Wien (dpa) - Das Riesenrad ist neben dem Stephansdom wohl das bekannteste Wahrzeichen Wiens. Seit fast 120 Jahren drehen sich die roten Kabinen im Prater gemächlich im Kreis und bieten eine der besten Aussichten über die österreichische Hauptstadt.
Die vielen Attraktionen im Park sind dabei seit Generationen fest in der Hand einiger Familien. Lange vor Disneyland sorgten die Schausteller und Lokalbesitzer für Stunden der Ablenkung für die Bevölkerung. Aber neben Geisterbahn, Achterbahn oder Schiessbuden hat der Prater im 250. Jahr seines Bestehens viel anderes zu bieten.
"Manchmal verlasse ich den Prater für einige Wochen nicht. Das merke ich dann immer erst, wenn ich schon so lange nicht mehr mit dem Auto gefahren bin", erzählt Stefan Sittler-Koidl, Präsident des Praterverbandes. In vierter Generationen betreibt seine Familie zahlreiche Fahrgeschäfte. Ein Leben ohne den Prater ist für den aufgedrehten Geschäftsmann nicht vorstellbar. Nur wenige Meter ist sein Wohnhaus vom seinem Fahrgeschäft, dem "Blumenrad", entfernt.
Aber auch dem 36-Jährigen ist klar, dass der Prater mit der Zeit gehen muss. Grosse Vergnügungsparks wie Disneyland haben vor allem in den 90er Jahren für Besucherschwund gesorgt. "Aber so schwerfällig hier alles ist, so beständig ist es auch", sagt Sittler-Koidl.
Begonnen hat alles vor 250 Jahren: Am 7. April 1766 gab Kaiser Joseph II. das Gebiet für die Öffentlichkeit frei. Bis dahin diente das Areal ausschliesslich dem Monarchen und seinen adeligen Freunden zur Jagd. Die Weltausstellung 1873 brachte viele Neuerungen. 1897 wurde das Riesenrad anlässlich des 50. Thronjubiläums von Kaiser Franz Joseph I. errichtet. 1949 wurde das Riesenrad dann im Filmklassiker "Der dritte Mann" prominent in Szene gesetzt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und einem grossen Brand gab es die schwierige Zeit des Wiederaufbaus im Prater. Über sechs Quadratkilometer erstreckt sich dieser im zweiten Wiener Gemeindebezirk und ist damit doppelt so gross wie der Central Park in New York. Dabei macht der Vergnügungspark, im Volksmund Wurstelprater genannt, nur einen kleinen Teil aus. In den Wäldern und Wiesen joggen Tausende Menschen. Das Ernst-Happel-Stadion zieht Fans zu Fussballspielen an. Von März bis Oktober herrscht Oktoberfest-Stimmung bei Bier und den vermeintlich besten Stelzen ("Schweinshaxe") der Stadt im "Schweizerhaus".
Der Prater wurde zeitweise auch zum rauen Pflaster. Gewalt und Polizeieinsätze waren nicht selten. Prostituierte siedelten sich im Areal an - bis es zu einem Verbot kam. Auch das Glücksspiel wurde verbannt. Die grösste Disco Österreichs zieht immer noch viele Nachtschwärmer an. Die neue Wirtschaftsuniversität am Gelände und teure Wohnviertel rundum sorgen für neue Schichten. Modern will sich der Prater präsentieren mit dem nostalgischen Hauch der Monarchie.
In der Geisterbahn erschrecken die Mitarbeiter die Gäste zum Teil noch mit der Hand. "Meine Schwiegermutter", flüstert der Betreiber Milan Brantusa während der Fahrt ins Ohr, bevor sich eine feine adelige Dame am Bildschirm in ein Monster verwandelt. Der berühmte Wiener Charme wird hier gelebt. So lassen Betreiber ihre Kinder schon mal im Kinderautodrom von einem der beiden Prater-Pfarrer taufen.
An Wochenenden fährt eine 80 Jahre alte Dampflokomotive lautstark ihre Runden. Der Geruch von Stahl, Schmieröl und Kohlenfeuer weht durch die Luft. "Bei uns können die Ungeborenen im Mutterleib ebenso mitfahren wie jene kurz vor dem Ableben", sagt der Betreiber der Liliputbahn Alexander Ruthner. Die Fahrt sei ein "20-minütiger Kurzurlaub" und ziehe auch Eisenbahnfans aus aller Welt an.
Um die 146 Fahrgeschäfte der rund 80 Unternehmer wirtschaftlich fit zu halten, müsse heute aber mehr geboten werden als in vergangenen Zeiten. "Nur die Saison von April bis Oktober zu bespielen, reicht nicht mehr", sagt Sittler-Koidl. Für die rund vier Millionen Besucher jährlich müssen wetterfeste Attraktionen geschaffen werden. Zuletzt ging die erste Indoor-Achterbahn im Dunkeln in Betrieb. © dpa
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