Der kreative Wirbelwind Elon Musk will mit seiner Idee einer Magnetschwebebahn in einer Vakuumröhre das Transportwesen revolutionieren. Ende Juli liess er Studententeams gegeneinander antreten, darunter auch zwei aus der Schweiz. Doch neu ist die Idee nicht: Bereits 1974 wurde in der Schweiz mit Swissmetro ein ähnliches Projekt lanciert. Könnte es nun zu einer Neuauflage kommen?
"Seit Februar hatte ich keinen freien Tag mehr", sagt Denis Tudor auf dem Campus der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL), kurz bevor er nach Los Angeles fliegt. Man sieht es ihm nicht an, der 23-jährige Doktorand in Elektrotechnik wirkt hellwach und topmotiviert.
Tudor ist technischer Leiter des Teams "EPFLoop", das am 22. Juli 2018 im kalifornischen Hawthorne in der dritten Ausgabe der Hyperloop Pod Competition der Raumfahrt-Firma SpaceX den dritten Platz erringen konnte.
Gewonnen hat das Rennen wie im Jahr zuvor das Team der Technischen Universität München ("WARR Hyperloop"), dessen Pod mit 457 km/h durch die 1,5 km lange Vakuumröhre auf dem Testgelände raste. Der zweite Platz ging an die niederländische Universität Delft. Ein grosser Erfolg für die europäischen Universitäten, die unter den 18 Teilnehmenden in der Minderheit waren.
Nicht aufs Podest schaffte es diesmal das zweite Schweizer Team "Swissloop" der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH), das letztes Jahr auf Platz drei gefahren war.
Zwar seien die Probeläufe vielversprechend verlaufen, doch sei bei einem Vakuumkammer-Test ein Problem mit dem Motorregler aufgetreten, was dazu führte, dass die Hochleistungs-Batterien einen Kurzschluss erlitten haben und nicht mehr zu reparieren gewesen seien, schrieben sie in einer Mitteilung.
Alte Idee neu aufgegleist
Hinter dem Studententeam-Wettbewerb steht der US-Unternehmer
Wenn das System funktioniert, könnte Hyperloop den Transport am Boden revolutionieren. "Es ist sicherer, schneller, unabhängig von Wasser oder Wetter. Und es kann Menschen über grosse Distanzen in sehr kurzer Zeit zusammenbringen", fasst Denis Tudor die Idee zusammen. Der Rumäne war vom ersten Tag an begeistert und machte zuvor bereits zwei Mal mit US-Studententeams erfolgreich beim Wettbewerb mit.
Schade findet er allerdings, dass beim Pod-Rennen in Kalifornien der Aspekt der Magnetschwebetechnik (Maglev) nur noch am Rand eine Rolle spielt. "Leider geht es beim Wettbewerb nicht mehr wirklich um die Hyperloop-Idee, sondern nur noch ums Tempo", bemängelt er.
Auch das ETH-Team findet die so genannte Levitation, das Schweben auf einem Luftkissen mithilfe von Magneten, zentral für die Hyperloop-Idee. "Wir möchten sicher in einem weiteren Verlauf – nicht unbedingt im Rahmen der Competition – ein System entwickeln, das schweben kann", sagt Cassandra Hänggi, Kommunikationsverantwortliche des Teams, in ihrem Büro in Zürich, bevor auch sie in die USA fliegt.
"Das Einzige, was der Wettbewerb noch mit der ursprünglichen Idee gemeinsam hat, ist die Vakuumröhre", sagt auch Marcel Jufer, Titularprofessor für Fahrzeugsystemtechnik an der EPFL. Die meisten Studententeams hätten denn auch lediglich "ein elektrisches Fahrzeug auf Rädern benutzt", sagt der Berater des Teams "EPFLoop".
Neue Chance für Projekt Swissmetro?
Musks Idee des Hyperloops ist auch deshalb nicht neu, weil in der Schweiz bereits vor Jahrzehnten ein ähnliches Projekt diskutiert wurde, die Swissmetro. Marcel Jufer war damals Promotor der Idee einer pfeilschnellen Magnetschwebebahn in Tunnels unter der Schweiz hindurch, die 2009 an der Finanzierung gescheitert ist.
Seit Musks Initiative spürt Jufer wieder etwas Rückenwind. "In der Schweiz ist es unmöglich, neue Bahnstrecken zu bauen: Opposition, Bodenpreise, die Schwierigkeit, durch Städte zu bauen, usw.", gibt Jufer zu bedenken. "Wenn wir schneller fahren wollen, braucht es ein neues Transportsystem. Und das ist nur möglich im Untergrund". Als optimale Geschwindigkeit in den Vakuumröhren erachtet er zwischen 400 und 500 km/h. Eine höhere Geschwindigkeit mache wegen der kurzen Distanzen in der Schweiz keinen Sinn.
"Es ist gut, das Interesse bei jungen Ingenieuren zu wecken und so das Thema aktuell zu halten und wieder Begeisterung dafür zu wecken – in Industrie und Forschung, aber auch in der Bevölkerung", sagt Silvio Foiera. Der Generalsekretär der Interessengemeinschaft "SwissMetro-NG" (NG = Nächste Generation) setzt sich zusammen mit einem Kollegen aus gemeinsamen ETH-Zeiten dafür ein, das Projekt des superschnellen Personentransports wieder auf die politische Agenda zu bringen.
Die Kapazitäten des Schweizer Schienennetzes seien teilweise schon heute am Anschlag, Störungen würden sich mehren, so Foiera. Prognosen sagten voraus, dass sich das Passagieraufkommen bis 2040 verdoppeln werde. "Wir steuern auf einen Engpass zu, der mit gängigen Technologien oder mehr vom Gleichen nicht mehr zu lösen ist", warnt er.
Nun liege es an der Politik, "ob man bereit ist, auch neue Wege zu gehen. Das haben wir angestrebt, indem wir in der Vernehmlassung zum Ausbauschritt der Bahninfrastruktur 2030/35 eine Machbarkeitsstudie gefordert haben. Ob das Sinn macht für die Schweiz, auch raumplanerisch."
Oder eher eine Güterschnellbahn?
Kleinere Brötchen backen wollen die Studierenden der beiden Technischen Hochschulen. Beide Teams haben angekündigt oder sprechen zumindest davon, den Gütertransport in der Schweiz revolutionieren zu wollen. "Das wäre dann ein kleiner Hyperloop, eine kleine, unterirdische Vakuumröhre, welche die grösseren Ballungszentren der Schweiz unterirdisch verbinden könnte", sagt Gabriela Fernandes, zuständig für Finanzielles und Sponsoring bei "Swissloop".
Den Einwand, mit der unterirdischen Güterbahn Cargo Sous Terrain (CST) sei in der Schweiz bereits ein ähnliches Projekt in Planung, kontert Fernandes: "Für einen Grossteil des Gütertransports würde CST Sinn machen, weil es nicht schnell gehen muss. Bei Sendungen aber, die schnell geliefert werden müssen – 'same day delivery' oder innerhalb weniger Stunden –, deckt CST den Bedarf nicht ab. Die zwei Ansätze für den Güterverkehr könnte man verbinden, so dass man ein schnelleres und ein langsameres System hätte."
Auch Denis Tudor von "EPFLoop" hat den Traum, in der Schweiz eine Infrastruktur zu bauen. "Der beste Weg wäre, mit Gütern anzufangen und alle kritischen Parameter im Vakuum zu prüfen. Und dann kann man die Infrastruktur für Personentransport umdenken."
Marcel Jufer allerdings sieht wenig Sinn in einer superschnellen Güterbahn. "Ich kann mir vorstellen, dass es interessant sein könnte, ein schnelles Transportsystem für Güter zum Beispiel zwischen Los Angeles und New York zu haben. Aber nicht in der Schweiz."
Bald eine Schweizer Teststrecke?
Ob nun Güter- oder Personentransport, bald sollen europäische Forschende sollen ihre Pods zum Testen nicht mehr in die USA transportieren müssen. Denn Interessierte sollen bald vielleicht sogar in der Schweiz eine längere Teststrecke benutzen können. Ein solches Projekt verfolgen zumindest die Initianten von "EuroTube".
Die Gründer von "Swissloop", Doré de Morsier, und "WARR Hyperloop", Mariana Avezum, planen eine 3 km lange Teststrecke für sechs Jahre. Auch ihnen fehlten "beim Format von Elon Musk einige Kernaspekte für eine nachhaltige Entwicklung der Technologien für Vakuum-Maglev-Transport, besonders in Europa", schreibt de Morsier in einer schriftlichen Antwort.
In der Walliser Gemeinde Collombey-Muraz sowie einem weiteren, "noch nicht bekannt gegebenen Standort, wird eine temporäre Baubewilligung der Testinfrastruktur verfolgt, zu der noch dieses Jahr wichtige Entscheidungen gefällt werden sollen", so de Morsier. Nach Erhalt einer Bewilligung rechnet das interdisziplinäre Team von Forschenden, Ingenieurinnen und Ingenieuren der ETH und der EPFL mit einer Bauzeit und Inbetriebnahme von einem bis zwei Jahren. Finanziert werde die Forschungsplattform unter anderem über Forschungsgelder und Industriepartner sowie durch private Gönner und Mäzene. © swissinfo.ch
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