Gemeinsam mit einem geliebten Menschen ins Auto steigen, dem Alltagstrott entkommen und auf einem Roadtrip den Duft von Abenteuer geniessen: Das ist für viele Paare eine tolle Vorstellung. In der Realität kommt es bei längeren Autofahrten aber oft zu Streit. Reiseexperten haben untersucht, was die Gründe dafür sind und wie Sie den Krach vermeiden können.
Für viele Urlauber bleibt das Auto das liebste Transportmittel. Idealerweise wird damit schon der Weg zum Reiseziel Teil des Urlaubs: Man kann spontan die Route anpassen, Zwischenstopps an interessanten Orten einlegen und das Autofahren an sich geniessen.
In der Realität wird die gemeinsame Zeit im Auto für viele Paare jedoch auch mal zur Belastungsprobe. Das zeigt eine Umfrage des Mietwagenportals Happycar. Die Reisespezialisten legten die Ergebnisse ihrer Befragung drei Beziehungsexperten vor und holten Rat ein, wie Paare Streitigkeiten während der Fahrt beilegen oder vermeiden können.
Das Auto ist prädestiniert für Beziehungskrach
Im Urlaub verbringen Paare oft mehr Zeit miteinander als sonst, was ungelöste Konflikte an die Oberfläche bringen kann: "Der beengte Raum eines Autos begünstigt es, dass einer oder beide Partner beginnen, sich über Dinge zu streiten, die längst gelöst schienen", erklärt die amerikanische Psychiaterin und Beziehungsexpertin Carole Lieberman.
Tatsächlich gaben 79,5 Prozent der befragten Paare an, sich schon einmal auf einer Autoreise gestritten zu haben. Dabei zeigten sich je nach Nationalität unterschiedliche Temperamente: Überdurchschnittlich oft streiten sich Spanier (83,0 Prozent), dicht gefolgt von Franzosen (82,4 Prozent). Italiener und Deutsche sind dagegen etwas entspannter unterwegs: 77,6 beziehungsweise 76,5 Prozent der Befragten berichteten von Streitigkeiten während der Fahrt.
Falsch abgebogen: Beziehung auf dem Prüfstand
Am häufigsten führen fehlerhafte Richtungsangaben (28,1 Prozent), Fahrstil (28.0 Prozent) oder zu schnelles Fahren (20,9 Prozent), die Verkehrslage (16,2 Prozent) und Musik (12,1 Prozent) zum Streit. Laut Lieberman kann bei vielen dieser Auseinandersetzungen jedoch eine andere Ursache unter der Oberfläche schlummern.
Vier der Streitgründe hätten mit Kontrolle zu tun: "Diese Paare führen Machtkämpfe darüber, wer die Kontrolle hat, wohin die Reise geht und wie sie an ihr Ziel gelangen. Anders gesagt, streiten sie darüber, wer der Boss in der Beziehung ist, wer die wichtigen Entscheidungen für ihr gemeinsames Leben trifft."
In solchen Fällen rät die Psychologin Paaren, sich die tieferliegenden Gründe bewusst zu machen und sich darauf zu einigen, wichtige Entscheidungen gemeinsam so zu treffen, dass beide damit zufrieden sind.
35,5 Prozent der Männer als Beifahrer ungeeignet
Spielt es eine Rolle, ob er oder sie am Steuer sitzt? Tatsächlich hat das Geschlecht des Fahrers einen Einfluss darauf, worüber sich Paare streiten. Fährt eine Frau, geht es in 35,5 Prozent der Fälle um Richtungsangaben – eine typische Aufgabe des Beifahrers. Fährt ein Mann, gibt es nur in 27,5 Prozent der Fälle Streit darüber. Zu schnelles Fahren wird hingegen vor allem dann ein Problem, wenn der Fahrer ein Mann ist (22,9 Prozent gegenüber 12,9 Prozent bei einer Fahrerin).
Es kommt seltener zu Konflikten, wenn ein Mann am Steuer sitzt. Den geringsten Anteil von Streitereien gibt es jedoch unter den Paaren, die sich beim Fahren abwechseln (76,3 Prozent).
Die Vorbereitung macht den Unterschied
Paare, die planungsintensive, lange Strecken gemeinsam zurücklegen, streiten sich deutlich seltener als jene, die nur einen Kurztrip unternehmen. "Man kann Streit vermeiden, indem man sich gemeinsam eine Route überlegt und sich vorab auf einen Fahrstil und eine Reisegeschwindigkeit einigt, bevor man überhaupt in den Wagen steigt", so Lieberman.
Madeleine Mason, eine britische Psychologin und Paartherapeutin, und Cathryn Mora, Lifestyle-Coach aus Australien, haben folgende Tipps für Paare, die eine gemeinsame Autoreise planen:
- Das Auto sollte sauber und aufgeräumt sein. Unsere Umgebung beeinflusst unsere Stimmung. Ein Partner, der Ordnung liebt, wird in einem unordentlichen Umfeld leichter reizbar sein.
- Packen Sie ausreichend Snacks und Getränke ein und fahren Sie nicht mit leerem Magen los. Tücher und ein Beutel für Müll sollten ebenfalls greifbar sein.
- Planen Sie regelmässige Pausen ein. Vertreten Sie sich die Beine und nehmen Sie sich einen Moment Zeit, die Landschaft zu geniessen. Lassen Sie auch Ihren Partner nicht zu kurz kommen: Küssen erlaubt!
- Wechseln Sie sich bei der Musikauswahl ab. Einigen Sie sich am besten schon vorab, welche Art von Musik Sie unterwegs hören wollen.
- Sich unterwegs auch mal zu streiten ist okay. Man sollte sich von einem einzigen Streit nicht den gesamten Urlaub verderben lassen. Machen Sie sich bewusst, dass Sie Zeit mit Menschen verbringen, die Sie lieben – und das ist etwas Schönes.
Wenn es doch einmal zum Streit kommt, empfiehlt Cathryn Mora: "Suchen Sie sich einen Ort zum Anhalten und schnappen Sie nach Möglichkeit etwas frische Luft. Ein wütender Fahrer ist ein gefährlicher Fahrer. Überlegen Sie sich: Wie wichtig ist der Streitpunkt?" Sofern das Thema Sie nicht davon ablenkt, genug Aufmerksamkeit aufs sichere Fahren zu richten, sollten Sie dem Coach zufolge die Angelegenheit als eine Möglichkeit sehen, sich in Geduld zu üben. (ada)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.