Eine neue Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Ausflüge in der Natur besonders bei Menschen mit niedrigem Einkommen zu mehr Wohlbefinden beitragen. Wohnen im Grünen habe hingegen keinen nachweisbaren Einfluss.
Eine Forschungsgruppe von der Universität Wien hat untersucht, wie stark der Einfluss von Aufenthalten in der Natur auf das subjektive Wohlbefinden ist. Die Studie, veröffentlicht im Fachmagazin Health & Place, konnte zwar keinen Zusammenhang zwischen dem persönlichen Wohlgefühl und der Begrünung der Wohngegend feststellen. Ausflüge in die Natur hätten aber sehr wohl einen Effekt auf das Wohlbefinden. Dieser sei insbesondere bei Menschen mit niedrigem Einkommen feststellbar.
In der Studie wird der Effekt so zusammengefasst: "Das Wohlbefinden war unter den Haushalten mit hohem Einkommen hoch, unabhängig davon, wie oft sie die Natur besuchten. Der Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und Naturbesuchen wurde mit abnehmenden Haushaltseinkommen stärker." Der Einfluss eines niedrigen Einkommens auf das Wohlbefinden lasse sich deshalb zumindest teilweise durch Aufenthalte im Grünen verringern. Laut den Forschenden decken sich die Ergebnisse mit einer ähnlichen Studie aus Wales, die im Juni 2023 in Scientific Reports veröffentlicht wurde.
Wie gross ist der Effekt?
In einer Pressemitteilung der Universität Wien resümiert Doktorandin und Hauptautorin Leonie Fian: "Unsere Daten deuten auf folgendes hin: Geht man das ganze Jahr über mindestens einmal pro Woche in die Natur, ist der positive Nutzen für das Wohlbefinden ähnlich gross, wie wenn man 1000 Euro mehr Einkommen pro Jahr erhält."
So wurde die Studie durchgeführt
Für die Studie wurden 2300 Österreicher:innen repräsentativ nach Alter, Geschlecht und Bundesland ausgewählt. Diese mussten Fragen nach ihrem affektiven und ihrem evaluativen Wohlbefinden beantworten.
Das affektive Wohlbefinden beschreibt die aktuelle Gefühlslage. Die Befragten sollten bewerten, wie gut gelaunt sie in den vergangenen beiden Wochen waren. Beim evaluativen Wohlbefinden geht es um die Zufriedenheit mit der aktuellen Lebenslage nach gründlicher Überlegung. Hier sollten die Teilnehmer:innen ihren Lebensstandard, ihre Gesundheit, ihre Lebenserfolge, ihre persönliche Beziehungen, ihre persönliche Sicherheit, ihre Verbindung mit der Gemeinschaft und ihre zukünftige Sicherheit bewerten.
Per Satellitenbildern wurde ermittelt, wie grün die jeweiligen Wohngegenden der Teilnehmer:innen waren. Ausserdem sollten sie beschreiben, wie oft sie "grüne" oder "blaue Orte" aufsuchen würden, also zum Beispiel Parks, Wälder, Flüsse oder Seen. Ausserdem gaben 86 Prozent der Befragten auch ihr ungefähres jährliches Nettoeinkommen preis. Die höchste Einkommenskategorie lag dabei bei einem Haushalteinkommen von rund 60.000 Euro netto. Ob auch Menschen, die am Existenzminimum leben, an der Studie beteiligt waren, geht nicht hervor.
Um sicher zu gehen, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen den Aufenthalten in der Natur und dem subjektiven Wohlbefinden gibt, mussten einige andere Faktoren ausgeschlossen werden. Die Forschenden weisen zum Beispiel darauf hin, dass westeuropäische Menschen im Ruhestand für gewöhnlich zufriedener sind als während ihres Berufslebens. Gleichzeitig hätten sie aber auch mehr Zeit, um in die Natur zu gehen. Daraus lasse sich aber nicht ableiten, dass die Ausflüge ins Grüne der Grund für ihr Wohlbefinden sind.
Deshalb haben die Forschenden eine Regressions-Analyse durchgeführt, die neben dem Alter und Beschäftigungsstatus auch noch weitere relevante Faktoren berücksichtigten. Dazu zählten das Vorhandensein eines Gartens oder das Bildungsniveau, die das Ergebnis der Untersuchung ebenfalls hätten verzerren können.
Gutverdienende haben leichteren Zugang zur Natur
Die Forschenden merken an, dass Menschen mit hohem Einkommen oft eine grössere Auswahl an Aktivitäten in der Natur hätten, zum Beispiel weil sie ein eigenes Auto besitzen und so auch abgelegenere Orte erreichen können. Gerade Seen und kleinere Gewässer würden in Österreich überwiegend von Gutverdienenden aufgesucht. Dies stellten einige an der Studie beteiligte Forscher:innen bereits in einer anderen Untersuchung fest, die 2023 in Urban Forestry & Urban Greening erschien. Ausserdem könne es sein, dass Menschen mit niedrigem Einkommen mehr arbeiten müssten und deshalb weniger Zeit für Aufenthalte in der Natur hätten.
Die Forschenden empfehlen deshalb, allen gesellschaftlichen Schichten den Zugang zu natürlichen Umgebungen zu ermöglichen. "Dies könnte das Wohlbefinden der Ärmsten in der Bevölkerung signifikant steigern", heisst es in der Studie.
Verwendete Quellen: Health & Place, Scientific Reports, Universität Wien, Urban Forestry & Urban Greening
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