Pünktlich zu Beginn der Herbstferien in einigen deutschen Bundesländern wird bei Ryanair erneut gestreikt. Doch nicht nur Kunden des Billigfliegers steht ein turbulenter Freitag bevor: Aus Sicht von Gewerkschaften droht ein europaweites Chaos. Wie schlimm kann es werden? Und was bedeutet das für Reisende?

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Nach dem Streik ist vor dem Streik: Seit Monaten legen sowohl Flugbegleiter als auch Piloten der irischen Fluglinie Ryanair immer wieder ihre Arbeit nieder. Dabei fordern beide Berufsgruppen höhere Gehälter und neu strukturierte Arbeitsverhältnisse.

Nun scheiterten die Gespräche erneut: Ryanair und die Gewerkschaft Verdi hatten am Dienstag über einen Tarifvertrag für Einkommen und Arbeitsbedingungen verhandelt, den es bislang nicht gibt. Das jüngste Angebot, das binnen vier Jahren drei Erhöhungen des Monatslohns um je 40 bis 60 Euro vorsieht, wollte Verdi nicht annehmen. Ihr Ziel sei dasselbe Gehaltsniveau wie bei vergleichbaren Billigfluggesellschaften.

Um unter anderem dieses Ziel zu erreichen, rief Verdi die rund 1.000 Flugbegleiter zu einem bundesweiten Ausstand aus. Sie schliessen sich den Flugbegleitern des irischen Konzerns in Spanien, Portugal, Italien, den Niederlanden und Belgien an, die bereits einen Streik für den morgigen Freitag angekündigt hatten.

Auch die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) hatte sich angeschlossen und die in Deutschland beschäftigten Piloten des Billigfliegers zur Arbeitsniederlegung aufgerufen. Des Weiteren sind Kundgebungen sowohl am Flughafen Frankfurt, der grössten Ryanair-Basis in Deutschland, als auch in Berlin-Schönefeld geplant.

Steht ein Reisechaos in Europa bevor?

Ryanair hatte für Freitag europaweit 150 Flüge abgesagt. Wegen der zusätzlichen Teilnahme der Vereinigung Cockpit sollen weitere 35 bis 45 Flüge von und nach Deutschland ausfallen. Darunter sind nach Informationen aus Luftfahrtkreisen auch einige Flüge in Berlin-Schönefeld. Der weitaus grössere Teil der über 2.400 geplanten Europaflüge solle allerdings stattfinden, so die Airline.

Aus Sicht der Gewerkschaften sind dies jedoch nicht ausreichend abgesagte Flüge. Ryanair riskiere damit ein europaweites Chaos. "Indem es angesichts des morgigen Streiks nicht genügend Flüge annulliert, verhält sich Ryanair unverantwortlich und riskiert Spannungen und Unsicherheiten für Flughafenmitarbeiter, eigene Beschäftigte und Passagiere", erklärte die belgische Gewerkschaft CNE am Donnerstag.

Am Flughafen Charleroi nahe der belgischen Hauptstadt Brüssel etwa drohe angesichts von bis zu 20.000 erwarteten Passagieren Unruhe. Auch die VC bezweifelte, dass es nur zu geringen Auswirkungen auf den Flugverkehr kommen werde.

Ryanair widersprach: Die bisherigen Erfahrungen in diesem Sommer hätten gezeigt, dass die grosse Mehrheit des Personals auch bei Arbeitskämpfen zum Dienst erscheine. Auch am Freitag werde die überwiegende Mehrheit der mehr als 400.000 Passagiere befördert werden, meinte Marketingchef Kenny Jacobs im Vorfeld.

Was bedeutet der morgige Streik für Passagiere?

VC teilte mit, der Streik solle von Freitag 3:01 Uhr bis Samstag 2:59 Uhr dauern. Die in dieser Zeit betroffenen Passagiere würden nun informiert. Ryanair veröffentlicht jedoch wie üblich keine Listen der stornierten oder umgelegten Flüge, daher ist unklar, welche Verbindungen nach oder ab deutschen Flughäfen betroffen sind.

Laut der Fluggastrechte-Verordnung der EU haben Passagiere bei Ausfall jedoch Anspruch auf eine Umbuchung. Sollte das Ziel per Bus oder Bahn erreichbar sein, ist es möglich, dass Passagiere auf diese umgebucht werden.

Wofür muss die Airline sonst noch aufkommen?

Reisende haben Anspruch auf Verpflegung, sollten sie am Flughafen erfahren, dass ihr Flug aufgrund eines Streiks gestrichen wurde. Meist gibt es Getränke, Snacks oder Gutscheine. Wenn nichts angeboten wird, können Passagiere sich selbst Essen und Getränke kaufen und sich die Verpflegung später von der Fluggesellschaft erstatten lassen. Aber Vorsicht: Menge und Art muss in einem angemessenen Verhältnis zur Wartezeit stehen.

Sind Urlauber aufgrund des Streiks gestrandet, muss die Airline sie betreuen. Das bedeutet: Sie muss für Übernachtung und Transfer ins Hotel zahlen. Allerdings ist es ratsam, die Details mit der Fluggesellschaft abzusprechen. Möglicherweise hat diese bereits eine Übernachtung organisiert. Auf eigene Faust sollte erst gebucht werden, wenn eine schriftliche Zusage der Airline vorliegt.

Pauschalreisende sollten sich dagegen direkt mit ihrem Reiseveranstalter in Verbindung setzen. Im Falle eines stornierten oder umgelegten Fluges ist dieser der direkte Ansprechpartner.

Gibt es eine Entschädigung?

Auf Entschädigungen haben Ryanair-Passagiere morgen wenig Hoffnung. Normalerweise müssen Fluggesellschaften nach der europäischen Fluggastrechte-Verordnung bei grosser Verspätung oder Annullierung des Fluges grundsätzlich Entschädigungen bis zu 600 Euro zahlen.

Allerdings gilt ein Streik meist als aussergewöhnlicher Umstand. Das bedeutet, dass die Airline für den Ausfall nichts kann - und deshalb auch nichts zahlen muss. (kad)

Verwendete Quellen:

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