Hannover (dpa/tmn) - Bei höherer Gewalt können Urlauber oder der Reiseveranstalter die Reise kündigen. Das regelt das Gesetz. Als höhere Gewalt gilt ein von aussen kommendes Ereignis, das unabwendbar und nicht vorhersehbar ist.

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Es wirkt sich so nachteilig auf die Reise aus, dass diese überhaupt nicht mehr oder nicht mehr zumutbar ausgeführt werden kann, wie Reiserechtler Paul Degott aus Hannover erklärt.

Reisende erhalten bei einer solchen Kündigung den vollen Reisepreis zurück - der Vertrag wird ohne Stornogebühren rückabgewickelt. Einen Anspruch auf Schadenersatz gibt es nicht. Typische Beispiele für höhere Gewalt sind etwa Streik, Naturkatastrophen wie Wirbelstürme, Erdbeben oder Überschwemmungen, Epidemien wie SARS oder Kriege und politische Unruhen.

Kommt es während der Reise zu einem Fall von höherer Gewalt, und der Urlauber muss die Reise abbrechen, kann der Reiseveranstalter das Geld für bereits erbrachte Leistungen behalten. Er muss allerdings die Rückreise sicherstellen. Zusatzkosten für den Rückflug und weitere Mehrkosten teilen sich Reisender und Veranstalter. Für die nicht erbrachte Reiseleistung bekommt der Urlauber das Geld zurück.

"Wichtig ist, dass der Reiseveranstalter in einem solchen Fall wirklich die Kündigung erklärt hat", sagt Degott. Sagt er, man bekomme das schon irgendwie hin, kann der Urlauber am Ende der Reise den Preis mindern, sollte das nicht der Fall gewesen sein. Ein Beispiel: Es kommt zu Überschwemmungen im Urlaubsland, der Reiseveranstalter verspricht eine Rundreise dennoch wie geplant durchführen zu können. Im Verlauf der Reise fallen allerdings geplante Stopps aus. Dann können Urlauber Mängel geltend machen.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) weist darauf hin, dass Reisende, die trotz Reisewarnung des Auswärtigen Amtes eine Reise buchen, bewusst ein höheres Risiko eingehen. Der Reisevertrag könne dann nicht wegen höherer Gewalt gekündigt werden. Komme es nach der Buchung zu einer Reisewarnung, sei das hingegen ein Indiz für höhere Gewalt. Generell gilt nach Einschätzung der Verbraucherschützer immer die konkrete Lage vor Ort und nicht die persönliche Einschätzung des Reisenden.

BGH: Unverschuldete Probleme mit dem Pass sind Risiko des Reisenden

Scheitert eine Urlaubsreise völlig überraschend an Problemen mit den Pässen, bleiben Reisende im ungünstigsten Fall auf hohen Stornogebühren sitzen. Eine kostenlose Kündigung wegen "höherer Gewalt" ist hier nicht möglich - unabhängig davon, ob der Reisende etwas für die ungeeigneten Papiere kann oder nicht. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden.

In dem Fall hatte eine Familie aus der Nähe von Nürnberg zwei Wochen lang durch die USA reisen wollen. Aber der Urlaub endete, bevor er überhaupt anfangen konnte: Mutter und Tochter wurden wegen ihrer neuen Reisepässe am Frankfurter Flughafen nicht an Bord gelassen. Sie hatten diese ordnungsgemäss beantragt und abgeholt. Was sie nicht ahnen konnten: Weil die Gemeinde den Empfang nie quittierte, waren die Pässe als gestohlen gemeldet - und standen weltweit auf der Fahndungsliste. Eine Einreise in die USA war damit unmöglich.

Um den vollen Reisepreis von mehr als 4000 Euro zurückzubekommen, hatte die Familie den Reiseveranstalter verklagt. In den klassischen Fällen "höherer Gewalt", also etwa bei einer Naturkatastrophe oder plötzlichen politischen Unruhen, müsste dieser auf die Stornogebühren verzichten. Nach Auffassung des Senats trägt für die Ausweisdokumente aber der Urlauber das Risiko. "Höhere Gewalt" läge demnach nur dann vor, wenn sämtliche Reisenden betroffen wären - zum Beispiel, wenn ein Land kurzfristig die Visumsanforderungen verschärft und die Dokumente so schnell nicht mehr zu bekommen sind. (Az. X ZR 142/15)  © dpa

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