Die Urlaubszeit ist fast vorbei, aber bei manchen Autofahrern wird in den kommenden Wochen und Monaten wohl noch ein unangenehmes Souvenir ins Haus flattern: ein Bussgeldbescheid. Denn wer im europäischen Ausland zu schnell gefahren ist oder falsch geparkt hat, kann nicht damit rechnen, dass er damit einfach davonkommt.
Bussgelder werden seit einigen Jahren EU-weit recht konsequent eingetrieben - mitunter auch von privaten Inkassofirmen. Wann man unbedingt zahlen sollte und wann nicht, klären wir mit dem ADAC-Rechtsexperten Michael Nissen.
Wie verhalte ich mich, wenn ich einen Bussgeldbescheid aus dem europäischen Ausland erhalte?
Ihn einfach zu ignorieren, ist meistens eine schlechte Idee. Denn innerhalb der Europäischen Union (EU) gibt es ein Abkommen, das die grenzüberschreitende Vollstreckung von Bussgeldbescheiden ermöglicht.
Die Vorschriften hierzu sind im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) enthalten.
Andererseits wäre es in einigen Fällen auch falsch, das Geld sofort zu überweisen - insbesondere, wenn es sich um ungewöhnlich hohe Beträge handelt. Das ist recht häufig der Fall, wenn der Bescheid von einem privaten Inkassounternehmen verschickt wurde.
Wie reagiere ich, wenn mich ein privates Inkassounternehmen anschreibt?
Das kommt vor allem darauf an, um welches Delikt es geht. "Es gibt grundsätzlich zwei Kategorien bei Verkehrsverstössen im Ausland: öffentlich-rechtliche Bussgeldforderungen und zivilrechtliche Forderungen", so der ADAC-Rechtsexperte Michael Nissen im Gespräch mit unserer Redaktion.
Ein Beispiel für ein öffentlich-rechtliches Vergehen wäre zu schnelles Fahren oder Fahren in einem verkehrsberuhigten Innenstadtbereich, ein Beispiel für eine zivilrechtliche Forderung wäre eine nicht bezahlte Maut- oder Parkgebühr.
Bei öffentlich-rechtlichen Vergehen ist es rechtlich nicht zulässig, ein privates Inkassounternehmen oder einen Anwalt zu beauftragen, die Schulden einzutreiben. Denn für die Vollstreckung ist hier ausschliesslich das Bundesamt für Justiz (BfJ) in Bonn zuständig.
Das heisst, in diesem Fall könnte der Adressat das Schreiben vom Inkassounternehmen oder dem Anwalt sogar ignorieren.
Wann muss ich dem Druck des Inkassounternehmens nachgeben?
Bei zivilrechtlichen Forderungen wie dem Falschparken gibt es nach EU-Recht durchaus die Möglichkeit, dass der Gläubiger, also zum Beispiel die Kommune, das Geld durch private Inkassounternehmen oder Anwälte eintreiben lässt.
Oft hört man dabei von Summen von mehreren hundert Euro, die auf das Bussgeld aufgeschlagen und Bearbeitungsgebühr oder Ähnliches genannt werden.
Wer einen solchen Bescheid erhalte, sagt Michael Nissen, solle auf jeden Fall erst mal einen Anwalt für Verkehrsrecht um Rat fragen.
"Schliesslich kann es sich auch um einen Fehler handeln oder die aufgeschlagenen Gebühren eben unverhältnismässig hoch sein." Auf keinen Fall solle man eine solche Forderung ignorieren, denn es könne durchaus sein, dass sie auch vor einem Gericht Bestand habe.
Warum werden Inkassofirmen beauftragt, wenn das in einigen Fällen gar nicht zulässig ist?
Weil man es ja mal probieren kann. Viele Menschen wissen nicht, dass sie manchen dieser Forderungen nicht nachkommen müssen.
Aber warum gehen die Behörden dann nicht von vornherein den offiziellen Weg über das Bundesamt für Justiz? Die Antwort ist einfach: Weil das Geld dann im Vollstreckungsland bleibt, also in Deutschland.
Wie sieht es denn bei Vergehen in der Schweiz aus?
Bussgelder aus der Schweiz können – ebenso wie Bussgelder aus anderen Nicht-EU-Ländern wie Norwegen oder Liechtenstein – nicht in Deutschland vollstreckt werden.
Gibt es einen Mindestbetrag, damit man einen Bussgeldbescheid nach Hause geschickt bekommt?
Ja, er liegt bei 70 Euro und umfasst Bussgeld und etwaige Verfahrenskosten. Die Verfahrenskosten entfallen (oder sind zumindest wesentlich geringer), wenn man das Geld vor Ort bezahlt.
"Wenn man die Möglichkeit hat, das zu tun, sollte man das auch machen", sagt ADAC-Rechtsexperte Nissen. "Alles, was im Nachgang kommt, wird auf jeden Fall teurer."
Kann man für Auslandsknöllchen Punkte in Flensburg bekommen?
Nein. Auch ein Führerscheinentzug in Deutschland ist nicht möglich, wenn das Vergehen im Ausland stattgefunden hat.
An wen kann ich mich bei Problemen wenden?
An einen Anwalt für Verkehrsrecht. Wer eine Verkehrsrechtsschutzversicherung hat, kann sich von ihr beraten und sich einen Anwalt empfehlen lassen. Diese Versicherung übernimmt auch oft die Kosten, wenn es zum Beispiel zu einem Prozess kommen sollte.
Der ADAC hat für Mitglieder eine kostenlose Rechtsberatung und Kontakt zu 140 Anwälten im Ausland.
Verwendete Quellen:
- Interview mit Michael Nissen, ADAC-Rechtsexperte
- ADAC-Website "FAQs zu Vollstreckungsfragen"
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