Dass Fleisch schlecht fürs Klima ist, ist bekannt. Doch wie beeinflussen unsere Leibgerichte die Artenvielfalt? Wissenschaftler:innen der National University of Singapore sind der Frage auf den Grund gegangen. Nicht nur Fleischgerichte schnitten dabei schlecht ab.
Artenvielfalt beschreibt die Anzahl biologischer Arten. Sie ist ein Teilbereich der Biodiversität, welche zusätzlich die genetische Vielfalt und die Vielfalt der Ökosysteme umfasst. Wenn Menschen in die Lebensräume von Arten eingreifen, etwa um Nahrungsmittel anzubauen, beeinflusst dies ihre Fülle.
Welche Auswirkungen unsere kulinarischen Gewohnheiten konkret haben, zeigt eine neue Auswertung: Wissenschaftler:innen der National University of Singapore (NUS) haben 151 Gerichte identifiziert, die ihren Angaben zufolge in den 25 wirtschaftsstärksten Ländern besonders beliebt sind. Anschliessend berechneten sie, wie sich die Gerichte auf die Artenvielfalt auswirken.
Ihre Ergebnisse haben die Forscher:innen in der Fachzeitschrift Plos One veröffentlicht. Überraschend dabei: Nicht nur Fleischgerichte schnitten schlecht ab, sogar vegane Gerichte waren im Negativranking vertreten.
Studienaufbau: Wie Gerichte Artenvielfalt beeinflussen
Für ihre Studie mussten Forscher:innen eine Art Fussabdruck für Artenvielfalt berechnen. Keine leichte Aufgabe, denn Artenvielfalt ist ein weites Feld. Die Wissenschaftler:innen untersuchten Gerichte deshalb immer anhand von drei Indikatoren: Die Auswirkung auf Artenvielfalt generell – also wie viele Spezies betroffen sind – sowie die Folgen für die Vielfalt bedrohter Arten.
Ausserdem analysierten die Forschenden wie selten die betroffenen Lebensräume sind, die von natürlichem Lebensraum in Acker- oder Weideland umgewandelt werden. Zusätzlich berücksichtigten sie verschiedene Szenarien, etwa globale versus lokale Produktion und Futtermittelanbau versus Weidehaltung.
Ziel der Forscher:innen war, zu berechnen, wie sich bestimmte Gerichte auf die verschiedenen Indikatoren von Artenvielfalt auswirken. Sie wählten dazu 151 Gerichte aus, die basierend auf Daten des US-amerikanischen Senders CNN und des kulinarischen Online-Reiseführers Taste Atlas in wirtschaftsstarken Ländern besonders beliebt sind.
Anschliessend untersuchten die Forscher:innen die Auswirkungen der einzelnen Zutaten auf Vögel, Amphibien und Säugetiere. Die verwendete Datenbank konzentriert sich nur auf die genannten Tiere, zum Biodiversitätsverlust in den Meeren und bei Insekten fehlten Daten, wie Zeit Online berichtet.
Ergebnis: Nicht nur Fleisch hat hohen Artenvielfalts-Fussabdruck
Auf dieser Grundlage erstellten die Wissenschaftler:innen diverse Rankings. Besonders stark auf den Artenreichtum wirken sich demnach viele fleischhaltige Gerichte aus: Unter den Top 20 befinden sich etwa Lechazo, eine spanische Bezeichnung für Milchlamm, welches oft als Braten serviert wird. Auch Picanha ist vertreten, also das Schwanzstück vom Rind, wie es in Südamerika gern gegessen wird.
Doch auch vegane und vegetarische Gerichte werden genannt, etwa Idli (Bohnenküchlein) und Rajma (Kidneybohnen-Curry). Beide Mahlzeiten sind im indischen Raum beliebt.
Bezogen auf gefährdete Arten und seltene Lebensräume fallen die Ergebnisse leicht anders aus, doch insgesamt zeigt sich ein Trend: Fleischhaltige Rezepte mit Rindfleisch tauchten immer wieder in den Negativrankings auf. Das ist wenig überraschend: Fleisch benötigt viel Fläche für Stall, Weide und vor allem Futteranbau. Der Studie zufolge haben Kühe im Vergleich zu anderen Tieren eine weniger effiziente und unterdurchschnittliche Futterverwertung: Sie brauchen etwa mehr Weidefläche pro Kilogramm Fleisch.
Die Forscher:innen schreiben auch, dass der Artenvielfalts-Fussabdruck von veganen und vegetarischen Gerichten durchweg deutlich geringer ist als bei Gerichten mit Fleisch. Dass auch Gerichte mit Reis oder Hülsenfrüchten als Hauptzutat negativ abschnitten, erklärt man damit, dass diese Gerichte hauptsächlich aus Indien und Mexiko stammen. In diesen Ländern wurden Hochgebirgswälder beziehungsweise tropischer Wald in landwirtschaftliche Nutzflächen umgewandelt – für die Artenvielfalt sind diese Gebiete aber sehr wichtig.
Herkunft wichtig bei veganen Zutaten
Ob eine vegane Zutat schlecht für die Artenvielfalt ist, hängt also stark von ihrer Herkunft ab. "Die Hülsenfrucht aus Deutschland ist ganz klar besser", erklärt die Sozioökonomin Melanie Speck gegenüber Zeit Online.
Sie leitet ein Projekt, dass einen Biodiversitätsindex für Kantinenessen ermitteln will, und erklärt, dass Europa weniger Arten verlieren könne als etwa tropische Länder. Denn die hierzulande genutzten Flächen dienen schon lange der Landwirtschaft. Dagegen gibt es in den Tropen und Subtropen deutlich mehr Arten, weil sie dort mehr nicht landwirtschaftlich genutzten Lebensraum finden. Die Forscherin fordert eine vielfältige Ernährung statt Weizen- und Maismonokulturen – am besten mit vielen pflanzlichen, lokal angebauten Lebensmitteln.
Verwendete Quellen: Plos One, Zeit Online © UTOPIA
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