Mithilfe von Sonnenlicht kann unser Körper das extrem wichtige Vitamin D selbst herstellen. Dennoch nehmen gerade im Winter viele Menschen Präparate. Fachleute warnen: Eine Vitamin-D-Überdosierung kann gefährlich werden.
Mit Nahrungsergänzungsmitteln ist das so eine Sache: Millionen Menschen schwören darauf, eine gigantische Industrie verdient gut daran – und das, obwohl die meisten Expert:innen eher davon abraten. Der Tenor der Fachleute: Vitaminpräparate & Co. sollte nur einnehmen, wer einen ärztlich diagnostizierten Mangel oder erhöhten Bedarf hat. Und auch dann muss man auf die richtige Dosierung achten – denn gerade bei Vitamin D kann eine Überdosierung Folgen haben.
Vitamin D: Warum es so wichtig ist
Vitamin D ist für den Aufbau und Erhalt starker Knochen essenziell und auch an anderen Stoffwechselprozessen beteiligt. Den Grossteil des Vitamins stellt ein gesunder Körper mithilfe von Sonnenlicht selbst her, den Rest bekommt er über die Nahrung. Wissenschaftlicher Konsens ist: Ein gesunder Körper kann im Sommer produziertes Vitamin D in Muskel- und Fettgewebe speichern und von diesem Speicher im Winter zehren.
Dennoch kann es zu einer Unterversorgung kommen. Zu den Risikogruppen gehören etwa Menschen, die selten oder gar nicht mit unbedeckter Haut an die Sonne gehen und ältere Menschen – insbesondere Frauen. Auch bestimmte Krankheiten und Medikamente können einen Vitamin-D-Mangel begünstigen. Gerade, wer schon mit einem schlecht gefüllten Speicher in den Winter startet, kann in den dunklen Monaten einen Mangel entwickeln. Ein längerfristiger Vitamin-D-Mangel kann zu ernsten gesundheitlichen Folgen wie etwa Muskelschwäche, Knochenschmerzen und Osteoporose führen.
Wer also Grund zu der Annahme hat, unter einem Vitamin-D-Mangel zu leiden, sollte unbedingt ärztlichen Rat suchen; der Vitamin-D-Spiegel ist mittels Bluttest ermittelbar. Auf ärztliches Anraten kann dann eine Einnahme von Vitamin-D-Präparaten notwendig sein.
Vitamin-D-Präparate: Oft unnötig, oft überdosiert
Vitamin D gehört zu den beliebtesten Nahrungsergänzungsmitteln und Vitamin-D-Bluttests zählen zu den 20 häufigsten IGel-Leistungen, also privat bezahlten Untersuchungen der Hausärzt:innen. Irgendwann hat sich offenbar ein Bewusstsein dafür gebildet, wie wichtig Vitamin D für die Gesundheit ist. Doch es scheint, viele schiessen dabei übers Ziel hinaus.
Medizinische Fachorganisationen und Verbraucherschutzorganisationen raten regelmässig davon ab, eigenmächtig Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen. Testinstitute und Verbraucherschutzorganisationen wie Öko-Test, Stiftung Warentest und die Verbraucherzentralen warnen teils schon seit Jahren vor zu hoch dosierten Vitamin-D-Präparaten. Sowohl Öko-Test als auch Stiftung Warentest fanden 2018 zu hohe Dosen Vitamin D in vielen Nahrungsergänzungsmitteln.
Vitamin-D-Überdosierung: Aktuelle Warnung des Bundesinstituts für Risikobewertung
Erst vor wenigen Wochen hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) eine neue Stellungnahme veröffentlicht: "Hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin D können langfristig die Gesundheit beeinträchtigen" lautet der Titel.
In Übereinstimmung mit weiteren führenden Ernährungs-, Gesundheits- und Verbraucherschutzorganisationen wie etwa der DGE, dem RKI und den Verbraucherzentralen geht das BfR davon aus: "Gesunde Menschen in Deutschland nehmen in der Regel ausreichend Vitamine und Mineralstoffe über eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung zu sich." Sie bräuchten folglich keine Nahrungsergänzungsmittel – auch kein Vitamin D.
Aber es geht nicht nur ums Nicht-Brauchen: Überdosierungen können sehr ungesund werden. Mit Blick auf Vitamin D schreibt das BfR:
Was passiert bei einer Vitamin-D-Überdosierung?
Zunächst: Durch zu viel Sonnenlicht kann es nicht zu einer Vitamin-D-Überdosierung kommen. Dies kann nur durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln oder Arzneimitteln passieren. Zwar ist Vitamin D enorm wichtig für starke Knochen – doch besonders viel Vitamin D führt nicht etwa zu besonders starken Knochen und Muskeln.
Im Gegenteil: Zu hohe Mengen können dazu führen, dass Calcium aus der Knochensubstanz herausgelöst wird. Vor allem aber kann sich das Calcium dann im Körper an Gefässe, Gewebe und Organe anlagern und so deren Funktion beeinträchtigen.
Das BfR stützt sich in seiner Einschätzung auf dokumentierte Fälle von Vitamin-D-"Vergiftungen" bei Kindern und Erwachsenen – eine sogenannte Hypercalcämie. Gemeint sind damit extrem hohe Calciumwerte im Blut.
Symptome einer Vitamin-D-Überdosierung (Hypercalcämie) sind:
- Müdigkeit
- Muskelschwäche
- Appetitlosigkeit
- Übelkeit
- Erbrechen
- Verstopfung
- Herzrhythmusstörungen
- Gewichtsverlust
- Nierensteine (bei andauernder Hypercalcämie)
- Nierenverkalkung (bei andauernder Hypercalcämie)
- Abnahme der Nierenfunktion (bei andauernder Hypercalcämie)
Insbesondere älteren Frauen wird häufig zur Einnahme von Vitamin-D-Pillen geraten, denn Studien haben gezeigt, dass sie ein erhöhtes Risiko für einen Vitamin-D-Mangel haben. Allerdings warnt das BfR unter Berufung auf eine Vielzahl an Studien: Es gibt Hinweise aus klinischen Studien, dass bereits 100 Mikrogramm (4.000 IE) täglich die Knochendichte verringern und das Risiko von Stürzen erhöhen könnte. Dieselbe Dosis kann – über einen längeren Zeitraum eingenommen – herzkranke Menschen noch kranker machen und führte in Beobachtungen zu vermehrten Hypercalcämien.
Wie viel Vitamin D ist sicher?
Über die richtige Tagesdosis Vitamin D, vor allem bei Supplementierung, gibt es in der Fachwelt seit Jahren Debatten. Laut BfR und DGE sollten Tagesdosen 20 Mikrogramm (800 IE) Vitamin D nicht überschreiten – dieser Wert gilt für Menschen, die selbst kein Vitamin D bilden oder speichern können.
"Die Verwendung von hochdosierten Vitamin-D-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln für die Ergänzung der täglichen Ernährung ist ernährungswissenschaftlich nicht begründbar, da auch ohne Sonnenlichtbestrahlung der Haut ein Verzehr von 20 μg (800 IE) Vitamin D am Tag ausreicht," schreibt das BfR. Höhere Dosierungen solle man meiden oder zumindest nur unter ärztlicher Kontrolle einnehmen.
Die Empfehlungen der National Institutes of Health in den USA decken sich in etwa mit jenen des deutschen BfR. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht das Tolerable Upper Intake Level (UL), also die maximale tägliche Aufnahmemenge, welche noch nicht zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt, bei 100 Mikrogramm (4.000 IE). Zu beachten: Das bezieht sich auf die Gesamtmenge, nicht auf die Dosierung von Tabletten – also jene Vitamin-D-Menge, welcher der Körper selbst produziert mit eingerechnet. Einig ist sich die Fachwelt, dass es bei diagnostiziertem Mangel oder erhöhtem Bedarf teils höhere Dosen braucht, um eine optimale Vitamin-D-Versorgung sicherzustellen bzw. wieder herzustellen.
Was heisst das für mich?
- Der beste Weg, für einen gesunden Vitamin-D-Spiegel zu sorgen und eine Überdosierung zu vermeiden ist, dich regelmässig der Sonne auszusetzen – natürlich in Massen, um gleichzeitig deine Haut vor Sonnenbrand zu bewahren.
- Wenn du begründete Zweifel daran hast, dass dein Vitamin-D-Spiegel in Ordnung ist, sprich Arzt oder Ärztin darauf an und lass einen Test machen.
- Wenn es keine Anhaltspunkte für einen Vitamin-D-Mangel oder erhöhten Bedarf gibt, brauchst du wahrscheinlich keine Präparate zu nehmen.
- Wenn du – aufgrund einer entsprechenden Diagnose – Vitamin D einnimmst, achte darauf, maximale Tagesdosen von 20 Mikrogramm zu nehmen, es sei denn, dein:e Arzt oder Ärztin raten zu höheren Dosen, etwa aufgrund eines ausgeprägten Mangels.
- Falls du derzeit höhere Dosen einnimmst, raten wir dazu, dir ärztlichen Rat einzuholen.
- Falls du Vitamin-D-Präparate einnimmst und eines oder mehrere der oben genannten Symptome für eine Vitamin-D-Überdosierung an dir wahrnimmst, suche dir ärztlichen Rat.
- Nur Babys und Kleinkinder bis zum ersten Geburtstag (einige Fachleute raten in den Wintermonaten bis zum zweiten Geburtstag) sollten tägliche Vitamin-D-Dosen von zehn Mikrogramm bekommen.
- Daneben ist laut BfR nur für Pflegeheimbewohner:innen "eine generelle Vitamin D-Einnahme von bis zu 20 Mikrogramm pro Tag zu erwägen".
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