Der Begriff "Nimby" steht für Menschen, die Veränderungen nur ausserhalb des eigenen Umfelds akzeptieren. Warum dieser Ansatz grundsätzlich problematisch ist und insbesondere Klimaschutz behindern kann, erfährst du hier.
Der Begriff Nimby steht für "Not In My Backyard" (zu Deutsch: "Nicht in meinem Garten") und beschreibt Menschen, die sich grundsätzlich für eine neue Massnahme aussprechen – aber nur, solange sie nicht die eigene Umgebung verändert.
Im Deutschen ist diese Einstellung auch als das Sankt-Florian-Prinzip bekannt. Dies ist auf einen ironisch gemeinten Reim zurückzuführen, der sich auf den Schutzpatron des Heiligen Florian bezieht: "Heiliger Sankt Florian, verschon‘ mein Haus, zünd‘ and’re an!".
Dass viele Menschen ein grundsätzliches Problem damit haben, Veränderungen in der Nähe des eigenen Wohnortes zu akzeptieren, gilt als eines der zentralen Hindernisse auf dem Weg in eine klimafreundlichere Zukunft. Aber auch in anderen Bereichen ist der Nimby-Ansatz ein populäres Phänomen.
Nimby: Ein international verbreitetes Phänomen
Der Nimby entwickelte sich laut einer Springer-Monographie insbesondere in den 80er-Jahren in den USA. Mittlerweile hat sich das Phänomen längst international verbreitet. In welchen verschiedenen Facetten Nimbys auftreten können, verdeutlicht schon die Vielzahl an weiteren Abkürzungen, die sich in Anlehnung an den Nimby-Begriff entwickelt haben. Dazu zählen etwa:
- LULU (Locally Unwanted Land Use)
- NOOS (Not On Our Street)
- NOPE (Not On Planet Earth)
- NIMB (Not In My Basement)
- BANANA (Build Absolutely Nothing Anywhere Near Anything)
All diese Einstellungen sind in der Regel auf die Verfechtung einer Slow-Growth–Bewegung zurückzuführen – also einer Bewegung, die sich gegen einen zu schnellen Wandel und zu abrupte Veränderungen positioniert. Die menschengemachte Klimakrise und ihre Konsequenzen werden dabei jedoch nicht als bedrohliche Veränderung wahrgenommen, sondern nur nahe gelegene Klimaschutzmassnahmen, wie etwa Windräder oder neue Bahnstrecken.
Nimbys sind dabei jedoch nicht prinzipiell Klimaleugner:innen oder Gegner:innen des Klimaschutzes. Sie sprechen sich sogar häufig für einen besseren Klimaschutz aus und befürworten prinzipiell entsprechende Massnahmen. Nur vor der eigenen Haustür möchte man damit eben nicht konfrontiert werden.
Sankt-Florian-Prinzip: Bahnstrecken, AKWs und Windräder
Ein populäres Beispiel, bei dem das Sankt-Florian-Prinzip eine Massnahme zur Verkehrswende verhinderte, war der Protest des SPD-Politikers
Das Nimby-Prinzip tritt jedoch nicht nur bei Bahnstrecken und Windrädern auf, sondern etwa auch beim Bau von neuen Wohnsiedlungen oder Atomkraftwerken: Viele Menschen sprechen sich noch immer für Atomkraft aus. In der Nähe eines Atommüll-Endlagers wollen sie selbst jedoch lieber nicht wohnen.
Bei Windrädern berufen sich Nimbys häufig auch auf regionalen Naturschutz, um die eigenen Befindlichkeiten durchzusetzen, so Christian Mikovits von der BOKU Wien gegenüber ökostrom. Diese Argumentation findet sich insbesondere bei der AfD, die den sofortigen Stopp des Windkraft-Ausbaus fordern, da dieser den "Lebensraum seltener Tierarten" zerstöre. Um welche genauen Tierarten es sich dabei handelt, spezifiziert sie nicht.
Andere Nimbys befürworten Erneuerbare Energien grundsätzlich, wollen jedoch selbst möglichst weit entfernt von Windrädern wohnen. Auch hier berufen sie sich gern auf Naturschutz-Argumente. Das Paradoxe daran: Windräder in abgelegenen Naturräumen zu bauen ist deutlich schädlicher für die Biodiversität, als sie in bereits erschlossenen Gebieten zu errichten, so Mikovits.
Nimbys gegen Klimaschutz: Was kann man tun?
Grundsätzlich sind die Bedenken von Nimbys nicht immer falsch oder überflüssig. So ist es beim Bau von Windkraftanlagen oder neuen Bahnstrecken tatsächlich notwendig, die regionale Biodiversität zu beachten. Auch Mikovits betont: "Fakt ist: Es gibt die Biodiversitätskrise. Vogelpopulationen, Insektenpopulation – da gibt es massive Probleme. Wenn man das eine löst und das andere dadurch verschärft, hat man in Summe nichts erreicht." Mehr dazu erfährst du hier: Natur vs Klima: Befeuern wir durch Klimaschutz das Artensterben?
Zudem ist es laut Mikovits und seinem Forschungsteam sinnvoll, Bürger:innen von Anfang in mit in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und Räume zur Mitbestimmung zu eröffnen. Denn es formen sich häufig Protestaktionen gegen Klimaschutzmassnahmen, wenn diese einfach "von oben" aufgezwungen werden. Gehen Politiker:innen hingegen auf die Bedenken und Sorgen von Bürger:innen ein und sind bereit, Lösungen gemeinsam auszuhandeln und Kompromisse zu finden, liessen sich einige Projekte leichter umsetzen.
Hast du in einem Gespräch mit einer Person das Gefühl, dass hier das Sankt-Florian-Prinzip zugeschlagen hat und möchtest du eine möglichst konstruktive Diskussion führen, können folgende Tipps helfen:
- Bleibe ruhig. Versuche dir zunächst die Bedenken der anderen Person anzuhören und ihre Lage nachzuvollziehen.
- Versuche herauszufinden, ob ihr eine gemeinsame Basis habt. Ist die Person grundsätzlich für Klimaschutz? Dann frage nach, warum ihr das wichtig ist und warum diese Gründe scheinbar weniger wichtig werden, wenn Klimaschutz im eigenen Umfeld realisiert wird.
- Berufe dich auf die Fakten zur Klimakrise. Hier findest du mehr dazu: Klimawandel: 11 Mythen & Lügen im Check.
- Hake auch bei den Äusserungen der anderen Person genau nach. Beruft sie sich auf regionalen Naturschutz? Dann frage zum Beispiel genau nach, welche Tier- oder Pflanzenarten von einer Massnahme bedroht wären.
- Dein Gegenüber ist grundsätzlich gegen Klimaschutz? Dann kann es auch sein, dass dir gerade eine Verschwörungstheorie unterbreitet wird. Mehr dazu erfährst du hier: Mit diesen 7 Indizien erkennst du eine Verschwörungstheorie.
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