Das Telekommunikationsunternehmen Sunrise überarbeitet sein Mobilfunknetz: 5G pur soll einige Vorteile mit sich bringen. Mobilfunkkunden können sich über besseren Empfang und eine stabilere Verbindung freuen.
Sunrise löst beim 5G-Netz die Handbremse. Das Unternehmen bringt als erster Mobilfunkanbieter der Schweiz 5G pur: Das heisst, das 5G-Netz wird vom 4G-Netz entkoppelt, das bisher die Steuerung übernommen hat.
Damit brauchen die Handys weniger Batterie und die Reaktionszeit wird kürzer. Zudem werde die Netzabdeckung von 5G besser, teilte Sunrise am Freitag in einem Communiqué mit. Dies mache sich gerade in Innenräumen bemerkbar. Ausserdem können sich mehr Geräte mit einer Antenne verbinden.
Möglich wird dies durch die Entkoppelung von 4G und 5G. Bisher steuert 4G die mobilen Datenverbindungen von 5G. Das Handy verbindet sich dabei zuerst mit der 4G-Station auf einer Antenne und erst dann mit 5G.
Dadurch können einige 5G-Funktionalitäten nicht angeboten werden, die eigentlich bei der Einführung der fünften Mobilfunkgeneration versprochen wurden. So ist die Reaktionszeit beim bisherigen 5G langsamer als es technisch möglich wäre. Hier bremst die Verknüpfung mit 4G. Darüber hinaus sind bei dieser Kombination das Herunterladen und Verschicken von Daten nicht möglich, während man telefoniert.
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Stabilere Verbindungen durch 5G pur
Bei 5G pur (im Fachjargon 5G Standalone genannt) übernimmt neu das 5G-Kernnetz die Steuerung der Daten- und der Telefonverbindungen. Damit können die Nutzer neu auch über 5G telefonieren, was bisher nur mit 4G möglich ist. Dadurch seien die Verbindungen stabiler und 5G-Datenverbindungen würden bei einem Anruf nicht mehr blockiert, schrieb Sunrise.
Zudem wird der 5G-Empfang in Innenräumen besser. Weil die Notwendigkeit einer Signalisationsverbindung über 4G entfalle, könne das volle Potenzial der Frequenzen genutzt und gleichzeitig die Reichweite gesteigert werden.
Auch halten die Akkus der Smartphones dadurch länger: Beim bisherigen 5G verbinden sich die Geräte gleichzeitig via 4G und 5G. Diese Doppelverbindungen benötigen mehr Strom und entladen die Akkus der Geräte schneller. Bei 5G pur werde keine Verbindung über 4G aufgebaut, hiess es. Alle Verbindungen laufen ausschliesslich über 5G, was den Stromverbrauch senkt. "Eine Akkuladung hält circa 10 bis 20 Prozent länger", schrieb Sunrise.
Feuerwehr und Polizei könnten sicherer kommunizieren
Mit 5G kann ausserdem das Mobilfunknetz in "Scheiben" aufgeteilt werden, was vor allem für Geschäftskunden interessant ist. Damit könnten beispielsweise Blaulicht-Organisationen wie Polizei oder Feuerwehr eigene Kapazitäten im Mobilfunknetz erhalten. Dies verhindert gerade bei Massenveranstaltungen, dass ihre Datenverbindungen ruckeln oder blockiert sind, weil das Handynetz überlastet ist.
Oder Industrieunternehmen können eine eigene Netzwerktranche erhalten, die in Bezug auf eine tiefe Latenzzeit oder hohe Zuverlässigkeit optimiert ist. Damit lassen sich beispielsweise autonome Fahrzeuge oder Roboter betreiben, die eine schnelle Reaktionszeit benötigen.
Ein weiterer Vorteil ist, dass Firmen mit 5G pur Strom sparen. Denn der Energieverbrauch pro übermittelter Megabyte Daten ist bei 5G pur geringer als beim bisherigen 5G, das sich auf 4G abstützt.
Softwareupdate notwendig
Die Vorteile von 5G pur sind allerdings nicht sofort für alle Mobilfunkkunden mit einem 5G-fähigen Handy nutzbar. Denn die Smartphones brauchen ein Update der Software durch die Hersteller. Das könnte noch etwas dauern.
Beim Mobilfunknetz benötigt die Aufschaltung von 5G pur eine Neukonfiguration, damit der 5G-Verkehr über das 5G-Kernnetz gesteuert wird und die Steuerung und Signalisation nicht mehr über das 4G-Kernnetz erfolgt.
Ohne 4G geht es trotzdem nicht
Dennoch könne man noch nicht auf 4G verzichten, sagte Sunrise-Technikchef Elmar Grasser auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP: "Die 5G-Nutzung nimmt zwar laufend zu, aber rund 70 Prozent des gesamten Datenverkehrs läuft noch über 4G."
Mit der Aufschaltung von 5G pur ist Sunrise derzeit noch alleine. Salt und die Swisscom verwenden beide noch 5G, das über 4G gesteuert wird. Für Privatkunden sind die Vorteile eines eigenständigen 5G-Netzes derzeit nicht ausschlaggebend, da es aktuell keinen unmittelbaren Bedarf für die Verbesserungen bei Netzstabilität und Latenz gebe, sagte eine Salt-Sprecherin.
Derweil testet Branchenprimus Swisscom 5G pur in Feldversuchen. "Wir machen derzeit keine Angaben zum Zeitpunkt der Einführung von 5G Standalone", sagte ein Sprecher. (SDA/bearbeitet von amb)