Wer über Leitungswasser kein Mikroplastik aufnehmen will, kann es mit einem Wasserkocher und Filter einfach herausfiltern – dieser Trick kursiert durchs Internet. Aber ist es wirklich so leicht und in Deutschland überhaupt nötig? Utopia hat nachgefragt.

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Online stösst man immer wieder auf einen Tipp: Wer sich um Mikroplastik im Leitungswasser sorgt, muss dieses einfach abkochen und durch einen handelsüblichen Wasserfilter oder Kaffeefilter laufen lassen. So könne ein Grossteil des vorhanden Mikroplastiks entfernt werden. Stimmt das?

Studie empfiehlt, Mikroplastik aus Wasser zu filtern

Als Quelle wird auf eine Studie aus China verwiesen, die 2024 in Fachjournal Environmental Science & Technology Letters veröffentlicht wurde. Forschende der Universität Guangzhou und der Universität Jinan kamen darin unter anderem zu dem Schuss, dass das Abkochen von hartem Wasser mindestens 80 Prozent des Nano- und Mikroplastik mit einer Grösse zwischen 0,1 und 150 μm entfernt. Bei weichem Wasser waren es immerhin 25 Prozent.

Die Forschenden raten dazu, Wasserkocher oder Gasherde zu verwenden, um das Wasser zu kochen. Diese Optionen hätten einen geringen Energieverbrauch. Ausserdem empfehlen Sie zum Beispiel Edelstahlfilter, um das Mikroplastik abzuschöpfen, ehe man das Wasser trinkt. Sowohl Wasserkocher als auch Filter sollten frei von Plastik sein – vermutlich, damit das Wasser über die Behälter nicht wieder mit Plastikpartikeln kontaminiert werden kann. Ein handelsüblicher Wasserfilter besteht allerdings oft aus Plastik und wäre – anders als online oft behauptet – demnach nicht geeignet.

Für die Studie wurde Leitungswasser aus Guangzhou, China verwendet. Die Studie liefert auch Daten dazu, in welchen Konzentrationen Mikroplastik in Europa und Asien vorkommt. Der Wert für Asien liegt demnach 5,6-fach über dem für Europa.

Die Ausgangssituation in beiden Regionen ist also sehr unterschiedlich. Ist es in Deutschland überhaupt sinnvoll, Mikroplastik aus Leitungswasser zu filtern?

Wie stark ist Trinkwasser mit Mikroplastik belastet?

Mikroplastik bezeichnet winzige Kunststoffpartikel mit einer Grösse zwischen 1 Mikrometer und 5 Millimetern, die in der Umwelt weit verbreitet sind. Noch kleinere Teilchen werden als Nanoplastik bezeichnet. Diese Partikel entstehen entweder durch den Zerfall grösserer Plastikobjekte (sekundäres Mikroplastik) oder werden gezielt für Produkte wie Kosmetika hergestellt (primäres Mikroplastik).

Der Mensch kann laut Bundesinstutut für Risikobewertung (BfR) über verschiedene Wege mit Mikroplastik in Kontakt kommen, darunter die Atemluft, Lebensmittel und das Trinkwasser. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kam 2019 jedoch zu dem Schluss, dass es keine zuverlässigen Informationen gäbe, die darauf hindeuten, dass Mikroplastik in Trinkwasser ein Problem für die menschliche Gesundheit darstellt. Sie rief jedoch zugleich dazu auf, die Risiken genauer zu erforschen.

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Und was ist mit Leitungswasser in Deutschland?

In Deutschland gilt Leitungswasser als eines der am strengsten kontrollierten Lebensmittel und weist eine konstant hohe Qualität auf. Die Trinkwasserverordnung wurde zuletzt im Juni 2023 novelliert, um neue europäische Vorgaben umzusetzen und den Schutz des Trinkwassers weiter zu verbessern. Einen Grenzwert für Mikroplastik im Trinkwasser gibt es jedoch aktuell nicht. Allerdings hat die Europäische Kommission im März 2024 standardisierte Messmethoden beschlossen, um das Vorkommen von Mikroplastik im Trinkwasser zuverlässiger zu erfassen und vergleichbare Daten innerhalb der EU zu ermöglichen.

Das TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser führt aktuell ein Forschungsprojekt durch, das herausfinden soll, in welchem Umfang Mikroplastik in Trinkwasserverteilungsnetzen vorkommt. Das Projekt hat Anfang 2025 gestartet und geht noch bis Ende 2027. Utopia hat nach aktuellen Erkenntnissen gefragt.

Gibt es Mikroplastik auch in Mineralwasser?

Dagmar Uhl vom TZW gibt Entwarnung: "Auf Basis von Informationen aus der Literatur und allen uns vorliegenden eigenen Messergebnissen ist die Belastung des Trinkwassers in Deutschland mit Mikroplastik extrem niedrig, in der Regel nicht nachweisbar, und in jedem Fall deutlich geringer als die Belastung mit Mikroplastik, der wir aus anderen Quellen ausgesetzt sind." Sie geht davon aus, dass Mikroplastik im Trinkwasser kein echtes Problem ist. Sichere Aussagen seien allerdings erst möglich, wenn belastbare Messergebnisse vorliegen.

Mikroplastik aus Leitungswasser filtern: Macht das in Deutschland Sinn?

In Deutschland ist Leitungswasser also nur gering mit Mikroplastik belastet. Sollte man es trotzdem sicherheitshalber filtern?

"Das Trinkwasser in Deutschland wird streng kontrolliert und genügt höchsten Anforderungen. Eine weitere Behandlung des Wassers im Haushalt ist aus unserer Sicht nicht erforderlich", urteilt Uhl.

Wer möchte, kann natürlich trotzdem zum Wasserkocher oder Edelstahlfilter greifen. Filtrationsverfahren sind Uhl zufolge prinzipiell gut geeignet, jede Art von Partikeln aus dem Wasser zu entfernen, auch Mikroplastik.

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Zu 100 Prozent gelingt das der Studie zufolge aber ohnehin nicht. Und: Das Wasserkochen benötigt Energie. Da es keine echten Hinweise für eine gesundheitsschädliche Belastung gibt, spart man den Strom also besser ein.

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