Berlin (dpa/tmn) - Knapp 2,2 Millionen Deutsche haben im Jahr 2017 eine Kreuzfahrt unternommen - für die Schiffsreisenbranche war das erneut ein kräftiges Plus im Vergleich zum Vorjahr.

Mehr zum Thema Reise

Felix Eichhorn, Chef von Deutschlands grösster Kreuzfahrtreederei Aida Cruises und Vorsitzender des Ausschusses Schiff im Deutschen Reiseverband (DRV), erklärt anlässlich der Reisemesse ITB in Berlin (7. bis 11. März), warum das Wachstum auch in den kommenden Jahren anhalten wird - und warum die Kreuzfahrtschiffe immer grösser werden.

Auf der ITB wurden die neuesten Kreuzfahrtzahlen vorgestellt, die erneut ein kräftiges Wachstum zeigen. Wie lange geht das noch so weiter?

Felix Eichhorn: Kreuzfahrten haben nach wie vor ein sehr starkes Wachstumspotenzial. Neue Schiffe, die wir auf den Markt bringen, werden sehr stark angenommen. Das zeigt eindeutig, dass es mehr Nachfrage gibt, als Angebot da ist. Ein weiterer Indikator sind die steigenden Preise. Der Markt hätte im vergangenen Jahr sogar noch stärker wachsen können. Und eine Sache darf man auch nicht übersehen: Mit 2,2 Millionen Kreuzfahrtgästen sind wir angesichts von 70 Millionen Urlaubsreisen in Deutschland nach wie vor ein Nischenprodukt.

Sie sagen, Sie hätten noch stärker wachsen können...

Felix Eichhorn: Ja, wir hätten mehr Angebote machen können, wenn wir mehr Kapazitäten gehabt hätten. In bestimmten Reisezeiträumen und Destinationen haben wir sehr früh sehr hohe Buchungszahlen gehabt. Teilweise waren wir sehr früh ausgebucht.

Wie wird die Entwicklung in den kommenden Jahren weitergehen? Wie schnell wird die Drei-Millionen-Marke geknackt?

Felix Eichhorn: Wir gehen davon aus, dass wir innerhalb von drei bis vier Jahren die Drei-Millionen-Marke erreichen können. Das Wachstum hat sich deutlich beschleunigt in den vergangenen Jahren. 2009 haben wir die eine Million erreicht. 2016 unternahmen erstmals mehr als zwei Millionen Gäste eine Kreuzfahrt. Der Zeitraum, bis wir die drei Millionen erreichen werden, wird deutlich kürzer sein.

Die Aida in Australien
Zum ersten Mal war jetzt ein Aida-Schiff in Australien. Durch die Weltreisen entstehen auch neue Ideen für Destinationen. © dpa / Aida Cruises

Die Reedereien stellen ein neues Schiff nach dem anderen in Dienst, allein in diesem Jahr sind es 16. Wird Ihnen da nicht doch irgendwann Angst und Bang?

Felix Eichhorn: Alle Kreuzfahrtschiffe zusammen haben weniger als zwei Prozent der weltweiten Hotelkapazität. Selbst bei weiterem Wachstum werden wir noch lange nicht von zwei auf zehn Prozent springen. Zudem kommen nicht alle neuen Schiffe nach Deutschland, diese verteilen sich weltweit auf verschiedenste Märkte, zum Beispiel Asien und USA. Auch deshalb sehen wir keine Probleme auf die Kreuzfahrtindustrie zukommen. Es wird natürlich jede Reederei immer die Aufgabe haben, neue Zielgruppen für sich zu erschliessen. Das hat in der Vergangenheit aber auch schon sehr gut geklappt. Ich bin jetzt seit rund 20 Jahren in der Branche, und da gab es immer wieder die Frage, wann das Wachstum aufhört. Wir haben immer zeigen können, dass es weiter nach oben geht.

Auf jedem Schiff braucht es Hunderte Arbeitskräfte - vom Kabinenpersonal bis zum Offizier. Inwiefern stellt das die Reedereien vor Herausforderungen?

Felix Eichhorn: Das ist eine Herausforderung wie in jedem anderen Unternehmen auch. Aber auch da wird viel investiert. Aida Cruises hat zum Beispiel auf den Philippinen und in Indien eigene Schulungszentren für Hotelpersonal aufgebaut. Wir haben insgesamt sehr hohe Loyalitätsraten, viele Mitarbeiter sind seit vielen Jahren dabei. Gerade im Kreuzfahrtbereich sind da beachtliche Karrieren möglich, zum Beispiel haben wir erst vor wenigen Tagen den ersten weiblichen Kapitän ernannt - sie ist Mitte 30.

Wenn man auf die Neubauten der nächsten Monate schaut, kristallisiert sich als ein grosser Trend das Thema Schiffe für Expeditionen heraus. Selbst Aida Cruises schaut da ja seit ein paar Jahren mit den Selection-Angeboten in diesen Bereich. Woher rührt dieses Interesse an dieser Kreuzfahrtform?

Pinguine in der Antarktis
Besuch bei den Pinguinen in der Antarktis: Ein grosser Trend in der Kreuzfahrt sind derzeit Expeditionen. © dpa / Hilke Segbers

Felix Eichhorn: Wir haben einen relativ grossen Anteil an Gästen, die schon verschiedene Kreuzfahrten gemacht haben und die jetzt neue Routen kennenlernen wollen. Der Markt hat jetzt eine Grösse erreicht, wo es attraktiv ist, entsprechende Reisen anzubieten. Auf der anderen Seite erreicht man durch die neuen Angebote auch neue Zielgruppen.

Gibt es noch Traumziele für Aida?

Felix Eichhorn: Auch über die neuen Weltreisen erfahren wir die Welt ein Stück weit neu. Wir waren jetzt zum Beispiel zum ersten Mal in Neuseeland und Australien, die nächste Tour geht dann auch nach Südafrika. Dadurch können dann auch mal Ideen entstehen, ein Schiff für eine komplette Wintersaison irgendwo anders zu stationieren.

Die Masse der Kreuzfahrten wird aber ja sicherlich weiterhin ins Mittelmeer und nach Nordeuropa führen?

Felix Eichhorn: Überproportional viele neue Schiffe wurden zuletzt in Nordeuropa eingesetzt, zum Beispiel in der Ostsee oder in Norwegen. Da gibt es auch weiterhin noch Möglichkeiten zu wachsen, zum Beispiel neben einer Sieben-Tages-Reise auch eine Zehn-Tages-Tour anzubieten. Die Probleme im östlichen Mittelmeer wurden durch Zuwächse im westlichen Mittelmeer mehr als kompensiert. Im Winter ist für die Deutschen nach wie vor die Karibik eine der Hauptdestinationen, daneben sehen wir aber sehr starkes Wachstum auf den Kanaren oder am Persischen Golf.

Sie stellen mit der "Aida Nova" in diesem Jahr das erste Schiff in Dienst, das komplett mit Flüssiggas (LNG) fahren kann. Aber unternimmt die Branche genug in Sachen Umweltschutz?

Felix Eichhorn: Aida Cruises hat vor zehn Jahren angefangen, sich mit LNG zu beschäftigen. Zunächst haben wir die LNG-Barge in Hamburg getestet, dann kamen mit "Aida Prima" und "Aida Perla" die ersten Schiffe, die im Hafen per Lkw mit LNG versorgt werden können - und jetzt "Aida Nova", die komplett mit LNG fahren kann. Für Aida bedeutet das, dass bald die Hälfte unserer Gäste mit Schiffen unterwegs sein wird, die vollständig beziehungsweise im Hafen mit LNG betrieben werden können. Uns freut es, dass innerhalb der Branche, aber auch in anderen Branchen ebenfalls entsprechende Aufträge vergeben wurden. Das hilft uns, die Infrastruktur und Regulatorien weiterzuentwickeln.

Hafen von Palma de Mallorca
Viel Betrieb in den Häfen wie hier in Palma de Mallorca: Kreuzfahrten boomen seit Jahren. Auch bei Urlaubern aus Deutschland ist diese Reiseform beliebt. © dpa / Andrea Warnecke

Ist denn die Versorgung mit LNG mittlerweile flächendeckend sichergestellt?

Felix Eichhorn: Mit "Aida Nova" wird das noch einmal leichter. Derzeit müssen wir ja für "Aida Perla" und "Aida Prima" das LNG per Lkw in jeden Hafen bringen. Hinzu kommen aufwendige Genehmigungsverfahren, die in jedem Hafen anders sind. "Aida Nova" dagegen wird mit einer Tankfüllung in der Regel zwei Wochen fahren können. Da müssen wir künftig dafür sorgen, auf einer Route eben jeweils nur einen Bunkerhafen zu finden. Unser Partner Shell baut gerade Versorgungsschiffe, die das LNG zum Beispiel auf die Kanaren bringen sollen, wo es derzeit noch keine Bunkermöglichkeiten dafür gibt.

Die "Aida Nova" wird im Spätherbst ja eines der grössten Kreuzfahrtschiffe der Welt. Ist jetzt irgendwann mal ein Schlusspunkt erreicht, oder geht es noch grösser?

Felix Eichhorn: Diese Frage haben wir schon 1996 gestellt bekommen, als wir "Aida Cara" mit ihren 600 Kabinen in Dienst gestellt haben. Das ist heute unser kleinstes Schiff. Bei "Aida Prima" hatten wir wieder eine ähnliche Diskussion. Es gibt aber einfach eine Nachfrage nach verschiedenen Schiffen und nach verschiedenen Grössen von Schiffen. Deshalb behalten wir eben auch diese Vielfalt bei. Wie es weitergeht, ist ein Stück wie in die Glaskugel sehen. Wir bauen letztendlich die Schiffe, von denen wir glauben, dass es eine Nachfrage dafür gibt.  © dpa

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.