Scharfes Essen wird regelmässig für seine positiven Wirkungen gepriesen. Feurige Chilis sollen den Kreislauf ankurbeln und Glückshormone ausschütten. Demgegenüber stehen Kritiker:innen, die vor zu viel Schärfe warnen. Was stimmt nun?
Viele Menschen lieben scharfes Essen, andere können es nicht ausstehen. Und auch die Toleranz für Schärfe geht weit auseinander. Während für die einen mittelscharfer Senf schon Tränen in die Augen treibt, sind für die anderen Gerichte normal, in denen mehrere Chilischoten verarbeitet werden.
Ob Ingwer, verschiedene Chili-Sorten oder Wasabi: Immer wieder hört man, dass scharfes Essen gesund sein soll. Doch stimmt das? Wir sehen uns genauer an, was Schärfe eigentlich ausmacht und woher die positiven Wirkungen kommen können – wie auch die Gefahren.
Was macht Essen eigentlich scharf?
Wenn wir eine Speise als scharf wahrnehmen, hat das eigentlich nichts mit Geschmack zu tun. Das Gefühl ist eine Reaktion unserer Wärme- und Schmerzrezeptoren im Mund. Verantwortlich dafür sind unterschiedliche Stoffe:
- Chilis sind durch Capsaicin scharf,
- bei Pfeffer wirkt Piperin als Scharfmacher und
- bei Ingwer heisst der Wirkstoff Gingerol.
Der Schärfegrad von Chilis und Chiliprodukten kann gemessen werden und trägt die Einheit Scoville (SHU). Anhand des Capsaicingehalts wird der Schärfegrad objektiv gemessen: 1 Milligramm Capsaicin pro Kilogramm entspricht beispielsweise 16,1 SHU.
Damit du dir unter der Scoville-Skala etwas vorstellen kannst, findest du hier einige Beispiele:
- Peperoni: 100 – 500 SHU
- Tabasco: 1000 – 2.500 SHU
- Habaneros: 100.000 – 250.000 SHU
- Reines Capsaicin: 16.000.000 SHU
Scharfes Essen ist gesund: Die positive Wirkung von Capsaicin
Es ist erwiesen, dass Capsaicin als Scharfmacher in Chilis einige gesundheitsfördernde Eigenschaften mit sich bringt. Folgende Wirkungen werden dem Stoff in scharfem Essen nachgesagt:
- Capsaicin wirke antibakteriell: Das ist laut Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) nur bedingt wahr – zwar wirke der Stoff keimhemmend, jedoch nicht in den Dosen, die für die Ernährung wirklich praktikabel sind. Normaler Chili-Konsum kann also keine Bakterien abtöten.
Laut BZfE hat scharfes Essen jedoch folgende wünschenswerte Wirkungen:
- Regt Verdauung an: Scharfes Essen regt den Speichelfluss wie auch die Magensaftproduktion an und ist somit förderlich für die Verdauung. Besonders fetthaltige Speisen kann dein Körper in Kombination mit zum Beispiel scharfen Saucen leichter verdauen.
- Endorphine werden ausgeschüttet: Durch die Schmerzreaktion, die durch Schärfe verursacht wird, werden im Gehirn zur Beruhigung Glückshormone ausgeschüttet. Wenn du dich also beim Verzehr von sehr scharfen Speisen glücklich fühlst, ist das eine ganz normale Reaktion deines Körpers.
- Wirkt gefässerweiternd: Capsaicin sorgt generell für eine bessere Durchblutung und bringt den Kreislauf in Schwung. Indem es auch die Schleimhäute im Mund besser durchblutet, werden die Geschmacksrezeptoren sensibilisiert. Schärfe wirkt also als Geschmacksverstärker.
- Sorgt für Schweissausbrüche und Hitzeempfinden: Dieser Effekt von scharfem Essen ist insbesondere in heissen Ländern von Vorteil. Indem er schwitzt, kann der Körper die Temperatur etwas senken.
- Kann bei Erkältungen helfen: Schärfe kann dafür sorgen, dass sich Schleim in den Bronchien besser löst. Sie fördert die Bildung von Nasensekret, was bei Erkältungen von Vorteil ist, so der UGB (Verband für unabhängige Gesundheitsberatung).
Insgesamt gibt es also zahlreiche gute Gründe, warum du scharf essen solltest, wenn du das möchtest.
In Bezug auf die Lebenserwartung gibt es zwar Studien, die Hinweise liefern, dass scharfes Essen das Sterberisiko senkt (zum Beispiel führten M. Chopan und B. Littenberg 2017 die Studie "The Association of Hot Red Chili Pepper Consumption and Mortality" durch) – eindeutige wissenschaftliche Belege konnten die Studien jedoch nicht liefern.
Zu viel scharfes Essen: Wann wird es gefährlich?
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bewertet scharfes bis sehr scharfes Essen, wie es zum Beispiel im asiatischen Raum viel zubereitet wird, als nicht akut gesundheitsschädlich.
Das BfR orientiert sich dabei an einer Obergrenze von 5 Milligramm Capsaicin pro kg Körpergewicht, die in einer Speise noch unproblematisch sind. Bei einem Erwachsenen mit 70 Kilo Körpergewicht entspräche dies 350 Milligramm Capsaicin.
Ab einer gewissen Konzentration an Capsaicin sieht das BfR scharfes Essen jedoch kritisch. Wenn man es isst, kann dies unter Umständen negative Auswirkungen haben. So sollten Personen mit empfindlichem Magen besser auf Schärfe im Essen verzichten, da diese Magen- und Darmschleimhäute reizt. Auch wer unter Sodbrennen leidet, sollte beim Würzen mit Chilis vorsichtig sein.
Wer scharfes Essen nicht gewohnt ist, kann schnell an gesundheitlichen Beschwerden leiden, wie zum Beispiel:
- Übelkeit und Erbrechen
- Schleimhautreizung
- Bluthochdruck
Ab welcher Dosis diese Beschwerden auftreten können, unterscheidet sich individuell. Bekommst du Angst um dein Wohlbefinden, hole dir lieber ärztlichen Rat ein!
Besondere Vorsicht ist bei Kindern geboten! Kleine Kinder reagieren sehr viel sensibler auf Schärfe. Chilisaucen solltest du deshalb immer entsprechend sicher aufbewahren.
International sind einige ernsthafte Vergiftungsfälle bei Kindern durch Chilierzeugnisse bekannt. Das BfR berichtet beispielsweise von einem Fall, in dem ein 10 Monate alter Junge das Bewusstsein verlor und an Atembeschwerden litt, nachdem er unbeabsichtigt Chilisauce zu sich genommen hatte. Menge und Dosierung der Chilisauce sind nicht bekannt. Das BfR bezieht sich dabei auf eine Meldung in einer britischen Zeitung.
Gefährlich: Der "Hot Chip" und andere Schärfe-Challenges
Ungesunde Diäten, Ernährungstrends und sogar Mutproben gibt es zuhauf. Vor einigen Jahren forderten Nutzer:innen auf den sozialen Medien zum Beispiel andere dazu auf, einen Esslöffel Zimtpulver ohne Flüssigkeit zu schlucken. Doch das kann lebensgefährlich sein. Immer wieder müssen "Teilnehmer:innen" deshalb notfallmedizinisch behandelt werden.
Und auch mit scharfem Essen treiben es manche Menschen schon seit langem für Aufmerksamkeit oder Preise auf die Spitze. Schärfe-Challenges, bei denen Teilnehmer:innen sich Stufe für Stufe zu höheren Schärfegraden "hochessen" müssen, gibt es schon sehr lange.
Vermutlich noch gefährlicher sind Trends wie die Hot-Chip-Challenge auf Tiktok: Dabei wird ein absurd scharfer Tortilla-Chip einer bestimmten Marke verzehrt und die Reaktionen aufgenommen und gepostet. Doch Spass macht das Ganze nicht: Dadurch kommt es zu Atemnot und mitunter sogar zu Krankenhausaufenthalten.
Ein Reporter von STRG_F hat die Challenge unter medizinischer Begleitung ausprobiert und die Ergebnisse sprechen für sich:
Scharf essen: Tipps zum richtigen Umgang mit Schärfe
Wer scharfes Essen in Massen geniesst, hat generell nichts zu befürchten und kann von den gesundheitlichen Vorteilen profitieren. Trotzdem kann Schärfe unangenehme – und bei übertriebenem Konsum sogar lebensbedrohliche – Folgen haben. Um diese zu vermeiden, solltest du folgende Tipps beachten:
- Trage am besten Handschuhe, wenn du Chilis schneidest oder anders verarbeitest. Falls du keine zur Hand hast, solltest du deine Hände danach gründlich waschen – denn auch in den Augen und auf anderen Schleimhäuten ist die Schärfe zu spüren!
- Taste dich langsam an scharfes Essen heran und würze nur so viel, dass es für dich noch angenehm ist.
- Capsaicin ist fettlöslich. Wenn du einmal zu scharf gegessen hast, kannst du das Brennen durch Milchprodukte oder stärkehaltige Lebensmittel lindern. Iss zum Beispiel ein Brot mit etwas Butter (oder einem anderen Fett).
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English version available: Is Spicy Food Good For You? Health Benefits and the Right Amount
Überarbeitet von Denise Schmucker © UTOPIA
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