Vor vier Jahrzehnten ereignet sich das wohl schlimmste Unglück der Zivilluftfahrt: Zwei voll besetzte Jumbos krachen im Nebel auf der Piste ineinander. Die Luftfahrt hat Lehren daraus gezogen - und schwere Unglücke werden immer seltener.
Eines der schlimmsten Unglücke der zivilen Luftfahrt jährt sich zum 40. Mal. In einem Feuerball starben am 27. März 1977 auf Teneriffa 583 Menschen, als ein niederländischer und ein amerikanischer Jumbo-Jet auf der Startbahn kollidierten. Ursache war eine tödliche Mischung aus Missverständnissen, dichtem Nebel und einer hohen Verkehrsdichte nach einer Bombendrohung in Gran Canaria.
"Die Katastrophe von Teneriffa ist ein Paradebeispiel für die Verkettung unglücklicher Faktoren, von denen einer allein nie ein solches Unglück zur Folge gehabt hätte", sagt der Flugunfallforscher Jan-Arwed Richter.
Er ist überzeugt: "Grundsätzlich ist es auch heute nicht ausgeschlossen, dass mehrere Risikofaktoren gleichzeitig auftreten wie etwa schlechtes Wetter, technische Störung und ein Fehler der Piloten; doch ist heute die Wahrscheinlichkeit, dass daraus ein Unglück entsteht, wesentlich geringer als vor 40 Jahren."
Die Welt der Luftfahrt hat Konsequenzen gezogen aus dem Unglück - wie immer nach Flugzeugunglücken. Experten aus Spanien, den USA und den Niederlanden untersuchten die tragische Verkettung von Umständen. Die empfohlenen Änderungen prägen die Fliegerei heute.
Bombendrohung sorgt für Chaos
Was war damals passiert? Die Bombendrohung hatte zur Umleitung der Verkehrsströme geführt und Teneriffas kleinem Flughafen Los Rodeos einen ungewöhnlich hohen Flugverkehr beschert. Trotz dichten Nebels wollten alle möglichst schnell an ihr Ziel kommen.
Die Anweisungen für die Abflugroute nach dem Start - dem "take-off" - interpretierte der niederländische Jumbo-Pilot trotz Einwänden des Bordingenieurs als Abfluggenehmigung. "We're now at take-off" (Deutsch: Wir sind nun am Start), quäkte es aus dem Äther. Er beschleunigte und krachte auf die andere Boeing 747, deren Crew im Nebel eine Abfahrt verpasst hatte und noch auf der Startbahn war.
Eine Überlagerung im Funk sowie ein fehlendes Bodenradar taten ein Übriges: Trotz eines versuchten Ausweichmanövers in letzter Sekunde kam es zum Desaster. Nur 61 Menschen überlebten.
Die Untersuchungskommission formulierte diverse Änderungen als Konsequenz. Missverständliche Formulierungen im Funkverkehr wurden gestrichen. Unfallforscher Richter sagt: "Heute gibt es weltweite, feste Sprachregeln, welche Worte gebraucht werden dürfen, um einem Flugzeug die Startgenehmigung zu erteilen, nämlich "Cleared for Take-off" - solange ein Pilot diese Worte nicht genau so hört, darf er nicht abheben."
Auch auf die Hierarchie im Cockpit hatte das Unglück Auswirkungen: Auf der Prioritätenliste der Pilotenausbildung rückte die Teamfähigkeit der Crews nach oben. Andere Änderungen betrafen die Abläufe vor dem Start. "Das ist ein normaler Vorgang", bestätigt Germout Freitag von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) in Braunschweig.
Die bald 20 Jahre alte Behörde war zwar nicht mit dem Unglück befasst, reagiert aber bei Luftfahrt-Unglücken ähnlich wie die betroffenen Stellen. "Man lernt in der Luftfahrt ja aus jedem Unfall, aus jeder Störungsmeldung, wie man es besser machen kann", sagt auch Cornelia Cramer vom Luftfahrt-Bundesamt (LBA).
Zivile Luftfahrt immer sicherer
Freitag von der BFU verweist etwa auf das Unglück von Überlingen am Bodensee, wo am 1. Juli 2002 eine Boeing 757 und eine Tupolew Tu154 kollidierten - mit 71 Toten gilt diese Tragödie noch heute als eines der folgenschwersten Flugunglücke im deutschen Luftraum.
Auch dort stand eine Verquickung unglücklicher Umstände am Anfang des Desasters; und auch hier gab es Sicherheitsempfehlungen, die dann international in der Fliegerei umgesetzt wurden.
Das Ergebnis: Die zivile Luftfahrt gilt als immer sicherer. Im Vorjahr trübten zwar erneut spektakuläre Unfälle die weltweite Sicherheitsbilanz, doch das Jahr gilt unter Experten als eins der sichersten der Branchengeschichte. Denn die Zahl der tödlichen Unfälle nimmt nach Erkenntnissen internationaler Flugunfallbüros kontinuierlich ab.
In Europa oder den USA gilt die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls beim Fahrradfahren mittlerweile bei weitem als höher als beim Fliegen. "Die Wahrscheinlichkeit eines ähnlichen Unglücks wie auf Teneriffa sollte heute daher eigentlich undenkbar sein", meint der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg.
Er weist darauf hin, dass die aus solchen Unglücken gezogenen Konsequenzen in die Arbeit der Piloten, in ihre Ausbildung, aber auch in die Programmierung der Computer einfliessen. "Aber ganz ausschliessen kann man Fehler natürlich leider nie." © dpa
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