Ein Labor hat 142 Proben Hühnerfleisch aus mehreren Lidl-Filialen untersucht. Auf jeder zweiten wurden multiresistente Erreger nachgewiesen. Ein Verbraucherschützer rät von Panik ab, die Ergebnisse sollten dennoch ernst genommen werden.
Lidl ist offizieller Sponsor der Fussball-EM in Deutschland. Gut möglich, dass nicht wenige Verbraucher:innen von der aktuell erhöhten Medienpräsenz in den Discounter gelockt werden, um sich dort mit Hühnerfleisch für den EM-Grillabend einzudecken. Doch wie eine Laboruntersuchung zeigt, die unter anderem von der "Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt" in Auftrag gegeben wurde, landen dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Keime auf dem Rost.
Kaum ein Stück Huhn ohne Keimbelastung
142 Proben aus 22 Lidl-Filialen in Deutschland, Italien, Spanien, Grossbritannien und Polen haben die Tierschützer:innen an ein deutsches Labor übergeben. Nur zwei davon kamen ohne Keimbefund zurück. Drei von vier Proben (75 Prozent) enthielten Fäkalkeime wie Escherichia coli (E. Coli), Campylobacter fand sich auf mehr als jedem vierten untersuchten Fleischstück (28 Prozent), sogenannte Listerien auf einem von dreien (33 Prozent). All diese Keime können Magen-Darm-Erkrankungen und Infektionen auslösen.
Besonders gefährlich sind jedoch multiresistente Keime wie ESBL und MRSA, die auf jeder zweiten Probe (50 Prozent) gefunden worden und gegen ein oder mehrere Antibiotika immun sind. Infektionen durch derartige Keime lassen sich nur schwer behandeln.
Sieht man sich nur die Ergebnisse deutscher Filialen an, so fanden sich laut Untersuchung immerhin nur auf jeder dritten Probe (33 Prozent) multiresistente Erreger und auch Listerien kamen seltener vor (25 Prozent). Salmonellen, die europaweit auf etwa jeder elften Probe (9 Prozent) gefunden wurden, konnten auf den Produkten deutscher Filialen gar nicht nachgewiesen werden. Dafür kamen Fäkalbakterien (79 Prozent aller Proben) und Campylobacter (50 Prozent) in Deutschland häufiger vor.
Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung, findet die Ergebnisse laut Spiegel "ziemlich erschreckend" und sieht den Discounter in der Pflicht. Lidl sei der grösste Einzelhändler von Hühnerfleisch in Europa. Würde Lidl vorangehen, würden die Produzenten folgen, erklärt er.
Keime auf Lidl-Hühnerfleisch: Gefahr für Verbraucher:innen?
Klosterhafen verweist auf die Gefahr für Verbraucher:innen, die von den Keimen ausgehe, solange das Fleisch nicht ausreichend erhitzt werde.
Lebensmittel-Experte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg warnt zwar davor, aufgrund der Ergebnisse in Panik zu geraten. Dennoch sollten vor allem Menschen mit schwachem Immunsystem, Ältere, Kleinkinder und Schwangere gängige Hygieneregeln ernst nehmen. Dazu gehöre zum Beispiel auch, Geflügelfleisch von anderem Fleisch getrennt zu lagern.
Ausserdem sollte man Hände, Besteck und Schneideflächen, die mit dem rohen Fleisch in Kontakt kommen, anschliessend gründlich waschen.
Lidl reagiert auf die Kritik
Der Spiegel hat Lidl um Stellungnahme zu der Laboranalyse gebeten. Der Discounter habe geantwortet, man könne keine Bewertung vornehmen, "da uns derzeit leider keine konkreten Ergebnisse aus der Untersuchung der Albert Schweitzer Stiftung vorliegen". Ausserdem habe Lidl auf strenge Kontrollen und Qualitätssicherungsmassnahmen verwiesen, die teils noch höhere Grenzwerte vorgeben würden als gesetzlich vorgeschrieben. "Bei gängiger Zubereitung von Geflügel geht für den Verbraucher daher keinerlei Gesundheitsgefahr aus", zitiert Spiegel den Einzelhändler.
Utopia meint: Es geht auch ohne (Hühner-)Fleisch
Multiresistente Keime auf Erzeugnissen der Tierhaltung sind keine Seltenheit. Utopia berichtete in der Vergangenheit bereits darüber. Die simpelste Methode, die Risiken einer Infektion zu reduzieren, ist es, so weit wie möglich auf Tierprodukte zu verzichten. Pflanzliche Lebensmittel sind für gewöhnlich deutlich weniger mit multiresistenten Keimen belastet, da für die Produktion keine Tiere mit Antibiotika gefüttert werden müssen.
Wer trotz der Laboranalyse immer noch Hunger auf Hühnerfleisch hat, sollte zumindest auf eine möglichst hohe Haltungsform achten. Je mehr Tiere auf engem Raum zusammengepfercht werden, desto schneller bilden sich multiresistente Keime. Mehr Platz ist eben nicht nur gut für das Tierwohl, sondern auch für die Gesundheit der Konsument:innen.
Verwendete Quellen: Albert Schweitzer Stiftung (Pressemitteilung), Albert Schweitzer Stiftung (Laborergebnisse), Spiegel © UTOPIA
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