Animal Hoarding ist ein Krankheitsbild, bei dem Personen eine Sucht für das Ansammeln von Haustieren entwickeln. Für die Tiere bedeutet das meist Vernachlässigung und grosses Leid.
Das Wichtigste in Kürze:
- Am häufigsten sind Hunde und Katzen betroffen, aber auch kleine Nagetiere, grosse Nutztiere, Vögel und Wildtiere.
- Oft vergeht viel Zeit, bevor das Tierleid aufgedeckt wird, da Tiersammler:innen sich isolieren. Das Eingreifen der Behörden wird durch rechtliche Einschränkungen erschwert.
- Viele Tiere werden in extrem schlechtem Zustand oder sogar tot aufgefunden.
- Häufig stehen psychische Erkrankungen wie Sucht, Zwangsstörungen oder Depressionen hinter Animal Hoarding.
Darum geht es bei Animal Hoarding
Animal Hoarding ist sowohl für den betroffenen Menschen als auch für die Haustiere eine grosse gesundheitliche Belastung. Laut Angaben des Tierschutzbunds gehört Animal Hoarding zu den psychischen Krankheitsbildern und kann durch zahlreiche andere psychische Erkrankungen begünstigt oder ausgelöst werden. Oft geht die Sucht so weit, dass die Betroffenen den Überblick über ihre Haustiere verlieren und sie nicht mehr versorgen können. Den Tieren fehlt es somit an Futter, Wasser, Platz, Hygiene und medizinischer Versorgung. Dies führt dazu, dass die Tiere immer mehr verwahrlosen, schwer erkranken und eventuell sogar an den Folgen sterben.
So gab es laut Tierschutzbund in der Vergangenheit bereits Fälle, in denen Personen mit 24 Hunden und zwei Katzen in einer Wohnung zusammengelebt, 35 Hunde im Wohnzimmer gehalten oder neben vier Kindern noch 14 Hunde beherbergt haben. Den betroffenen Personen ist das Leid der Tiere dabei oft nicht oder nur eingeschränkt bewusst. Einige sammeln Tiere sogar in dem Glauben an, sie vor Leid zu retten. Für den Tierschutz sind Fälle von Animal Hoarding meist sehr kompliziert, da die betroffenen Personen in der Regel nicht zur Kooperation bereit sind.
Animal Hoarding: Zahlen und Fakten
Seit 2012 gehören Hunde und Katzen zu den Tieren, die am meisten von Animal Hoarding betroffen sind. Aber auch kleine Nagetiere sowie grosse Nutztiere (wie Kühe und Schafe), Vögel und sogar einheimische und nicht einheimische Wildtiere waren in Deutschland bereits Opfer von Animal Hoarding.
2021 musste der Deutsche Tierschutzbund einen traurigen Rekord verzeichnen: Seit der ersten Erhebung 2012 waren die Animal-Hoarding-Fälle noch nie so hoch wie im Jahr 2021. Die jährlich bekannt gewordenen Fälle lagen in diesem Jahr bei 68. Tierschützer:innen decken also etwas mehr als einen Fall pro Woche auf. Nach Veröffentlichung der Zahlen von 2021 kamen aber nochmal 5 Fälle dazu. Was die Anzahl der Fälle mit 73 auf das gleiche Niveau von 2022 bringt. 2012 waren es gerade einmal 22 Fälle.
Seit Aufzeichnungsbeginn waren circa 35.300 Tiere von Animal Hoarding betroffen. Die höchste Zahl lag dabei im Jahr 2022 mit 4506 Tieren. Laut Tierschutzbund ist dies eine rasante Entwicklung.
Es ist jedoch unklar, ob dies tatsächlich daran liegt, dass mehr Menschen eine Sucht nach Haustieren entwickeln, ob Behörden öfter auf Fälle aufmerksam werden oder die Sensibilisierung des Themas dazu beiträgt. Der Tierschutzbund geht in jedem Fall von einer hohen Dunkelziffer, sowohl bei der Anzahl der Fälle, als auch bei der Anzahl der Tiere, aus.
Animal Hoarding: Ein grosses Problem für den Tierschutz
Bevor der Tierschutz auf das Tierleid aufmerksam wird, vergeht oft viel Zeit – denn die Tiersammler:innen schotten sich mit ihren Tieren oftmals nach aussen hin ab und vermeiden soziale Kontakte mit ihren Mitmenschen. Laut dem Tierschutzbund werden die Behörden vorwiegend erstmals durch Hinweise der Nachbar:innen auf derartige Fälle aufmerksam. Diese klagen meist über Gestank oder eine starke Geräuschkulisse.
Wenn die Tiersammler:innen nicht kooperieren, kann das Veterinäramt nicht gleich die Wohnung betreten oder durchsuchen – das Tierschutzgesetz bietet keine Rechtsgrundlage dafür. Jedoch kann sich das Veterinäramt an die Polizei wenden und Vollzugshilfe in Anspruch nehmen. Bei besonderer Schwere oder Wiederholung kann das Veterinäramt bei der Staatsanwaltschaft ein vorläufiges Tierhalteverbot beantragen.
Können die Tiere dann endlich gerettet werden, ist es für viele bereits zu spät: 2021 fanden Tierschützer:innen in nur neun Fällen zusammengerechnet insgesamt 283 tote Tiere auf. Im Jahr 2022 stieg die Zahl der toten Tiere auf mindestens 304.
So tragisch ist Animal Hoarding für die Tiere
Wie stark Tiere bei Animal Hoarding leiden müssen, verdeutlicht der Tierschutzbund anhand eines Falles, bei dem eine Person eine grosse Anzahl an Pferden gehoardet hatte. Die Herde vergrösserte sich immer mehr, da sich die Tiere unkontrolliert fortpflanzten. Zudem mussten sie auf matschigen Koppeln stehen, standen bei Regen bis zu den Sprunggelenken im Matsch und konnten sich dementsprechend kaum fortbewegen. Unkontrollierte Rangordnungskämpfe in der Herde führten zu Verletzungen, die der Hoarder nicht medizinisch behandeln liess.
Durch mangelnde Hygiene breiteten sich unter den Pferden Parasiten sowie Fell- und Hauterkrankungen aus. Besonders ältere Pferde wurden von jüngeren ständig von den Futterplätzen vertrieben und verhungerten schliesslich. Die Kadaver der Pferde lagen meist lange Zeit offen auf dem Hof herum. Da der Halter die Hufe der Tiere nicht pflegte, kam es mit der Zeit zu starken Hufdeformationen. Diese erschweren den Pferden das Laufen und verursachen starke Schmerzen. Neugeborene Fohlen wurden oftmals totgetrampelt.
Ähnlich tragische Berichte gibt es laut dem Tierschutzbund auch von Hunden, Katzen, kleinen Nagetieren und anderen Tierarten.
Animal Hoarding: Eine psychische Erkrankung
Die psychischen Ursachen, die zu Animal Hoarding führen, sind laut dem Tierschutzbund zahlreich und variieren von Fall zu Fall. Typische Ursachen sind zum Beispiel andere Suchterkrankungen, Zwangskrankheiten, Angststörungen, Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen (wie Borderline-Störung und Psychosen). In vielen Fällen führt eine psychische Krankheitsgeschichte dazu, dass sich die betroffene Person von ihren Mitmenschen abkehrt und sich ganz und gar der Welt der Tiere zuwendet. Die Tiere sollen der Ausweg aus dem leidvollen Leben sein.
Aus bisherigen Studien lassen sich etwa vier Typen der Animal Hoarder beschreiben, so der Tierschutzbund. Diese können sich jedoch auch überschneiden und als Mischformen auftreten:
- Übertriebene Pfleger:innen: Diese Menschen sind sozial isoliert und wollen ihre Mitmenschen durch Tiere ersetzen. Sie versuchen die Tiere zu pflegen, scheitern aber daran. Die Gesamtsituation wächst ihnen infolgedessen schnell über den Kopf. Dies spielen sie jedoch herunter.
- Retter:innen: Tiere vor Leid zu schützen gehört zur klaren Mission dieser Menschen. Sie glauben, die Einzigen zu sein, bei denen Tiere ein glückliches Leben führen könnten. Sie sammeln Tiere deshalb aktiv und können kein Tier ablehnen.
- Züchter:innen: Menschen, die diesem Typ entsprechen, kaufen zahlreiche Tiere mit dem Ziel, diese zu züchten und zu verkaufen. Mit der Zeit gerät der Bestand jedoch immer mehr ausser Kontrolle, da sich die Tiere unkontrolliert fortpflanzen. Die Tierhalter:innen verlieren den Überblick über die Tiere und sind nicht fähig, sie professionell zu verkaufen.
- Ausbeuter:innen: Menschen dieses Typus weisen oft narzisstische Züge auf. Sie haben mangelnde Empathie und sammeln Tiere ausschliesslich aus eigennützigen Motiven. Da sie ihr Handeln gut vertuschen, können sie den Behörden oftmals besonders lang aus dem Weg gehen.
Egal, welcher Typ oder welche Mischform in Einzelfällen vorliegt – Animal Hoarding ist in jedem Fall ein psychiatrisches Krankheitsbild beziehungsweise oftmals die Konsequenz anderer psychischer Erkrankungen. Für Betroffene ist also eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung essenziell, um die Sucht in den Griff zu bekommen.
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Überarbeitet von Lena Kirchner
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