Binz (dpa) - Die zum modernen Feriendomizil umgebaute NS-Hinterlassenschaft in Prora auf der Insel Rügen könnte bald Seebad werden. Die Gemeindevertretung von Binz, zu dem das noch nicht klassifizierte Prora als Ortsteil gehört, berät über die Mitgliedschaft im Heilbäderverband des Landes.

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Ein Argument für das Vorhaben sei der angestrebte Kurort-Titel für Prora, sagte Bürgermeister Karsten Schneider (parteilos) der Deutschen Presse-Agentur. Der Umbau der von Nazis als "KdF-Seebad der 20 000" geplanten Riesenimmobilie war nach Anlaufschwierigkeiten zuletzt kräftig in Schwung gekommen. "Prora entwickelt sich rasant und ist bereits jetzt fast so gross wie Binz", stellte Schneider fest.

Die werbeträchtige und wegen der Kurtaxe auch finanziell lukrative Bezeichnung "Kurort" wird vom Sozialministerium vergeben. Im Landesgesetz über die Anerkennung als Kur- und Erholungsort sind sieben verschiedene Arten verankert: Heilbad, Seeheilbad, Seebad, Kneipp-Heilbad, Kneipp-Kurort, heilklimatischen Kurort und Luftkurort.

Ausschlaggebend für den geplanten Antrag seien neben touristischen Erwägungen vor allem finanzielle Gründe. Für Strandreinigung, Besetzung von Rettungstürmen oder den Bau von Toiletten müsse die Gemeinde in Vorkasse gehen. "Deshalb wollen wir mit der Beantragung des Kurort-Status auch nicht mehr lange warten", sagte Schneider

Die Nationalsozialisten hatten in der einst bewaldeten idyllischen Prorer Wiek direkt am Ostsee-Strand ein riesiges "Kraft durch Freude"-Heim errichtet. Dort sollten die Massen im Erleben eines preiswerten Ostseeurlaubs gleichgeschaltet und auf Systemtreue getrimmt werden. Die Arbeiten an der 4,5 Kilometer langen Anlage wurden mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges eingestellt, der Bau nicht vollendet und auch nicht als Ferienheim genutzt.

Die Nationale Volksarmee zog zwischenzeitlich ein und nach dem Zusammenbruch der DDR wurde der Bund Eigentümer. In den Blöcken I bis IV, die seit 2006 an Privatinvestoren verkauft wurden, entstanden und entstehen mehr als 1000 Eigentums- und Ferienwohnungen. Ein Gebäudeteil wird als Jugendherberge genutzt. Als neuer Eigentümer will der Landkreis auch Block V möglichst bald verkaufen.

Schneider sieht in der Beantragung des Seebad-Titels für Prora keine Parallelen zur NS-Geschichte. Erstmals werde das Areal jetzt einer breiten zivilen Nutzung zugeführt, sagte er. Für das bei Urlaubern begehrte Binz sei die Entwicklung Proras ein Gewinn. "Ich sehe zwischen den Ortsteilen Binz und Prora keine Konkurrenz, sondern eher eine Symbiose", erklärte der Gemeindechef. Während das alte Binz für das Elegante und Mondäne stehe, könne Prora das Junge, Frische und Szenehafte repräsentieren.

Das Ostseebad Binz gilt mit 5900 Einwohnern und über 14 500 Urlauberbetten schon als grösster Urlaubsort auf Rügen. Rund 400 000 Gäste werden dort jährlich gezählt und 2,2 Millionen Übernachtungen.

Museen und Vereine, die sich mit der Geschichte der KdF-Anlage in Prora befassen, beklagen eine zunehmende Dominanz des Tourismus und eine "Enthistorisierung" des Ortes. So könne das Prora-Zentrum seine Ausstellung nicht mehr im Block V zeigen, da der Putz von der Fassade falle, hatte Leiterin Susanna Miskgajski erst kürzlich beklagt.

Investoren sehen in Prora grosses Potenzial für die touristische Entwicklung. "Wir setzen einen Startpunkt für ein neues Seebad in Prora, in dem Menschen künftig wohnen, leben und sich erholen werden", zeigte sich der Projektentwickler der Prora Solitaire GmbH, Ulrich Busch, überzeugt. Er hatte vor zehn Jahren vom Bund die ersten beiden Blöcke inklusive 36 Hektar Land für 455 000 Euro erworben. In Block II entstehen auch Luxusferienwohnungen zu Quadratmeterpreisen von 10 000 Euro, wie ein Unternehmenssprecher sagte.

Mit diesem Frühjahr steigt der Ferienhausanbieter Novasol in die Vermarktung der Ferienwohnungen in Prora ein. 50 Apartments im Block II der ehemaligen NS-Anlage werden angeboten. "Prora auf Rügen ist ein Paradebeispiel für die Renaissance einer Urlaubsdestination", erklärte Novasol-Aufsichtsratsvorsitzender Bernd Muckenschnabel in einer Mitteilung. Es seien imposante Ferienwohnungen entstanden. Käufer hatten bei Quadratmeterpreisen von 3500 bis 6000 Euro die 30 bis 120 Quadratmeter grossen Wohnungen erworben und vermieten sie nun.  © dpa

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