Zwei Riesenröhren machen den Bahnverkehr durch die Alpen so schnell wie nie zuvor. Der Gotthard-Basistunnel wird als Meisterleistung der Schweiz gefeiert - Merkel, Renzi und Hollande werden heute an der Eröffnung teilnehmen.

Mehr zum Thema Reise

Grosser Bahnhof für ein grossartiges Bauwerk: Zur Eröffnung des mit 57 Kilometern längsten Eisenbahntunnels der Welt reisen an diesem Mittwoch hochrangige Gäste in die Schweiz - unter ihnen neben den Staats- und Regierungschefs von Frankreich und Italien auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und der deutsche Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt.

Der in 17-jähriger Bauzeit für umgerechnet rund 11 Milliarden Euro (12,2 Milliarden Franken) fertiggestellte Gotthard-Basistunnel ist das Herzstück der "Neuen Eisenbahn-Alpentransversale" (NEAT). Er wurde weitgehend im Rahmen der finanziellen und zeitlichen Vorgaben gebaut.

Betrieb wird im Dezember aufgenommen

Mit dem europäischen Grossprojekt sollen weite Teile des Güterverkehrs zwischen dem Nordseehafen Rotterdam und Genua am Mittelmeer von der Strasse auf die Schiene verlegt werden. Der fahrplanmässige Betrieb durch den Gotthard-Basistunnel soll nach etlichen weiteren Testfahrten am 11. Dezember aufgenommen werden.

Dobrindt würdigte das Grossprojekt im Vorfeld der Eröffnungsfeier als "historisches Schlüssel- und Vorzeigeprojekt für grenzüberschreitende Mobilität". Der neue Gotthard-Eisenbahntunnel verbinde Industrie- und Ballungszentren auf beiden Seiten der Alpen und helfe damit, "die Wirtschaft und die Menschen in Europa noch enger zusammenzuführen".

Was die Schweizer mit Stolz erfüllt, nehmen Kritiker der deutschen Verkehrspolitik zum Anlass, der Bundesregierung Vorwürfe zu machen: Statt entschlossen auf die Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene hinzuwirken, habe Berlin wichtige internationale Zusagen für das NEAT-Projekt nicht erfüllt, rügt der ökologisch engagierte Verkehrsclub Deutschland (VCD).

Zum Leidwesen der Schweiz sei bislang erst eine von drei 1996 versprochenen Zulaufstrecken für die Alpenquerung in Angriff genommen worden - nämlich der Neu- und Ausbau der 182 Kilometer langen Bahnstrecke zwischen Karlsruhe und dem Schweizer Schienennetz ab Basel. Fertig kann dieses Projekt zur Modernisierung der Rheintalbahn frühestens vor 2035 werden.

Gotthard wird als Meisterleistung gewürdigt

Derweil wird der neue Gotthard-Eisenbahntunnel weltweit als herausragende technische und organisatorische Meisterleistung gewürdigt. Seine Gleise verlaufen bei nur geringen Steigungen sowie ohne enge Kurven auf einer Höhe von maximal 550 Metern über dem Meeresspiegel. Experten sprechen von einer "Flachbahn". Darüber türmt sich bis zum Gipfel des Gotthards bis zu 2300 Meter Fels.

Dank der nur geringen Höhe und des ebenen Streckenverlaufs brauchen Züge weniger Lokomotiven und können so preisgünstiger, vor allem weit schneller als im alten Gotthard-Tunnel fahren - Personenzüge mit bis zu 250 Stundenkilometern, Güterzüge mit bis zu 160 km/h.

Der Zeitgewinn zwischen Zürich und Mailand beträgt - nach Fertigstellung des kleineren, ergänzenden Ceneri-Tunnels ab 2020 - rund 45 Minuten. Statt bislang maximal 180 Güterzüge sollen künftig pro Tag 260 durch die neuen Röhren rollen.

Noch vor den geladenen Prominenten dürfen 1000 per Los ermittelte Einwohner der Schweiz mit Sonderzügen durch den neuen Tunnel zwischen Erstfeld im Kanton Uri und Bodio im Kanton Tessin fahren. Die Geste gilt als Ausdruck des Dankes an die Bevölkerung, die das Jahrhundertbauwerk durch ihre Zustimmung bei einem Volksentscheid sowie mit der Finanzierung als Steuerzahler ermöglicht hat.

Wie sehr die Schweizer zur Verkehrspolitik ihrer Regierung und insbesondere zum Gotthard-Basistunnel stehen, machte eine repräsentative Umfrage kurz vor dessen Eröffnung deutlich: Acht von zehn Schweizern erachten demnach die Milliardenkosten für gerechtfertigt. Als Grund nannten sie erwartete wirtschaftliche Vorteile. Zudem erklärten 80 Prozent der Befragten, dass solche Projekte wichtig seien "für das Bild der Schweiz im Ausland".  © dpa

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.