Kampala (dpa) - Zum Traumurlaub in Afrika gehört für Paavo Taimisto und Hanna Meinander aus Helsinki auch ein bisschen Gruseln. In der tansanischen Serengeti bewunderten sie Löwen bei der Jagd und sahen gewaltige Gnu-und Zebraherden an sich vorüberziehen.
Voller Ehrfurcht warfen sie einen Blick auf den spätestens seit Ernest Hemingway berühmten Schnee auf dem Kilimandscharo und liessen dabei ihre Gläser mit Gin-Tonic klirren. "Es war eine Reise ins Paradies", schwärmt das junge Paar.
Kurz vor dem Rückflug nach Europa stehen die Finnen jetzt in einem bunkerartigen Schacht, der in die rote Erde der ugandischen Hauptstadt Kampala führt. Es ist kalt. "Das sind die Folterkammern Idi Amins", erklärt Reiseführer Allan Kakembo mit der Routine eines Mannes, der solche Touren schon seit fünf Jahren macht. "Hier verreckten bis zu 25 000 Menschen: Sie wurden erschossen, mit Knüppeln totgeschlagen, mit Macheten zerhackt."
Idi Amin putschte sich 1971 an die Macht und wurde schnell als "Schlächter von Afrika" oder auch "Hitler Afrikas" bekannt. Hunderttausende sollen seiner Schreckensherrschaft zum Opfer gefallen sein. Erst 1979 fand der Spuk mit dem Einmarsch tansanischer Truppen ein Ende. Kakembos Stimme hallt von den Betonwänden wider. Die Besucher stehen in einer Pfütze. Kakembo zeigt auf den Boden: "Das Wasser wurde unter Strom gesetzt - eine perfekte Methode, die Menschen zu foltern und zu verhindern, dass sie flüchten."
Der Besuch von Stätten der Schrecken der jüngeren Vergangenheit, bisweilen auch "dark tourism" genannt, ist weltweit nur eine Nische des grossen Tourismusgeschäfts - aber eine wachsende. Immer mehr Menschen wollen etwa in den Gedenkstätten Ruandas die Knochenberge des Völkermords von 1994 sehen oder in der Nähe der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh durch die "killing fields" der Roten Khmer spazieren. Andere unternehmen Busreisen nach Tschernobyl, die Hartgesottenen fahren direkt in den Irak oder nach Afghanistan.
Der Brite Geoff Hann bietet solche "Abenteuerreisen" an. Seine Firma "Hinterland Travel" hat sich auf den Irak und Afghanistan spezialisiert und brüstet sich damit, im Jahr 2015 neun Reisen in den Nordirak auf die Beine gestellt zu haben - "trotz der chaotischen Zustände, die gerade in der Region herrschen". Es gehe ihm eigentlich um die Kultur, sagt Hann, der schon seit Anfang der 70er Jahre im Geschäft ist. Dass jetzt immer mehr Wagemutige kommen, die einmal im Leben Pulverdampf riechen möchten, stört ihn aber nicht: "Das Geschäft boomt nach ein paar Jahren Flaute endlich wieder."
Die Terrorherrschaft Idi Amins, die erst gut drei Jahrzehnte vorbei ist, wird in Uganda zumeist unter den Teppich gekehrt. In dem düsteren Schacht in Kampala gibt es denn auch keine einzige Schautafel, die das Unfassbare erklärt. Es wirkt alles so, als seien die Opfer gerade erst fortgeschafft worden. Seit ein paar Jahren ist der Abstecher in diese ehemalige Hölle jedoch ein fester Bestandteil von Tagesausflügen. "Nachdem der Idi-Amin-Film "Der letzte König von Schottland" in die Kinos kam, ging es plötzlich los", erinnert sich Kakembo. "Vor allem Touristen aus Europa und Amerika wollten sehen, wo der Schlächter sein Unwesen trieb."
Kakembo ist eigentlich Maler, er träumt von einer Ausstellung in Deutschland. Doch als das Geschäft mit dem Grauen auch in Afrika Fahrt auf nahm, liess er Pinsel und Palette liegen und schulte um. Und das Geschäft lohnt sich offenbar. "Zur Hauptsaison, im Sommer, stehen hier manchmal 30 bis 40 Touristen im Folterkeller", schwärmt er. Von dem Eintrittsgeld, rund 2,60 Euro pro Person, bekomme er zwar nichts ab - "aber zufriedene Kunden geben grosszügig Trinkgeld."
Allan Kakembo träumt davon, die Touristen irgendwann einem Nachfolger überlassen zu können. Auf Facebook hat er neulich eine Bekanntschaft gemacht, die seine Bilder in Europa ausstellen will - aber er hat ja noch nicht einmal das Geld für ein Ticket zusammen. Geschickt lotst er Taimisto und Meinander nach der Folterführung in seine kleine Galerie. Gross und bunt sind seine Ölgemälde. Sie zeigen afrikanischen Alltag. Die beiden Finnen schauen nur kurz und winken dann ab. Wegen der Kunst sind sie nicht gekommen. © dpa
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