(sal/mac) Viele Reisende wollen mehr von ihrem Urlaub als eine zweiwöchige Pendelei zwischen Strand, Hotel-Buffet und Animation. Warum nicht einmal die Ferien dazu nutzen, anderen Menschen zu helfen? Michael Saatkamp leitet in Bodhgaya im Nordosten Indiens die Suppenküche und Grundschule "A Bowl of Compassion". Reisende aus aller Welt können bei Saatkamp mitarbeiten.
Das Projekt hat der 29-Jährige aus Dortmund mit Freunden selbst auf die Beine gestellt. Wie man sich in "A Bowl of Compassion" nützlich machen kann und warum man sich dieses Erlebnis nicht entgehen lassen sollte, erklärt er im Interview mit diesem Portal.Was macht "Bowl of Compassion"?Saatkamp: Wir speisen arme, kranke und bedürftige Menschen aus den Nachbardörfern von Bodhgaya. Parallel zur Suppenküche haben wir eine Grundschule gegründet. Für fünf Euro im Monat können Spender bei uns Paten werden. Von dem Geld können die Kinder zur Schule gehen und täglich bei uns essen. Ausserdem bieten wir Handarbeitskurse für junge Mädchen an. Die Mädchen stellen Handtaschen, Armbänder, Schals, Mützen und vieles mehr her. Die Artikel können wir auf dem lokalen Markt verkaufen und die Einnahmen wieder in das Projekt fliessen lassen.
Freiwillige aus der ganzen Welt helfen dir, das Projekt am Laufen zu halten. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den sogenannten Volontären?
Die Volontäre bereichern das Projekt ungemein. Meistens erfahren sie von "Bowl of Compassion", wenn sie im Restaurant meines indischen Projektpartners Murari essen gehen. Dort habe ich ein Menü zusammengestellt, in dem auch unser Projekt erwähnt wird. Die Volontäre rufen uns dann an und wir holen sie innerhalb von fünf Minuten am Restaurant ab. Es gibt keine Vorgaben oder vorgeschriebene Stundenzahlen. Wenn jemand zusammen mit den Kindern eine Wand bemalen möchte, dann kann er das selbst planen und umsetzen. Unsere Köchin Sushma freut sich über Hilfe beim Kochen und unsere Lehrer sind auch immer froh, wenn sich die Volontäre im Englischunterricht einbringen. Ich hatte bisher noch keine einfallslosen Volontäre. Sie waren einfach alle spitze und sind zu guten Freunden geworden.
Wie sieht das konkret aus?
Sheny aus Mexiko zum Beispiel ist momentan wieder zu Besuch. Er war im vergangenen Jahr bei uns und wir haben mexikanisches Essen für die Kinder gekocht. Im Unterricht hat Sheny sein Land vorgestellt und wir haben Fotos von Mexiko ausgedruckt. Sheny kam in einer traditionellen mexikanischen Tracht, einem Poncho, zur Schule. Es ist schön zu sehen, wie man Kulturen zusammenbringen kann, um voneinander zu lernen.
Wo und wie werden die Freiwilligen untergebracht? Müssen sie dafür etwas bezahlen?
Sie können in unseren Lehmhütten schlafen, die wir für diesen Zweck gebaut haben. Es bleibt ihnen selbst überlassen, ob sie dafür etwas geben möchten. Es besteht keine Pflicht, für den Aufenthalt zu zahlen. Allerdings können wir nicht mehr als sechs Volontäre beherbergen.
Wie lange bleiben die meisten Freiwilligen?
Es kommt immer darauf an, was die Volontäre geplant haben. 90 Prozent sehen Bodhgaya als Zwischenstopp auf ihrer Reise an. Viele bleiben einige Tage, andere aber auch Wochen oder Monate. Die langzeitreisenden Backpacker haben es selten eilig mit der Abreise, denn sie haben keinen festen Zeitrahmen oder gebuchte Flüge zurück nach Hause.
Wie reagieren die Kinder auf die Freiwilligen?
Die Kinder sind so herzlich und offen zu den Besuchern. Sie gehen völlig unbedarft auf sie zu und umarmen sie, spielen mit ihnen und strahlen über das ganze Gesicht. Sie sind sehr dankbar über jede Art der Zuneigung und Aufmerksamkeit. Den Volontären fällt es oft schwer, sich von den Kindern wieder zu trennen.
Welche Voraussetzungen braucht man, um in der Suppenküche helfen zu können? Muss man sich vorher anmelden?
Eine Email oder ein Anruf genügt. Jeder ist bei uns willkommen, auch wenn er uns nur besuchen will.
Warum sollte man im Urlaub freiwillig bei "Bowl of Compassion" arbeiten?
Selbst für erfahrenste Reisende ist es eine völlig neue Erfahrung mit den Menschen im Dorf und ihren extrem einfachen Lebensbedingungen. Die Reiseführer haben stets eine vorgefertigte Route parat, nach der sich die Backpacker (Rucksackreisende) richten können. Somit kommen sie selten von den touristischen Hauptstrassen ab und werden permanent von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten gejagt. Unser Projekt ist eine tolle Gelegenheit, eine Menge über das Leben hier zu lernen und sich für bedürftige Menschen einzusetzen.
Was raten Sie Reisenden, die zum ersten Mal in Indien sind?
Nehmen Sie sich Zeit zum Reflektieren. Die gewaltige Wucht an Informationen und Ereignissen werden Sie anfangs erschlagen. Es ist wichtig, ruhig und gelassen zu sein. Indien ist zum Reisen sehr sicher und die Menschen sind herzlich und warm. Womit die Reisenden umgehen können müssen, sind Gestank, Dreck, Lärm, brüllende Hitze und Durchfall. Wenn Sie sich damit arrangiert haben, ist der Rest ein Klacks. Auf jeden Fall über die nötigen Impfungen vom Hausarzt aufklären lassen sowie auch über Medikamente gegen Durchfall und so weiter. Lassen Sie sich nicht davon abschrecken. Indien ist die Reise wert!
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