Berlin (dpa/tmn) - Der Mensch sehnt sich nach dem Schönen, und er sucht es im Urlaub. Sonne im Gesicht, Arbeit und Alltag sind weit weg. Beim Blick aufs Meer erscheint das Leben nicht mehr ganz so sorgenvoll. Aber der Mensch hat auch Angst - nach den Anschlägen in Tunesien, Paris, Ägypten und Istanbul.
Es scheint, als sei die Welt voller Fanatiker, die Bomben zünden und Unschuldige massakrieren. Da draussen im Urlaub wartet also beides, das Glück und die Gefahr. Das führt in einen inneren Konflikt, der vielen reisefreudigen Bürgern die Urlaubswahl für diesen Sommer schwer macht.
"Urlaub in Zeiten von Terror und politischen Umbrüchen – wohin können wir noch reisen?" Das fragte der Deutsche Reiseverband (DRV) auf der weltgrössten Tourismusmesse ITB in Berlin (Publikumstage 12. und 13. März). Man würde diese Frage nicht derart offen diskutieren, wenn die Situation nicht so ernst wäre: Die Buchungen für die Türkei liegen etwa 25 Prozent unter dem Vorjahreswert. Der touristische Aufschwung in Ägypten ist verpufft. Und Tunesien gilt vielen seit dem Blutbad am Strand von Sousse als überhaupt nicht mehr sicher.
In der Summe führt das dazu, dass bisher deutlich weniger Menschen als sonst ihren Urlaub gebucht haben. Normalerweise sind im Januar die Reisebüros voll. In diesem Jahr: enttäuschende Zahlen. Kommt der Aufschwung noch und wenn ja – wann? Das ist die heisse Frage, die gerade die erfolgsverwöhnte Tourismusbranche umtreibt.
Eine These lässt sich schnell verwerfen: Die Deutschen haben wegen Terrorangst und der unsicheren Weltlage die Lust am Reisen verloren. Alle Umfragen und Studien belegen das Gegenteil, die Urlaubsfreude ist ungebrochen. Nur gebucht wird weniger. Das liegt Tourismusexperte Prof. Martin Lohmann zufolge am Anschlag von Istanbul Anfang Januar. "Er fiel in die Zeit, in der viele gerade ihre Entscheidung für den Urlaub treffen", sagt der Leiter des Instituts für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa.
Zweite These: Angesichts von Terror und Flüchtlingskrise wird die gesamte arabische Welt eher gemieden. Kein Urlaub dort, wo der Islam dominiert? "Nein, das kann man so pauschal nicht sagen", sagt Oliver Dörschuck, Touristikchef bei Tui Deutschland. Er nennt die Malediven als Gegenbeispiel.
Das grösste Problem ist also nach wie vor die Wahrnehmung der Sicherheit. Wo man sich unwohl fühlt, da will man keinen Urlaub machen. Das heisst aber umgekehrt auch, dass die meisten Touristen in ein Land zurückkehren, wenn es dort einige Zeit wieder ruhig war.
Das grösste Sorgenkind: die Türkei. Alle Augen schauen auf dieses so wichtige Urlaubsziel. Der Anschlag in Istanbul hat viele verunsichert. Es sei eher ein subjektives Gefühl, das Menschen davon abhält, bestimmte Länder zu bereisen, sagt Tui-Manager Dörschuck. Für die Türkei stimmt das: Die Urlaubshochburg Antalya ist von Istanbul weit entfernt und wird trotzdem schlechter gebucht. Dabei käme niemand auf die Idee, wegen der Anschläge in Paris nicht an die französische Atlantikküste zu fahren, gibt Dörschuck als Beispiel. "Inzwischen sehen wir Anzeichen für eine leichte Erholung", sagt die Geschäftsführerin von Öger Tours, Songül Göktas-Rosati. "Die Türkei wird noch aufholen."
Der chronische Wackelkandidat: Ägypten. Für das Land waren es ab 2011 unruhige Revolutionszeiten. Im vergangenen Jahr zogen die Buchungen wieder richtig an, 2015 kamen mehr als eine Million deutsche Gäste. Doch dann holte mutmasslich die Terrormiliz IS mit einer Bombe eine russische Passagiermaschine vom Himmel. Nun muss Ägypten vor allem etwas für die Sicherheit des Flugverkehrs tun. Ein grosses touristisches Comeback erhofft sich der unermüdliche ägyptische Tourismusminister Hisham Zaazou zum nächsten Winter hin.
Trübe Aussichten: Tunesien. Der Terror hat das nordafrikanische Land am stärksten getroffen. Die Touristenzahlen haben sich von 2014 auf 2015 in etwa halbiert. Besserung in der kommenden Sommersaison ist erst einmal nicht in Sicht. "Das Land wird sicher am längsten brauchen, bis hier eine spürbare Erholung einsetzt", schätzt Tui-Mann Dörschuck. Und der Geschäftsführer von FTI, Dietmar Gunz, schätzt: Während sich die Türkei und Ägypten schneller erholen könnten, dürfte Tunesien weit hinter diesen Ländern zurückbleiben. © dpa
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