München (dpa/tmn) - Die Bezeichnungen sind vielfältig: Freeride, Backcountry, Freeride Touring, Mountaineering, Skitouring. Doch welche Kombination von Aufstieg und Abfahrt auf der Piste oder abseits der Piste die Wintersportler auch wählen - sie haben einen erheblichen Einfluss auf die Ski-Branche.
Die Ansprüche, die sich durch Touring und Freeriding an das Equipment ergeben, sind andere als bei der klassischen Pistenabfahrt mit Liftauffahrt. Gleichzeitig aber profitieren die Pistenabfahrer von den Entwicklungen. Einen Überblick über diese bietet die Sportmesse Ispo in München (noch bis 27. Januar).
Freeride und Touring seien starke Wachstumsmärkte, erklärt Andreas König vom Deutschen Skiverband (DSV). "Rund um dieses Thema geht es momentan ab." Denn es braucht Equipment, das nicht zu schwer zum Tragen ist. Kleidung, die den Schweiss gut abtransportieren kann, bei der Abfahrt aber warm genug ist und Wind und Wasser abhält. "Dazu brauche ich einen Schuh, mit dem ich mal über den Felsen steigen kann", gibt König ein weiteres Beispiel. Und abseits der Piste spielt natürlich das Thema Sicherheit eine ganz wichtige Rolle.
Die Motivation hinter diesen Wintersport-Trends beschreibt Christoph Ebert vom Kompetenzzentrum Sport, Gesundheit und Technologie so: "Beim Freeride geht es um Freiheit" - beim Hochgehen eher um die Fitness. Natürlich lässt sich beides gut kombinieren: Hochgehen, um an unberührte Hänge zu gelangen, und durch den Pulverschnee wieder hinabfahren.
Alexander Dillig vom Deutschen Skilehrerverband (DSLV) vergleicht den Einfluss von Freeride und Touring auf die Branche mit demjenigen, den das Snowboardfahren einst hatte. "Snowboard war Protestbewegung", sagt er. Snowboarder wollten anders sein. "Für die Entwicklung in der Skiindustrie war das hervorragend." Heute habe sich der Snowboard-Markt konsolidiert. Entwicklungen gehen nun vom Freeriding und Touring aus. Und: "Durch diese Trends kommen verstärkt ehemalige Snowboarder auch mal wieder zum Skifahren zurück."
Für die Industrie sei diese Zielgruppe bedeutend. Denn Hersteller müssten sich überlegen: Wie involviert sind die Leute - involviert genug, um sich das teure Equipment selbst zuzulegen, statt es zu leihen? "Der Freerider ist in der Regel viel stärker involviert", fasst Ebert zusammen. Und so springe nun auch jeder Hersteller auf den Zug auf.
Einige Ispo-Neuheiten im Freeride-Touring-Bereich im Überblick:
Atomic bündelt nun alle Touren-Produkte unter dem Namen Backland. Dazu gehören entsprechende Schuhe und Skier. Neu ist etwa der Backland UL 85. Mit einem leichten Holzkern und Carbon-Einlagen soll hier Gewicht gespart werden. Er ist vor allem für den Aufstieg konzipiert. Beim Backland FR 109 hingegen liegt der Fokus eher auf der Abfahrt. Für Frauen gibt es die neuen Modelle Backland 85 W und Backland 78 W.
Blizzard präsentiert eine neue Freeride-Linie für Frauen: Die Besonderheit der Skier besteht in einem leichten Holzkern aus Buche und Pappel, vorn und hinten kommt Carbon zum Einsatz. Tecnicas Skischuh Zero G wiegt nur rund 1500 Gramm (in der Mustergrösse 26,5) - das Schalenmaterial sei um etwa 30 Prozent dünner geworden - und gleichzeitig härter, so der Hersteller.
Haglöfs kommt in Sachen Bekleidung mit einer neuen Kollektion fürs Ski Touring daher. Die minimalistischen Produkte mit geringem Gewicht und hoher Atmungsaktivität seien für kürzere Touren gedacht. Bestandteil der Kollektion ist etwa die Touring Flex Pant, eine Soft-Shell-Hose, die unten mit Silikonbündchen, Reissverschluss und Schutzgewebe zur Verstärkung etwa für Steigeisen ausgestattet ist.
Die Entwickler von K2 haben mit Marksman und Poacher neue Skimodelle für die Freeride-Linie entwickelt. Marksman ist ein Allrounder, der mit weichem Schnee genau klarkomme so wie mit härterem Untergrund. Poacher eigne sich besonders für Park-Fahrer.
Bei Mammut richtet sich die Alpine Performance Linie an Bergsportler, die abseits der Lifte aufsteigen und durch Tiefschnee wieder hinabfahren möchten. Die Aenergy SO Jacket für Männer und die Botnica SO Jacket für Frauen sind zum Beispiel leichte dreilagige Softshell-Jacken, die windabweisend und atmungsaktiv sind. Für Frauen gibt es mit dem Botnica IS Skirt auch einen isolierenden Rock, der vor der Abfahrt schnell über die Hose gezogen werden kann. Neu überarbeitet hat der Hersteller ausserdem das Airbag-System: Die Auslöseeinheit vereint nun Luftmengenverstärker und Auslösemechanik in einem Gehäuse und spart so Platz und Gewicht.
Der Lupo Carbon T.I. des italienischen Skischuhherstellers Dalbello ist ein Schuh für den Touring-Bereich mit herausnehmbarer Zunge - um für mehr Flexibilität beim Aufstieg zu sorgen. Der steife Karbonschaft soll bei der Abfahrt genug Halt geben. Auch dieser Schuh ist relativ leicht - rund 1700 Gramm bringt er auf die Waage.
Marmot bringt mit dem Powertherm 1/2 Zip ein Midlayer für Frauen und Männer heraus, das innen mit schnell trocknender Wolle, aussen mit Polyester ausgestattet ist. Speziell für den Aufstieg bei den Skitouren ist die Corsair Jacket gedacht, ebenfalls mit schnell trocknendem Innenfutter und wasserdichtem Aussenmaterial.
Lange zeigt auf der Ispo seinen ersten Freetouring-Schuh. Die XT Freetour-Serie kommt mit drei Modellen daher, Aushängeschild sei der XT 130 Freetour. Beim Aufstieg sollen Grip-Sohlen das Gehen leichter machen. Für Frauen ist der XT 110 L.V. Freetour W konzipiert.
Dynastar hat einen neuen Ski für Tourengeher im Angebot, den Mythic 87. Eine neuartige Karbon-Faser und ein leichter Zellkern sparen Gewicht, gleichzeitig soll der Ski sehr stabil sein.
Vaude setzt bei seinen Lawinen-Airbag-Rucksäcken auf ein relativ neues System der Firma Alpride. Das System entfaltet nach der Auslösung ein halbkreisförmiges Luftkissen mit 150 Litern Volumen. In einer Lawine soll es Kopf und Oberkörper an der Oberfläche der gleitenden Schneemassen halten.
Den neuen Freeride-Ski Confession hat Völkl entwickelt - "für die ganz steilen, krassen Hänge", sagt Bert Lammel, Marketing Manager von Marker Völkl International. Bei den Touring-Ski setzt Völkl auf eine strukturierte Oberfläche, auf der weniger Schnee haften bleiben soll, das Ice.Off Topsheet - das spart wieder Gewicht.
Ausrüstung zum Schutz und für den Notfall
Zur Sicherheit auf und neben den Pisten ist die passende Schutzausrüstung unerlässlich. Dazu gehören in erster Linie Helm und Brille, erklärt Andreas König vom Deutschen Skiverband (DSV) anlässlich der Sportmesse Ispo in München (noch bis 27. Januar). Die Brille soll vor allem Unfälle aufgrund von Wahrnehmungsfehlern verhindern.
Ausserdem gehören zu der Schutzausrüstung auch Protektoren. Wer sollte diese tragen? "Raten würde ich es im Prinzip jedem", sagt der Fachmann. Insbesondere Kinder sollten nicht ohne Protektor fahren: Denn weil sie kleiner sind, werden etwa die Skier von anderen Fahrern schneller zur Gefahr. Und auch wer abseits der Piste fährt, tut das besser mit Protektoren.
Letztere brauchen aber noch ein wenig mehr an sicherndem Equipment: nämlich die Notfallausrüstung. Dazu gehört ein Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS), die Lawinensonde und die -schaufel. Auch Handy und Erste-Hilfe-Set führen Freerider besser mit. Ausserdem rät der Deutsche Skilehrerverband (DSLV) zur Verwendung eines Lawinenairbags. Wichtig ist, das Verhalten im Notfall zu trainieren: Auch der beste Lawinenrucksack nutze nichts, wenn man nicht weiss, wie man ihn bedient, sagt König. © dpa
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