In diesem Jahr haben Streiks, Personalmangel und andere Probleme den Flugverkehr in Europa stark beeinträchtigt. Viele Flüge sind ausgefallen, unzählige waren verspätet. Oft können Fluggäste in solchen Fällen Entschädigungen von der Fluggesellschaft fordern. Wir erklären, wie viel Ihnen zusteht und wie Sie an Ihr Geld kommen.
In einem aktuellen Urteil hat der Bundesgerichtshof die Passagierrechte bei einem Flugausfall gestärkt: Wenn der Flug wegen Streiks an den Sicherheitskontrollen ausfällt, kann den Passagieren eine Entschädigung von der Airline zustehen. Das hat der BGH in Karlsruhe am Dienstag entschieden.
Welche Rechte haben Passagiere sonst noch? Wir geben einen Überblick.
Innerhalb der EU regelt die europäische Fluggastrechte-Verordnung Ansprüche und Rechte auf Flugreisen. Das heisst, wenn der Startflughafen in einem EU-Land liegt oder man mit einer EU-Fluggesellschaft fliegt, hat man die nachfolgend genannten Ansprüche.
Fliegt man hingegen mit einer nicht-europäischen Airline und startet von einem Flughafen ausserhalb der EU, gelten diese Regeln nicht. In diesem Fall entnimmt man seine Ansprüche aus den Geschäftsbedingungen der jeweiligen Fluggesellschaft.
Bis zu 600 Euro bei Verspätungen
Verspätet sich die Ankunftszeit am Zielort um drei Stunden oder mehr, hat man ein Recht auf Ausgleichszahlungen in Höhe von bis zu 600 Euro. Beträgt die Flugdistanz 1.500 Kilometer oder weniger, muss die Airline 250 Euro zahlen, bei einer Strecke bis zu 3.500 Kilometern bekommt man 400 Euro, bei mehr als 3.500 Kilometern und einer Verspätung von mehr als vier Stunden beträgt die Entschädigung 600 Euro.
Wenn man den Anschlussflug aufgrund einer Verspätung verpasst, hat man die gleichen Rechte. Das gilt aber nur, wenn die Flüge zusammen gebucht wurden. Grundsätzlich sollte man sich die Verspätung und den Grund am Flughafen bestätigen lassen.
Zusätzlich muss die Airline den Passagieren ab einer Verspätung von zwei Stunden oder mehr am Flughafen Verpflegung anbieten. Oft gibt die Fluggesellschaft hierfür Gutscheine aus. Tut sie dies nicht, sollte man sich bei Airline-Mitarbeitern nach Getränken und Snacks erkundigen.
Erst wenn die Mitarbeiter bestätigen, dass sie keine Verpflegung zur Verfügung stellen, kann man sich die Kosten von am Flughafen gekauften Getränken und Snacks erstatten lassen. Dafür die Belege aufheben und schriftlich bei der Fluggesellschaft einreichen.
Verspätet sich der Abflug um mehr als fünf Stunden, kann man auf den Flug verzichten und sich die Kosten erstatten lassen. Geht der Flieger erst am nächsten Tag, muss die Airline eine Übernachtung im Hotel sowie den Transport dorthin und zurück zum Flughafen zahlen.
Flug gestrichen: Geld zurück
Wird ein Flug aufgrund eines Streiks, Personalmangels oder Ähnlichem gestrichen oder ist die Maschine überbucht, hat man ein Recht auf Erstattung des Flugpreises sowie Ausgleichszahlungen.
Diese betragen je nach Flugstrecke 125 bis 600 Euro. Das gilt aber nur, wenn man vom Ausfall des Fluges weniger als zwei Wochen vor Abflug erfahren hat und der eventuell angebotene Alternativflug wesentlich früher abfliegt beziehungsweise wesentlich später ankommt.
Die Airline kann anbieten, den Flug kostenlos zu stornieren. Das sollte man aber ablehnen, rät Reiserechtsexperte Professor Ernst Führich. "Ich würde nicht vom Flug zurücktreten, denn dann verfällt möglicherweise Ihr Anspruch auf Ausgleichsleistungen."
Experte: Immer Entschädigung fordern
Generell gibt es nur Ausgleichszahlungen, wenn die Airline die Verspätung oder den Flugausfall selbst verschuldet hat. Wenn sogenannte "aussergewöhnliche Umstände" vorliegen, muss die Fluggesellschaft im Normalfall nicht zahlen.
Zu diesen Umständen gehören unter anderem extrem schlechtes Wetter, Sicherheitsrisiken sowie Streiks. Jedoch muss die Fluggesellschaft beweisen, dass sie die Umstände nicht selbst verschuldet hat.
Ist das Flugzeug beispielsweise wegen schlechten Wetters im früheren Tagesverlauf verspätet und nicht wegen schlechten Wetters auf dem aktuellen Flug, muss die Airline entschädigen.
Auch bei einem Streik muss es sich nicht immer um aussergewöhnliche Umstände handeln. In diese Richtung geht auch das eingangs erwähnte BGH-Urteil.
Deshalb rät Reiserechts-Professor Führich, bei Verspätung und Flugausfall immer eine Ausgleichsleistung zu beantragen.
Zur Vorgehensweise erklärt Führich: "Grundsätzlich rate ich erst einmal, den Anspruch selbst schriftlich geltend zu machen und der Airline eine Frist von drei bis vier Wochen zu setzen. Hat sie nach vier Wochen noch nicht gezahlt, ist sie im Schuldnerverzug. Dann sollte man sich einen Anwalt nehmen, der sich mit Reiserecht auskennt. In der Regel gewinnt man diesen Prozess und bekommt die Ausgleichszahlungen meist zu 100 Prozent."
Auch die Anwaltskosten übernimmt die Fluggesellschaft in diesem Fall. Einen Vordruck für das erste Schreiben an die Airline stellt Professor Führich auf seiner Internetseite kostenlos zur Verfügung. Dieses sollte man der Fluggesellschaft per Einschreiben schicken.
Es gibt auch Fluggastrechte-Portale im Internet, die den Kontakt zur Airline von Anfang an übernehmen. "Das hat den Vorteil, dass der Fluggast nicht selber schreiben muss, er kann das gleich abgeben an den Rechtsdienstleister", meint Führich.
Er gibt aber zu bedenken, dass die Fluggastrechte-Portale meist 30 bis 40 Prozent der Ausgleichsleistung behalten.
Verwendete Quellen:
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