Auch Tage nach dem heftigen Sturm über Norddeutschland ist der Bahnverkehr in vielen Regionen völlig aus dem Takt. Die Kritik an der Informationspolitik der Bahn wächst.
Auch Tage nach dem heftigen Sturm über Norddeutschland leiden Bahnreisende unter den Schäden, die "Xavier" angerichtet hat. Die Bahn hoffte, dass die Aufräumarbeiten grösstenteils Anfang der neuen Woche abgeschlossen sind, wie eine Sprecherin zur Deutschen Presse-Agentur sagte.
"Wir arbeiten mit Hochdruck, aber es gibt Unwägbarkeiten. Darum ist eine genaue Prognose leider derzeit noch nicht möglich."
Seit Samstag rollen wieder Züge auf der wichtigen Ost-West-Verbindung zwischen Berlin und Hannover. Andere wichtige Strecken wie die von Berlin nach Hamburg waren weiterhin gesperrt.
In einer Bilanz listete die Bahn das Ausmass der Schäden auf: Mehr als 1000 Streckenkilometer seien betroffen gewesen, an mehr als 500 Stellen habe es Beschädigungen gegeben, die von Bäumen auf den Gleisen oder den Oberleitungen bis zu umgeknickten Signal- und Oberleitungsmasten reichten.
"Teilweise wurden die Fundamente der Oberleitungen aus dem Boden gerissen und mussten komplett neu gebaut werden. Zudem gab es weitere Bäume an den Strecken, die umzufallen drohten und gefällt werden mussten."
Überblick über Schäden schwierig
Damit warb die Bahn auch um Verständnis dafür, dass erst allmählich ein vollständiger Überblick über die Sturmfolgen entsteht: Die Strecken hätten teils mit Helikoptern inspiziert werden müssen.
"Manchmal wurde auch erst vor Ort festgestellt, wie gross der Schaden tatsächlich ist. Dann mussten Prognosen wieder angepasst werden und es kam zu weiteren Verzögerungen - beispielsweise auf der Strecke Berlin-Hannover."
Angesichts dürftiger Informationen über Zugausfälle und -umleitungen muss die Bahn derweil heftige Kritik einstecken. "Wir leben in einem Zeitalter von Apps und digitaler Information und doch ist das Unternehmen Deutsche Bahn nicht in der Lage, seine Kunden ausreichend zu informieren", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Klaus-Dieter Hommel am Samstag in Frankfurt am Main.
Ähnlich äusserte sich der Fahrgastverband Pro Bahn. "Es hat einfach an Informationen gefehlt", sagte der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann der "Passauer Neuen Presse".
Der Sturm hatte am Donnerstag den Zugverkehr in der Nordhälfte Deutschlands lahmgelegt. Viele Reisende strandeten an Bahnhöfen.
Weil die Aufräumarbeiten noch immer nicht abgeschlossen sind, soll die Strecke Hamburg-Berlin erst am Montag wieder befahrbar sein, hiess es. Den Reisenden werde eine Umleitung über Uelzen und Stendal angeboten. Die Verbindung Bremen-Hannover sollte ab Sonntag wieder aufgenommen werden.
Unmut über mangelnde Information
Von Pro Bahn hiess es: "Wir haben alle Verständnis, dass kein Zugverkehr stattfinden kann, wenn Bäume auf die Schienen fallen oder Oberleitungen beschädigt werden."
Es sei auch richtig, dass Züge nicht rollen, solange nicht klar ist, wo Bäume liegen. "Aber man muss dann auch sauber informieren. Das ist der Bahn nicht gelungen", sagte Naumann in der "Passauer Neuen Presse".
Die Bahn-Sprecherin sagte dazu: "Wir haben feste Prozesse und Konzepte, wie mit einer solchen Sondersituation umgegangen werden kann."
Für die Mitarbeiter in den Bahnhöfen sei es eine schwierige Situation, wenn ihnen zum Beispiel an der Reiseinformation Hunderte Menschen gegenüberstünden. Man danke den Mitarbeitern für ihren grossen Einsatz. "Aber es ist und bleibt eine schwierige Situation."
Reisende hätten die Möglichkeit, bis zum 15. Oktober auch zuggebundene Tickets einzusetzen. Tickets würden ausserdem kostenfrei erstattet.
Die Sprecherin bat Reisende, sich unter bahn.de oder über die DB-Navigator-App zu informieren. Züge und Personal seien nach wie vor nicht an den Stellen, an denen sie planmässig eingesetzt werden könnten.
"In den Informationssystemen werden die Fahrpläne fortlaufend aktualisiert", teilte die Bahn mit. "Dennoch kann es noch kurzfristig zu Einschränkungen oder Änderungen kommen, so dass Kunden teilweise erst verzögert Informationen erhalten."
Hommel sagte, es sei für die Mitarbeiter beschämend, wenn sie den an den Bahnhöfen Gestrandeten oft nur unzureichend weiterhelfen könnten.
"Wieder einmal fehlte es an den nötigen Informationen, wieder einmal war das Unternehmen Deutsche Bahn nicht in der Lage, mit seinen Kunden zu kommunizieren." Hommel forderte Änderungen. © dpa
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