ihnen damit keinen Gefallen tun und welche Sätze es wirklich sind, aus denen ein Mensch Kraft fürs Leben schöpft.

Mehr Familienthemen finden Sie hier

Eltern verbringen in manchen Phasen der Coronakrise so viel Zeit wie nie mit ihren Kindern. Doch sind das Zeiten der grossen Anspannung. Da ist es manchmal leichter gesagt als getan, zusammenzuwachsen und gestärkt aus solchen Zeiten hervorzugehen.

Was können Eltern und Angehörige ganz konkret tun, um Kinder zu stärken? Um ihnen Halt zu geben, jetzt und auch für ihre Zukunft?

Die Münchner Familientherapeutin Anette Frankenberger verweist auf ein Zitat der Begründerin der systemischen Familientherapie, Virginia Satir: "Selbstwert wird kommuniziert." Dabei sind es nicht nur die Taten und Gesten der Eltern, die Einfluss auf den Selbstwert des Kindes haben. Sondern ganz entscheidend auch das, was wir SAGEN.

Häufige Sätze, die unseren Kindern NICHT guttun

Dabei machen Eltern oft einen entscheidenden Fehler. In unserer überschwänglichen Liebe überhöhen wir das Kind und erzeugen damit Druck statt Selbstbewusstsein - zum Beispiel mit diesen Sätzen:

  • Ich würde alles für dich tun, du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben
  • Keiner kann das besser als du
  • Du bist so ein liebes Kind
  • Du kannst alles schaffen
  • Du bist so grossartig, du bist etwas ganz Besonderes!

"Wir behandeln unsere Kinder wie kleine Prinzen und Prinzessinnen", bemerkt Frankenberger. "Das kann niemand immer erfüllen! Die Kinder ahnen das auch – und später werden sie es definitiv wissen. Denn irgendwann machen sie die Erfahrung: Da gibt es andere, die toller sind, etwas besser können oder höhere Leistungen erzielen."

Das sei dann schwer zu verkraften. Menschen, die in ihrer Kindheit idealisiert wurden, hätten oft ein Leben lang mit Problemen zu kämpfen: "Sie werden immer damit beschäftigt sein, alles hinzukriegen und dem gerecht zu werden, was ihre Eltern ihnen gesagt haben."

Wie aber dann? Schliesslich ist jedes unserer Kinder besonders, und das möchten wir ihnen doch auch zeigen!

Der Schlüssel liegt darin, konkret zu sein

Der entscheidende Hinweis: Wir sollten konkret sein in dem, was wir sagen. Ein klassisches Beispiel veranschaulicht es. Der typische Eltern-Reflex, wenn das Kind ein selbst gemaltes Bild zeigt:

  • Wow! Das hast du aber schön gemalt!

"Wir reagieren oft unreflektiert – manche Eltern gucken nicht einmal richtig hin", sagt Frankenberger. Wichtig sei in solchen Momenten, echtes Interesse zu zeigen:

  • Erzähl mir, was du da gemalt hast. Was hast du dir dabei gedacht?
  • Das gefällt mir besonders gut: wie du das lachende Gesicht der Sonne hinbekommen hast

Diese Worte können Kinder nicht oft genug hören

Weitere Sätze, aus denen Kinder Kraft fürs Leben schöpfen können, sind laut Frankenberger etwa:

  • Ich hab dich lieb

Das mag selbstverständlich klingen, doch nach Erfahrung der Therapeutin wird es oft unterschätzt: "Kinder hören ihre Eltern viel schimpfen und meckern. Sie fragen sich dann sehr wohl, ob ihre Eltern sie wirklich lieb haben. Deshalb kann man diese Worte nicht oft genug sagen."

Nach jahrzehntelangen Studien hielt der amerikanische Therapeut John Gottman einmal fest: In einer glücklichen Beziehung überwiegt das Positive gegenüber dem Negativen mit einem Verhältnis von 5:1. "Diese 'Formel der Liebe' gilt für Paare genauso wie für Familien. Die positiven Bemerkungen, Gesten und Taten müssen ganz deutlich überwiegen", weiss Frankenberger.

  • Ich bin da / Ich bin bei dir
  • Du bist in Sicherheit

"Es ist unsere Aufgabe als Eltern, für das Kind zu sorgen, was immer auch kommt. Dafür muss das Kind nichts leisten und nichts erfüllen", erklärt Frankenberger.

  • Ich höre dich / Ich sehe dich

Vor allem geht es darum, dass das Kind das Gesagte auch erlebt. Ein Beispiel: Das Kind steht oben auf der Rutsche: "Schau mal, Papa!" Viele Eltern geben dann eine Antwort à la: "Wow! Toll, wie hoch du geklettert bist!"

Dabei ging es dem Kind ursprünglich gar nicht darum, eine Bewertung zu bekommen: "Es wollte einfach gesehen werden", sagt Frankenberger, "wenn wir sagen 'Ich sehe dich' – vermitteln wir dem Kind zweierlei: Ich sehe, was du tust. Und: Ich gebe auf dich Acht."

  • Es hat mir grossen Spass mit dir gemacht
  • Danke, dass du mir geholfen hast!

"Nach gemeinsamen Aktivitäten ist eine Anerkennung, ein Feedback, wichtig. Wir sollten auch nicht vergessen, 'bitte' und 'danke' zu sagen", meint Frankenberger

  • Ich glaube, du schaffst das schon

Wenn unsere Kinder mit etwas ringen, sollten wir nicht sofort einspringen. "Du kannst das" hält Frankenberger für eine wichtige Botschaft: "Wir begleiten unsere Kinder, ohne ihnen aber immer gleich etwas abzunehmen, wie es sogenannte Rasenmäher-Eltern gerne tun." In der konkreten Herausforderung, die es gerade meistert, vermitteln wir: "Du schaffst es – auch allein. Ich begleite dich dabei."

Wichtige Erfahrung für das Kind: Meine Gefühle dürfen sein

  • Ich verstehe, dass du traurig und wütend bist
  • Ich verstehe, dass du dich über mich ärgerst

Frankenberger: "Verstehen heisst nicht einverstanden sein!" Mit Sätzen wie "Jetzt übertreibe mal nicht", "Beruhige dich wieder, es war doch nur ein Spiel!" sei niemandem geholfen. "Alle Gefühle dürfen sein", betont Frankenberger. "Wenn wir versuchen, sie wegzutrösten, fühlt das Kind sich nicht abgeholt. Es wird mir im Gegenteil beweisen wollen, wie schlimm die Situation wirklich ist."

Am besten sei es, mitzugehen: "Weder versuchen, die Gefühle gross- noch kleinzureden. Die Kinder wissen dann: Es ist bei den Eltern angekommen, sie haben keine Angst vor dem, was ich fühle. Das Kind kommt leichter wieder aus seinem Erleben heraus."

  • Das hat mir sehr gefallen, wie du deiner Schwester geholfen hast, ihre Schuhe anzuziehen

Ist dem Kind etwas gelungen, ist ein entsprechendes Lob von grosser Bedeutung. Der Schlüssel wieder: konkret sein. "Es ist wichtig, dass das Kind erfährt: Jemand hat seine Bemühungen gesehen."

Bedingungslose Elternliebe

Das Kind weiss ja, dass wir froh sind, wenn es uns hilft – das denken wohl viele. Warum es aber so wichtig ist, es auch zu sagen: "Das Kind kann so sein eigenes Verhalten reflektieren", erläutert Frankenberger, "wir existieren darüber, dass wir von anderen wahrgenommen werden. Wenn man uns nicht sieht, ist man nicht da. Deshalb ist das Feedback zum eigenen Handeln so wichtig."

So bedingungslos wir unsere Kinder auch lieben, so achtsam gilt es zu sein in dem, was wir sagen. "Alle Kinder wollen bedingungslos geliebt, aber nicht übermässig gelobt werden", präzisiert Frankenberger. "Die bedingungslose Liebe vermitteln wir mit unserer Gestik und Mimik, und indem wir sagen: Ich hab dich lieb. Aber nicht, indem wir bedingungslos loben: Du bist ja so ein tolles Kind."

Astrid Lindgren hätte das in "Karlsson vom Dach" genial getroffen: Er ist nicht einfach "Der Allerbeste", sondern eben "der allerbeste Karlsson auf der Welt". Frankenberger: "So können wir es unseren Kindern vermitteln. Du bist die beste Lea, der beste Florian der Welt. Genau so, wie du bist, bist du richtig, mit all deinen Gefühlen und Gedanken und in all deiner Einzigartigkeit."

Zur Person: Anette Frankenberger arbeitet in München als systemische Paar- und Familientherapeutin sowie Supervisorin seit 1994 in eigener Praxis. Seit 1989 ist sie als Dozentin in der Erwachsenenbildung und Erziehungsberatung tätig.
Hinweis: Dies ist ein aktualisierter Artikel aus unserem Archiv.

Mama und Papa rennen in zwei Richtungen: Wem folgen die Kinder?

Eltern aus Las Vegas haben ihre Kinder auf die Probe gestellt: Mama und Papa rannten in zwei Richtungen davon – doch wem folgte der Nachwuchs?


JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.