Vermutlich jeder kennt die Geschichte des US-Airways-Flugs 1549 aus dem Jahr 2009. Pilot Chesley B. Sullenberger musste seinen Airbus auf dem Hudson River in New York City notlanden, nachdem Wildgänse in die Triebwerke gesaugt worden waren und diese daraufhin ausfielen. Christian Hellberg ist Geschäftsführer beim Deutschen Ausschuss zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr. Er erklärt, wie gefährlich Vogelschläge für Flugzeuge sind und wie häufig diese vorkommen.

Ein Interview

Herr Hellberg, wie gefährlich ist ein Vogelschlag an einem Flugzeug?

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Christian Hellberg: Das kommt darauf an, wo das Flugzeug getroffen wird und wie gross der Vogel ist. Kleine Vögel wie ein einzelner Sperling, Zaunkönig oder Star hinterlassen meist keinen Schaden am Flugzeug. Sie lassen ihr Leben und der Pilot merkt manchmal noch nicht einmal etwas von dem Zusammenstoss. Anders sieht das bei grösseren Vögeln aus, die flugsicherheitsrelevant sind. Bei einer Kollision mit einem solchen Vogel können bei einem Flugzeug durchaus strukturelle Schäden entstehen. Dabei kommt es darauf an, wo das Flugzeug getroffen wird. Es gibt kritische Bauteile wie zum Beispiel die Triebwerke und die Scheiben am Cockpit. In diesen Bereichen ist so ein Vogelschlag meist nicht folgenlos.

Welche Vögel sind denn flugsicherheitsrelevant?

Das sind Vögel ab einer Grössenordnung von 1,5 bis vier Kilo. Das sind also beispielsweise Gänse, Kraniche, Fischreiher, Störche oder auch Greifvögel wie Bussarde und Falken. Dann kommen noch Schwarmvögel dazu, die als Einzelindividuum keine grosse Relevanz haben. Aber ein Schwarm aus 300 Staren hat natürlich eine ähnliche Auswirkung wie ein paar Gänse. Krähen verunfallen zum Beispiel fast nie. Sie sind zu schlau und weichen den Flugzeugen aus.

In welcher Flughöhe passieren die meisten Vogelschläge?

Unter 1.000 Fuss – also etwa 300 Metern – ist die kritische Zone, weil die meisten Vögel nicht höher fliegen. Es sind aber auch bereits Vogelschläge in grösserer Höhe von etwa 800 bis 900 Metern gemeldet worden. Das ist aber die Ausnahme, weil es nur eine Handvoll Vogelarten gibt, die so hoch fliegen können. Der höchste registrierte Vogelschlag war in einer Höhe von etwa 8.000 Meter mit einem Geier in Afrika. Die meisten Vögel bewegen sich jedoch in einer Höhe von 250 bis 300 Metern. Das grösste Risiko besteht also vor allem bei Starts und Landungen. Rund 98 Prozent der Vogelschläge passieren hier.

Wie oft kommt es zu solchen Vogelschlägen?

Das ist weltweit täglich der Fall. Wir beim DAVVL versuchen, das zu zählen und statistisch auszuwerten. Das heisst, wir bekommen alle Vogelschläge von den Airlines und Flughäfen in Deutschland sowie von den Mitgliedsflughäfen Salzburg, Zürich und Luxemburg gemeldet. Die Zahlen schwanken allerdings. Das hängt unter anderem von der Jahreszeit ab. Von November bis Februar gibt es deutlich weniger. Mehr wird es, wenn der Vogelzug einsetzt oder im Sommer, wenn viele Jungvögel unterwegs sind. Die jungen Vögel sind noch sehr unerfahren und machen dann ihre ersten Flugversuche. Dabei kollidieren sie öfter mit Flugzeugen.

Wann gab es den letzten grösseren Vogelschlag-Zwischenfall in Deutschland?

Der letzte Todesfall nach einem Vogelschlag ist 2012 in Deutschland passiert. Das war eine Bundeswehrmaschine in Mecklenburg-Vorpommern, die mit einem Fischadler kollidiert ist. Das Flugzeug ist abgestürzt und beide Piloten kamen ums Leben. Danach ist zumindest in Deutschland kein Personenschaden zu verzeichnen gewesen.

Wie kann man ein Flugzeug vor einem Vogelschlag schützen?

Die Flugzeug- und Triebwerkshersteller sind sich der Problematik bewusst. Den ersten Vogelschlag gab es 1908 und den ersten Todesfall nach einem Vogelschlag bereits 1912 – da steckte die Fliegerei noch in den Kinderschuhen. Mit dem Beginn der Düsenfliegerei kurz nach dem Zweiten Weltkrieg versuchen die Experten, das Problem in den Griff zu bekommen. Es gab Versuche, Gitter über die Triebwerke zu spannen, damit die Vögel nicht eingesaugt werden. Das hat sich alles als nicht praktikabel erwiesen und ist technisch derzeit nicht abbildbar. Was gemacht wird, ist, dass die Triebwerke während ihrer Zulassung auf Vogelschlag getestet werden. Dabei werden Dummy-Vögel mit einer Kanone auf ein laufendes Triebwerk geschossen. Das Triebwerk muss einen gewissen Vogelschlag aushalten, darf nicht strukturell kaputt gehen und muss noch einige Zeit mit einer gewissen Leistung weiterlaufen, sodass das Flugzeug nicht unkontrollierbar wird.

Was sind Strategien am Boden zur Vermeidung von Vogelschlägen?

Stichwort Biotopmanagement: Dazu versucht man den Vögeln die Brut-, Nist- und Nahrungsmöglichkeiten zu nehmen, das heisst, den Flughafen für die Tiere so unattraktiv wie möglich zu machen. Das bedeutet, dass Gebäude abgespannt werden, es werden alle Bäume und Sträucher entfernt und die Grünfläche so ausgerichtet, dass dort keine Nahrung gefunden werden kann. Weil man einen Flughafen aber niemals vogelfrei bekommen kann, kommt noch die aktive Vergrämung hinzu. Befinden sich flugsicherheitsrelevante Vögel am Flughafen, so kommt die Bird Control ins Spiel. Die Vogelschlag-Beauftragten greifen gegebenenfalls mit Pyrotechnik, Gaskanonen und Knallkörpern ein, um die Tiere zu vertreiben. Es gibt auch Methoden mit Lasertechnik oder auch Ansätze, die Vögel mit Hunden und Greifvögeln zu vertreiben. Hunde werden beispielsweise in Bremen und Hannover eingesetzt, Greifvögel in Düsseldorf, Hamburg, Memmingen und ebenfalls in Bremen. Die Vertreibung geht bis hin zur Ultima Ratio. Also dass der Bird-Controller auch mal zur Waffe greifen und einen Vogel abschiessen muss.

Gibt es solche Vogelschlag-Beauftragte an jedem Flughafen?

Die muss es sogar geben. Die Vorschriften gibt es nach deutschem und nach europäischem Recht. Jeder Flughafenbetreiber ist dafür verantwortlich, Wildlife-Management zu betreiben. Das betrifft nicht nur Vögel, sondern auch Säugetiere, die genauso Schäden an Flugzeugen anrichten können. Im Februar ist zum Beispiel in Charlotte in den USA ein Hirsch mit einem Flugzeug auf der Startbahn kollidiert. Die Tragfläche ging kaputt und Treibstoff ist ausgetreten. Die Maschine musste nach dem Abflug wieder umdrehen und notlanden.

Wieso können die Vögel den Flugzeugen nicht ausweichen?

Das liegt an der Geschwindigkeit der Flugzeuge. So schnell können die Vögel und auch die Piloten gar nicht reagieren. Wenn ein Flugzeug mit 200 Knoten Geschwindigkeit landet, kann der Vogel also gar nicht ausweichen. Ein Vogelschlag ist ja aber nicht nur der direkte Crash mit dem Flugzeug, sondern auch ein Unfall in der Wirbelschleppe. Die Maschine zieht einen Luftwirbel hinter sich her. Vögel, die dort hineingeraten, haben in der Regel keine Chance.

Für welche Flugobjekte sind grosse Vögel gefährlich?

Eigentlich für alle. Das reicht vom kleinen Sportflieger bis hin zu Helikoptern und grossen Maschinen. Fliegt ein Vogel gegen die Cockpitscheibe, so kann diese kaputt gehen und die Piloten können nichts mehr sehen. Es gab so einen Fall in Hamburg vor ein paar Jahren. Da war sowohl die Scheibe des Piloten als auch die des Co-Piloten nach einem Vogelschlag undurchsichtig. Die Maschine konnte nur mit dem Autopiloten sicher landen.

Wie schlimm können solche Schäden an Flugzeugen sein?

Das reicht bis zur strukturellen Zerstörung von Flugzeugen. Alle Vögel ab 2,5 Kilogramm können das leichte Flugzeugaluminium verbiegen. Eines der Teile, das häufig getroffen wird, ist das Radom, die Nase des Flugzeugs, mit dem Wetterradar darunter. Diese besteht aus Kohlefaser und wird bereits bei der leichtesten Kollision mit einem mittelgrossen Vogel verformt oder zerstört. Auch Tragflächen sind relativ dünn und aus Gewichtsgründen nicht sonderlich stabil. Die Schaufeln in den Triebwerken verbiegen sich bei einem Vogelschlag relativ schnell, weil die Zentrifugalkräfte sehr hoch sind. Selbst eine Taube mit etwa 400 Gramm kann bereits einen hohen finanziellen Schaden verursachen. Eine solche Schaufel kostet zwischen 25.000 und 100.000 US Dollar. Davon befinden sich bis zu 100 Stück in einem solchen Triebwerk. Je nachdem wie viele davon ausgetauscht werden müssen, kann der Schaden schon im Millionenbereich liegen. Die Kosten für Vogelschlag liegen jährlich bei ca. einer Milliarde US-Dollar weltweit.

Christian Hellberg (*1972) ist Geschäftsführer beim Deutschen Ausschuss zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr (DAVVL) in Bremen, bei dem die deutschen Airlines und alle deutschen Verkehrsflughäfen sowie die Flughäfen Salzburg, Luxemburg und Zürich Mitglied sind.
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