Nach der plötzlichen Massenerkrankung des fliegenden Tuifly-Personals haben frustrierte Fluggäste eine Prozesswelle gestartet. Nun gibt es erste Urteile. Doch das Gesamtbild ist nach wie vor uneinheitlich.

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Erste Erfolge für geschädigte Fluggäste: Nach dem Chaos um ausgefallene und verspätete Flüge im vergangenen Herbst muss die Airline Tuifly zwei Klägern Entschädigungen zahlen. Das entschied Richterin Catharina Erps am Mittwoch im Amtsgericht Hannover. Ein Rentnerpaar aus Bergisch Gladbach hat demnach Anspruch auf 800 Euro Entschädigung, weil ihr Rückflug von Kos nach Deutschland fast vier Stunden Verspätung hatte. Neben Zinsen muss die Tuifly auch die Kosten des Rechtsstreits übernehmen. Eine fünfköpfige Familie aus Celle bekommt statt der geforderten 4.000 Euro von Tuifly aber nur 2.000 Euro, weil ihre Reise ganz abgesagt wurde und sie sich damit nur beschränkt auf die EU-Fluggastrechteverordnung berufen konnte.

Sie hat zudem gegen den Reiseveranstalter Tui geklagt und somit Chancen, auch den Restbetrag noch vor Gericht einzuklagen. Einer der Kläger-Anwälte der am Mittwoch entschiedenen Fälle, Paul Degott aus Hannover, betonte: "Die Entscheidungen haben eine gewisse Signalwirkung". Bisher wollte die zum weltgrössten Reisekonzern Tui gehörende Tuifly die betroffenen Urlauber nicht auf Basis der Fluggastrechteverordnung entschädigen, da es die massenhaften Krankmeldungen von Crews im Herbst 2016 als wilden Streik wertete. Die Richterin dagegen betonte, das sei nicht hinlänglich bewiesen. Tuifly erstattet nur den Reisepreis und macht höhere Gewalt geltend.

Ein Sprecher der Tui Deutschland betonte mit Hinweis auf zwei frühere Urteile zu Gunsten des Unternehmens: "Wir werden zunächst wohl immer ein uneinheitliches Bild haben, bleiben aber bei unserer Linie: Wir wollen ein Gefühl dafür bekommen, wie die Amtsrichter das in Summe bewerten." Damit sind in erster Instanz vier von voraussichtlich über 1000 Verfahren entschieden. Rund 700 Zivilverfahren sind allein in Hannover anhängig. Verhandelt wurden bundesweit 30 Fälle; viele Amtsrichter hätten dabei signalisiert, dass sie der Linie des Unternehmens folgen wollten, sagte Tui-Deutschland-Kommunikationschef Mario Köpers. Bei den jüngsten Entscheidungen werde Berufung geprüft.

Hintergrund der Verfahren: Im Herbst 2016 hatten viele Piloten und Flugbegleiter die Arbeit niedergelegt. Zuvor war bekanntgeworden, dass Tuifly unter Führung der arabischen Fluglinie Etihad mit der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki in eine Holding integriert werden soll. An mehreren Tagen fielen reihenweise Flüge aus. Tui musste rund 3000 Reiseverträge kündigen, die meist mehrere zusammen reisende Personen betrafen. Die Flugausfälle im Oktober 2016 kosteten den Reisekonzern 22 Millionen Euro - darin sind die möglichen Kosten für den Rechtsstreit noch nicht eingerechnet. Die Prozessgegner gehen davon aus, dass er durch mehrere Instanzen gehen wird.  © dpa

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