- Mehrtageswanderungen liegen in Corona-Zeiten absolut im Trend.
- Die Schweizer Jungfrauregion bietet für trittsichere Einsteiger eine aussichtsreiche Dreitagestour.
- Leichtes Training vor der Tour und das passende Material sind jedoch wichtig.
Der Regen hatte die ganze Nacht an die roten Fensterläden der Berghütte getrommelt. Gegen sechs Uhr am Morgen dann Stille. Es ist trocken, doch die in der Wanderkarte verzeichneten Gipfel hüllen sich noch in dichten Nebel. "Das Wetter wird gut heute", war sich der Wirt beim Frühstück sicher und so machen sich zwei einsame Wanderer auf den Weg. Mit jedem Kilometer ziehen die weissen Schwaden weiter in die Höhe, langsam geben sie den Blick ins Tal frei.
Plötzlich ertönt ein lauter Pfiff. Ein Murmeltier hat die frühen Wanderer erspäht und warnt seine Artgenossen. Es lässt sich in aller Ruhe mit dem Fernglas beobachten, dann verschwindet es in seinem Bau. "Wenn ihr früh unterwegs seid, bekommt ihr die Tiere auf jeden Fall zu sehen", hatte Bergführerin Doris von den Jungfraubahnen am Vortag versprochen. Sie hatte recht, denn schon wenig weiter zeigen sich Gämse auf einem kahlen Bergkamm. Die Gruppe wird grösser und schliesslich springen dutzende Tiere die steilen Felsen hinab, überqueren einen Bach und grasen auf den bunt blühenden Almwiesen. Die Wanderer packen beeindruckt das Fernglas wieder ein und blicken sich um. In der Zwischenzeit hat sich auch der Nebel verzogen und den Blick auf die berühmten Berge der Schweizer Jungfrauregion oberhalb von Grindelwald freigegeben.
Übernachten am Berg - Das sind die Vorteile
Bei einer Mehrtageswanderung können Wanderer die Nächte in idyllisch gelegenen Berghütten in Doppelzimmern oder günstiger im Matratzenlager verbringen. Damit sind sie am Abend die letzten und am Morgen die ersten Gäste und können Sonnenuntergänge, Sternenhimmel und Sonnenaufgänge nahezu allein geniessen. Wenn es nach einem zeitigen Frühstück auf die nächste Etappe geht, sind die Bergpfade noch einsam, denn im Tal warten die Tagesausflügler noch auf die erste Gondel.
In der Schweizer Jungfrauregion beispielsweise führt eine aussichtsreiche Wandertour mit Etappen zwischen fünf und 12 Kilometern von der Grossen Scheidegg oberhalb des weltweit bekannten Orts Grindelwald über das Berghotel First zum Faulhorn auf 2.681 m. Von hier aus eröffnet sich ein 360° Blick auf die berühmten Berge Eiger, Mönch und Jungfrau. Wenn die Tagesgäste den Rückweg antreten, trifft man sich im gemütlichen Restaurant, wartet auf den Sonnenuntergang und verschwindet zeitig im Bett. Früh aufstehen lohnt sich, denn am nächsten Morgen taucht die Sonne die verschneiten Gipfel langsam in ein rosafarbenes Licht, das nur Mehrtageswanderer aus dieser Perspektive sehen können. Am letzten Tag lockt der schönste Abschnitt für Aktivurlauber, die für diese Etappe jedoch trittsicher sein sollten. Über gut gekennzeichnete und zunächst noch einsame Wege geht es bis zur Schynigen Platte. Den Auf- und Abstieg zum Start und Ziel erleichtern übrigens historische Zahnradbahnen oder Gondeln der Jungfraubahnen.
Training im Vorfeld sinnvoll
Auf eine Mehrtageswanderung in den Alpen sollten sich Urlauber vorbereiten und ihre Kondition – falls nötig – verbessern. Wer mehr als 1.000 Höhenmeter pro Tag und längere Etappen von über 10 km plant, beginnt am besten frühzeitig mit dem Training. "Rund drei Monate vor der geplanten Tour sollte man zwei- bis dreimal pro Woche ein mindestens zweistündiges Ausdauertraining absolvieren", rät Marco Bomio aus Grindelwald, der bereits seit 1979 als Bergführer die Gipfel erklimmt. "Am effizientesten ist es, bergauf zu wandern auf bis zu 600 Höhenmeter." Sind einfachere Touren mit weniger Höhenmetern pro Tag geplant, reicht moderateres Training aus.
Wer im Flachland wohnt, unternimmt längere Wanderungen in der Ebene. Treppensteigen stärkt die benötigten Muskeln. Insbesondere Oberschenkel und Waden werden beim Auf- und Abgehen beansprucht. Beim Training kann auch die Wandertechnik verbessert werden. "Im steileren Gelände und bei ruppigen Wegen kurze Schritte machen und den Schwerpunkt des Körpers immer schön über den Füssen behalten", betont der Guide. "Das gilt auch für den Abstieg."
Den Rucksack richtig packen
Bei einer Tour von Hütte zu Hütte müssen Wanderer das gesamte Gepäck selbst tragen und sollten daher nur das Nötigste mitnehmen. Sinnvoll ist das Einkleiden im "Zwiebellook". Neben Funktionsunterwäsche und -shirts bieten sich Wanderhosen an, die per Zip-Off schnell von der langen zur kurzen Hose gewandelt werden können. Für kühlere Temperaturen ist ein Fleece hilfreich. "In den Höhenlagen der Alpen benötigt man immer einen guten Regen- und Windschutz", rät Marco Bomio. Denn auf 2.000 Höhenmetern ist die Temperatur durchschnittlich zehn Grad niedriger als unten im Tal. "Ausserdem kann sich das Wetter am Berg sehr schnell ändern."
Einsteiger sollten den Rucksack bereits zu Hause zur Probe bepacken. "Unerfahrene Mehrtageswanderer nehmen immer zu viel mit", weiss der Bergführer. Oftmals sind es zu viele Ersatzkleider, zu viel Zwischenverpflegung, zu viele Toilettenartikel. "Dabei sollte ein Dreitagesrucksack nicht schwerer als sechs Kilo sein." Das lässt sich zu Hause sehr gut ausprobieren, zu berücksichtigen ist noch ausreichend Wasser für unterwegs, denn nicht auf jeder Etappe gibt es Einkehrmöglichkeiten.
Auf Bergwegen sind gut sitzende Wanderschuhe am besten mit hohem Schaft unerlässlich. Diese müssen bereits auf vorherigen Wanderungen gut "eingelaufen" sein. Auf keinen Fall sollte man sich mit neuen Schuhen auf den Weg machen.
Beispiel: Rucksack-Packliste für eine Dreitageswanderung
- Hardshell- oder Regenjacke
- warme Fleecejacke
- 2-3 atmungsaktive Shirts oder Wanderhemden
- 1 Wanderhose zum Wechseln, am besten mit Zipp-Off-Beinen
- Funktionsunterwäsche zum Wechseln und Wandersocken
- Mütze / Kappe, Sonnencreme und Sonnenbrille
- Wanderstöcke
- Kartenmaterial
- Handy mit Ladekabel, evtl. Kamera
- Erste-Hilfe-Set fürs Wandern inkl. Blasenpflaster
- Taschentücher
- Trinkflasche oder -system mind. 1,5 l
- Energieriegel o.ä.
- Taschenmesser
Für die Übernachtung auf der Hütte (vorher informieren, da einige Dinge auf den Hütten bereitgestellt werden):
- Flip-Flops oder leichte Hausschuhe für die Hütte
- Hüttenschlafsack und Kissenbezug (wird meist nur im Matratzenlager gefordert)
- Schnell trocknendes, kleines Handtuch
- Ohrstöpsel
- Kleiner Kulturbeutel (sinnvoll sind kleine Grössen von Zahnpasta, Shampoo und Duschgel)
- Geld, Kreditkarte etc. sowie Dinge des persönlichen Bedarfs
- Taschenlampe
- Plastikbeutel für Wäsche und Abfall
- Buch
Übernachtungen auf der Hütte sollten in der Hochsaison im Voraus gebucht werden. Das gilt insbesondere für Zweibett- und Doppelzimmer. Ein Hüttenschlafsack ist zum Teil Pflicht, kann aber ausgeliehen werden. Auskünfte dazu gibt es zumeist auf den Webseiten der Hütten oder unter info@grindelwald.swiss.
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