Rückwärtslaufen ist alles andere als eine bekannte Trainingsmethode – einem Experten zufolge jedoch zu Unrecht. Aufgrund zahlreicher gesundheitlicher Vorteile sollten mehr Menschen den Richtungswechsel in den Alltag integrieren.
Rückwärtsgehen und -laufen ist für die meisten Menschen eine sehr ungewöhnliche Art der Fortbewegung. Dennoch hat es durchaus nützliche Vorteile, die Laufrichtung zumindest für eine kurze Weile umzudrehen.
Wer regelmässig Joggen geht und sich mit der Technik auseinandersetzt, ist mit Sicherheit schon einmal über das Lauf-ABC gestolpert. Dabei handelt es sich um eine vorgefertigte Laufschule, die helfen kann, den eignen Laufstil zu verbessern. Das Rückwärtslaufen ist hier Bestandteil des Programms. Doch auch Nicht-Läufer:innen sollten das Rückwärtslaufen einmal ausprobieren.
Rückwärtslaufen: Gelenkschonend und wirksam gegen Rückenschmerzen
Gegenüber der Nachrichtenagentur Spot on news erklärt Dr. Thomas Schneider, Leiter des Bewegungs- und Ganganalysezentrums der Gelenk-Klinik Gundelfingen, welche positiven Effekte der Richtungswechsel mit sich bringt. "Die sonst übliche, immer gleiche Belastung des Körpers wird komplett geändert", sagt Schneider.
Aus orthopädischer Sicht zahle sich Rückwärtsgehen vor allem in Hinblick auf die Körperhaltung aus, so Schneider. Denn gehen Menschen rückwärts, achten sie automatisch stärker auf ihre Haltung und gehen dadurch aufrechter. Dieser Effekt sei vor allem spürbar, wenn man nicht ständig den Kopf verdrehen müsse, um nach eventuellen Hindernissen Ausschau zu halten.
Auch auf das Koordinationsvermögen wirkt sich das Rückwärtslaufen positiv aus. Wie Schneider gegenüber der Apotheken-Umschau erklärt, ist dabei volle Konzentration nötig, um nicht hinzufallen.
Zudem könne regelmässiges Rückwärtsgehen Rückenschmerzen reduzieren und vorbeugen, so Schneider. Denn bei der rückwärtsgerichteten Bewegung verbessere sich unter anderem die Flexibilität der sogenannten Hüftbeuger. Auch die Quadrizepsmuskeln im Oberschenkel würden gestärkt und die Streckfähigkeit des Kniegelenks verbessert.
Ein weiterer Vorteil: Im Gegensatz zum Vorwärtsgehen wird beim Rückwärtslaufen die Ferse geschont. Denn diese prallt dabei nicht so stark auf den Boden auf, sodass das Fersenfettpolster weniger beansprucht wird. Deshalb helfe Rückwärtsgehen zum Beispiel auch bei Fersenschmerzen oder Fersensporn. Auch die Kniegelenke profitieren laut Schneider vom Rückwärtsgehen. Da man dabei kleinere Schritte gehe, entstehe nicht die typische Stossbelastung, die den Knien sonst beim Laufen und Joggen zusetzen kann.
Wie der Kölner Sportwissenschaftler Prof. Ingo Froböse der Apotheken-Umschau erklärt, trainiert Rückwärtslaufen auch das Gleichgewicht. Da beim Rückwärtslaufen zuerst der Ballen auf den Boden trifft, ist es schwieriger, die Balance zu halten. Ausserdem stärkt der Versuch, das Gleichgewicht zu halten, die Muskulatur in den Waden, im Rücken und im Rumpf.
So trainierst du das Rückwärtslaufen
Rückwärtslaufen kann Schneider zufolge eine sinnvolle Ergänzung zu einem üblichen Spaziergang sein. Gerade Anfänger:innen sollten die Bewegung jedoch erst einmal nur für wenige Meter und Minuten langsam und achtsam ausführen. Anschliessend könne man Distanz und Geschwindigkeit kontinuierlich erhöhen. Klappt das gut, könne man vom Gehen sogar in ein leichtes Joggen übergehen, betont der Experte gegenüber Spot on news.
Auch die Wahl der Schuhe ist wichtig, so Froböse. Du solltest auf gute Laufschuhe mit flexiblen Sohlen setzen.
Um nicht direkt über mögliche Stolperfallen zu laufen, empfiehlt der Sportwissenschaftler eine Sporthalle oder eine Wiese für den Anfang. Daher kann es sinnvoll sein, das Training mit einer Begleitperson zu absolvieren. So könnt ihr euch abwechseln – immer läuft eine Person vorwärts und hält Ausschau nach Hindernissen, während die andere Person rückwärts läuft.
Für wen Rückwärtslaufen ungeeignet ist
Über längere Strecken ist Rückwärtslaufen oder -gehen laut Schneider jedoch nicht sinnvoll: "Rückwärtsgehen eignet sich als Trainingsergänzung, ist aber ungeeignet als häufige Fortbewegungsart." Durch die ungünstige Verdrehung des Nackens kann langes Rückwärtslaufen der Nackenmuskulatur schaden. Zudem erhöhe sich bei längeren Strecken die Unfallgefahr.
Gegenüber der Apotheken-Umschau rät Schneider zusätzlich jenen Menschen vom Rückwärtslaufen ab, die ein instabiles Sprunggelenk haben, mit Gleichgewichtsstörungen kämpfen, bei denen eine Herz-Kreislauf-Erkrankung diagnostiziert wurde oder die Beschwerden an der Halswirbelsäule sowie im Schulter-Nacken-Bereich haben.
Generell empfiehlt der Orthopäde, die Bewegungsabläufe auch im Alltag immer wieder leicht zu variieren. Zudem sollte man darauf achten, sanft aufzutreten und lieber kleinere Schritte zu machen. So können Menschen Rücken- und Gelenkproblemen vorbeugen.
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Überarbeitet von Nora Braatz
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