Der Klimawandel betrifft nicht alle gleich, sagt die Klimaforscherin Friederike Otto. Sie weist anlässlich ihres Buches auf sexistische und rassistische Aspekte der fortschreitenden Erderwärmung hin.

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Friederike Otto ist Physikerin und renommierte Klimaforscherin. In ihrem gerade erschienenen Buch mit dem Titel "Klimaungerechtigkeit" geht sie der Frage nach, wie der Klimawandel mit Kapitalismus, Rassismus und Sexismus in Verbindung steht.

Darin erklärt sie unter anderem, dass die Klimakrise zwar nicht die Menschheit an sich zerstöre, aber sehr wohl Menschenleben und Lebensgrundlagen. Wovon aber keineswegs alle im selben Mass betroffen seien, wie Otto in einem Interview mit Watson erklärt. Die Forscherin sagt: "Je weniger wir an der Gesellschaft teilhaben, desto weniger sind wir auch in der Lage, uns zu schützen."

Deshalb seien ärmere Menschen und Länder dem Klimawandel deutlich stärker ausgesetzt als wohlhabende – das gelte lokal wie auch global.

Ein anderes Problem stellen laut Otto sexistische Aspekte dar, die mit der Erderwärmung zusammenhingen. So mache der in der Gesellschaft verankerte Sexismus, es leichter, "kolonial fossile Narrative" zu reproduzieren. Also jene Ungleichheit zwischen Menschen, die durch patriarchale, koloniale und fossile Strukturen geprägt sind.

Klimawandel: Gefälle zwischen Männern und Frauen

Die Klimakrise sei nicht per se sexistisch. Gleichzeitig betont die Klimaforscherin: "Global gesehen sind es vor allem die Männer, die davon (Anm. d. Red.: besagten Narrativen) profitieren. Dazu kommt, dass Frauen die Auswirkungen der Klimakrise deutlich stärker treffen als Männer. Das hat mit den unterschiedlichen Rollen in der Gesellschaft zu tun."

Um das zu verdeutlichen, nennt Otto gegenüber Watson ein Beispiel aus dem Kulturraum Westafrikas: Wegen der dort noch immer strengen Geschlechtertrennung seien vorwiegend Frauen für die Versorgung mit Nahrung zuständig. "Das bedeutet aber auch, dass sie – egal wie heiss es ist, oder wie schlecht es ihnen geht – raus aufs Feld gehen müssen, weil es sonst nichts zu essen gibt", erklärt Otto.

Hinzu kommt: Da sich immer noch die meisten medizinischen Studien weltweit an Männern orientieren, würden Frauen stark benachteiligt werden. Deshalb steige etwa das Risiko für Frauen, an Hitzewellen zu sterben – denn die Symptome können sich bei ihnen anders als bei Männern äussern.

Auch Rassismus spielt eine Rolle

Die Klimaforscherin macht ausserdem auf Nachteile für Menschen aufmerksam, die auf rassistischen Motiven beruhen. Bei Klimakonferenzen etwa werde sichtbar, dass nicht allen Staaten gleich viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, wenn es um klimarelevante Anliegen geht.

Wenn etwa afrikanische Staaten bei einer globalen Klimakonferenz einen Ausstieg aus fossilen Energien forderten, interessiert das laut Otto kaum jemanden. Sie weist darauf hin, dass führende Industriestaaten hier einen Vorteil hätten.

"Das hat natürlich mit der Wirtschaftsmacht zu tun, aber eben auch mit Rassismus", betont Otto gegenüber Watson.

Wirtschaftliche Interessen fossiler Energiekonzerne überwiegen laut Otto

Was sich in der jüngeren Vergangenheit durchaus verändert habe, sei, wie in der gesellschaftlichen Debatte über den Klimawandel gesprochen wird. Laut Otto ist das vor allem infolge von Extremwetterereignissen der Fall. Denn die Verbindung zwischen ihnen und dem Klimawandel sei vielen Menschen mittlerweile verständlich geworden.

Den Grund für die globale Zurückhaltung, Vorkehrungen in der Klimakrise zu treffen, sieht Otto in den wirtschaftlichen Interessen fossiler Energiekonzerne und der OPEC-Staaten. Die OPEC ist die Organisation der erdölexportierenden Länder.

"Und das ist genau das, was ich meine, wenn ich von dem kolonial-fossilen Narrativ spreche: Wir beharren als Gesellschaft darauf, dass die Welt, in der wir jetzt leben, die bestmögliche ist und Veränderungen schlecht sind", führt Otto aus.

Die Wissenschaftlerin appelliert an die Bevölkerung wirtschaftlich stärkerer Länder: Man müsse sich vor Augen führen, dass Ungleichheiten Konflikte auslösen. "Wir sollten Verantwortung übernehmen und handeln", sagt die Forscherin deshalb.

100 Millionen Dollar in den "Loss-and-Damage-Fund" der UN-Klimakonferenz zum Ausgleich von Klimaschäden zu stecken – wie es Deutschland gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten getan hat – reicht nach Meinung der Expertin nicht. Im Gegenteil: Das sei "lächerlich wenig Geld" angesichts dessen, was den vom Klimawandel besonders stark betroffenen Ländern droht.

Verwendete Quelle: Watson

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