In den USA hat der Tod eines Piloten (57) im Cockpit für Schlagzeilen gesorgt, möglicherweise war eine Herzerkrankung die Ursache.
Markus Wahl (36), Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, sagt, Piloten seien gesünder als der Durchschnitt der Bevölkerung. Trotzdem sind solche Vorfälle auch künftig nicht völlig auszuschliessen.
Herr Wahl, können Sie sich an den letzten Todesfall eines Piloten in einem Cockpit unter solchen Umständen erinnern?
Markus Wahl: Das hat es bestimmt schon mal gegeben. Aber das müsste ich selbst erst recherchieren. Dass ein Pilot über Unwohlsein klagt, etwa wegen Magen-Darm-Problemen, und der Copilot übernimmt, kommt gelegentlich vor. Aber ein Todesfall ist eine absolute Seltenheit.
Wie belastend ist der Beruf für Körper und Psyche?
Fliegen ist sehr spezifisch und punktuell fordernd. Das ist nicht vergleichbar mit einem Bergmann oder Schwerarbeiter. Zum einen ist da die Verantwortung über Hunderte von Menschenleben, was gerade bei Start und Landung grossen Stress mit sich bringt. Zum anderen erleben die Piloten Schichtarbeit, ständige Klimawechsel und müssen die zunehmend technisierten Cockpits perfekt beherrschen. Das ist alles sehr fordernd.
Der Pilot in den USA soll laut Medienberichten zwei Bypass-Operationen hinter sich gehabt haben. Ist das nicht ein Ausschlusskriterium fürs Fliegen?
Ich gehe davon aus, dass der Mann sehr genau von einem Fliegerarzt untersucht worden ist und für flugtauglich erklärt wurde. Wäre das Risiko zu gross gewesen, hätte man ihn ganz sicher nicht fliegen lassen. Ich würde aber zunächst die Untersuchungsergebnisse abwarten. Grundsätzlich sind die meisten Herzerkrankungen natürlich ein Grund für eine Fluguntauglichkeit. Da gibt es weltweit keine Unterschiede.
Was sind weitere Krankheiten, die Piloten nicht haben dürfen?
Sie müssen keine Marathonläufer, aber überdurchschnittlich gesund sein. Und das sind sie auch im Vergleich zum Rest der Bevölkerung, wie Untersuchungen zeigen. Mit Kreislauferkrankungen, psychischen Erkrankungen sowie mit sehr schlechtem Seh- und Hörsinn oder Farbenblindheit dürfen sie nicht fliegen. Epileptiker sind wie Menschen, die Probleme mit der kognitiven Verarbeitung haben, ebenfalls ausgeschlossen. Die Liste ist sehr lang.
Wie wird das überprüft?
Es gibt den sogenannten "Medical", eine medizinische Eignungsprüfung, der sich Piloten jährlich, mit dem Alter dann halbjährlich unterziehen müssen. Die Überwachungsrate ist also sehr hoch. Die Kriterien der Untersuchung legt die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) fest, der örtliche Fliegerarzt führt die Untersuchung durch. Bei Privatpiloten sind die Kriterien übrigens nicht ganz so hoch.
Im Fall des abgestürzten Germanwings-Fluges hatte der Copilot Andreas Lubitz eine Erkrankung verschwiegen, wohl aus Angst, seinen Beruf zu verlieren. Ist das Thema ein Tabu im Cockpit, immerhin droht der Verlust des Jobs?
Sie können nie ausschliessen, dass so etwas verschwiegen wird. Aber ich würde nicht sagen, dass das ein Tabu unter Piloten ist. Sie werden ja gerade deswegen ausgewählt, weil sie imstande sind, die Verantwortung für viele Menschen zu übernehmen. Dazu gehört es auch, sie im Fall der eigenen Erkrankung keinem Risiko auszusetzen.
Trotzdem hat Lubitz Kollegen und Arbeitgeber getäuscht – mit tödlichen Folgen. Was kann getan werden, um so etwas künftig zu verhindern?
Das Bewusstsein, sich freiwillig Hilfe zu holen, muss noch grösser werden. Es muss alles dafür getan werden, dass sich Piloten guten Gewissens den Fliegerärzten anvertrauen können. Ohne gleich Angst zu haben, ihren Job zu verlieren. Für die Piloten sollte es selbstverständlich sein, dass es jemanden gibt, der ihnen hilft. Es braucht ein Umfeld, dem man sich zu 99,9 Prozent anvertrauen kann.
In den USA hat der Copilot das Flugzeug nach dem jüngsten Todesfall sicher gelandet. Gibt es durch die zunehmende Technisierung im Cockpit eigentlich mehr Stress als früher?
Die Automatisierung hilft, aber sie macht das Fliegen auch viel komplexer. Man kennt es ja aus dem Auto: Einen alten Käfer konnte man notfalls mit der Damenstrumpfhose reparieren, heute soll man am besten sofort rechts ran fahren, wenn eine Lampe blinkt. Und im Flugzeug ist alles noch 1.000 Mal komplexer. Das ist Segen und Fluch sogleich. Die Automatisierung kann mehr Stress verursachen.
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