Westerland (dpa) - Alexander Schick deutet auf eine Radfahrerin in der Fussgängerzone. Sie müsste hier eigentlich schieben. "Wenigstens fährt sie langsam. Einige sind ziemlich schnell unterwegs", sagt Schick, der ein Kinderbekleidungsgeschäft in der Friedrichstrasse am Ende der Fussgängerzone betreibt.

Mehr zum Thema Reise

An seinem und anderen Geschäften würden Radfahrer häufig so dicht vorbeifahren, dass er vor allem für kleine Kinder und Ältere eine Gefahr sieht. Dass das Radfahren in der Fussgängerzone verboten ist, stört viele nicht. Sie fahren trotzdem.

"Ist doch gerade nichts los", so das Argument zweier Urlauber am Morgen. Doch auch gegen Mittag, als es voll wird auf Westerlands Flaniermeilen, sind Urlauber ebenso wie Insulaner teils flott mit ihren Zweirädern unterwegs. Dass die Gemeinde Sylt jetzt das Radfahren zu bestimmten Zeiten erlauben will, ist vielen ein Dorn im Auge.

Bürgermeister Nikolas Häckel erläutert die Idee hinter der Freigabe. "Es geht darum, die Radfahrer in der Lieferverkehrszeit auch fahren zu lassen. Wie wollen wir denn argumentieren, dass Autos fahren dürfen und Radler nicht? Da machen wir uns doch unglaubwürdig", sagt der Verwaltungschef. Deshalb sollen sich künftig in der Zeit zwischen 21.00 Uhr und 10.00 oder 11.00 Uhr morgens, das wird noch diskutiert, Radfahrer und Fussgänger die Flaniermeile teilen. Häckel sieht die Massnahme als einen Baustein, das Radfahren auf Sylt zu fördern.

Alexander Schick kann das ebenso wenig nachvollziehen wie andere Fussgänger und Unternehmer. "Geht gar nicht", "Dazu sind die Fussgängerzonen im Sommer zu voll", "Auf keinen Fall", hört man aus der Friedrichstrasse. Einige Urlauber sehen das gelassener. Ein Gast aus Bielefeld begrüsst die eingeschränkte Erlaubnis für Radler. Eine aus Wien angereiste Urlauberin findet es im Sommer zu voll dafür. "In der Nebensaison ist das sicher eher möglich", findet sie.

Das Miteinander zwischen Radfahrern und Fussgängern läuft auf den Nachbarinseln unterschiedlich. In Wyk auf Föhr gilt seit 2007, was die Gemeinde Sylt jetzt einführen will: eine teilweise Freigabe der Fussgängerzone. Zwischen 22.00 und 11.00 Uhr darf geradelt werden. Allerdings nur bis zur Musikmuschel, bevor es leicht abschüssig zur Strandpromenade geht. Ab da herrscht Fahrverbot. Wyks Bürgermeister ist damit nicht glücklich. "Wir haben schlechte Erfahrungen mit dieser Regelung gemacht", so Paul Raffelhüschen.

Vor allem das Verbot ab der Musikmuschel sei kaum zu vermitteln. "Ich bekomme zunehmend Mails von Urlaubern, die sich über rücksichtslose Radfahrer beschweren", erzählt der Bürgermeister. Es sei auch schon zu Unfällen gekommen. Kontrollen gestalteten sich schwierig. "Die Polizei hat die Kapazität nicht und der Tourismus-Service darf nur im ruhenden Verkehr eingreifen", erklärt Raffelhüschen.

In Nebel auf Amrum indes gibt es überhaupt keine Regelung - hier vertraut man auf ein rücksichtsvolles Miteinander, sagt Bürgermeister Bernd Dell-Missier. "Der Verkehr hat zwar zugenommen und der Rad fahrende Gast fühlt sich mitunter etwas eingeengt. In Nebel beobachte ich aber ein gutes Miteinander. Regelungen würden die Situation nur verschlimmbessern", betont Dell-Missier. Allerdings, räumt er ein, sei die Situation in Nebel nicht mit Westerland vergleichbar.

Dort muss die Polizei regelmässig eingreifen. Viele sind nach Angaben des Chefs der Sylter Polizei, Dieter Johannsen, nicht zu bekehren: "Pro Jahr verhängen wir mehrere 100 Mal ein Verwarnungsgeld." Viele Insulaner sind der Meinung, dass eine eingeschränkte Fahrerlaubnis die Situation in den Fussgängerzonen nur schlimmer macht. Schon jetzt kommt es immer mal wieder zu Zusammenstössen bzw. Beinahe-Unfällen. Alexander Schick spricht sich deshalb für ein striktes Fahrverbot in der Fussgängerzone aus. "So könnte man vermitteln: Radfahrer, ihr seid auf Sylt herzlich willkommen und es ist toll, dass ihr das Auto stehen lasst. Aber schiebt eure Räder doch bitte da, wo Fussgänger laufen."  © dpa

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.