Das Drehbuch zu seinem neuen Film "The Last Screenwriter" hat der Schweizer Erfolgsregisseur Peter Luisi nicht selber geschrieben. Verfasserin ist eine Künstliche Intelligenz (KI). Die Aufregung ist gross. Die Premiere wurde abgesagt. Doch Luisi will die Diskussion.

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Peter Luisi hat gerade erst mit "Bon Schuur Ticino" in der Schweiz für Furore gesorgt. Und schon hat er einen neuen Film gemacht: "The Last Screenwriter". Hier beginnt bereits die Diskussion. Denn das Drehbuch hat er eine Künstliche Intelligenz verfassen lassen. Ist der Film dann überhaupt von ihm?

Premiere hätte der Film im Prince Charles Cinema in London feiern sollen. Aber das Kino reagierte reserviert. Die Gäste waren eingeladen – dann strich der Veranstalter kurzfristig die Vorführung.

Kontroverses Thema, sensibler Zeitpunkt

"Von Anfang an war mir bewusst, dass es um ein kontroverses Thema zu einem sensiblen Zeitpunkt geht und dass das nicht spurlos an den Menschen vorbeigehen wird", sagt Luisi im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Dennoch zeigt er sich überrascht über das, was passiert ist. Auch über die Heftigkeit. Ein Jahr ist es her, dass in Hollywood die möglichen Risiken von KI im Mittelpunkt des Streiks der Autorinnen und Autoren stand.

"The Last Screenwriter" erzählt von einem Drehbuchautor, der feststellt, dass KI besser schreiben kann als er. Laut Luisi sei das ein Experiment. Die Geschichte "soll eine Diskussion anstossen und hat nie ein kommerzielles Ziel verfolgt".

Luisi hat für diesen Film keine finanzielle Unterstützung bekommen. Das Werk wurde mit Geldern aus der erfolgsabhängigen Filmförderung finanziert, die er für seine Komödie "Bon Schuur Ticino" erhalten hat.

Entgegen einiger Behauptungen da und dort sei nicht neu, dass das Werk ab Mitte Juli gratis via Filmwebsite zu sehen ist, sagt Luisi. "Es war immer geplant, dass der Film nach der Premiere kostenlos online zu sehen sein wird, damit er allen Interessierten frei zugänglich ist und hoffentlich Diskussionen anstösst." Auch das Drehbuch und die vollständige Dokumentation zur Entstehung werde veröffentlicht.

Luisi erzählt von ständigen Anfragen und dass er gebeten werde, als KI-Experte Stellung zu beziehen. "Ich habe aber gar keine besondere Affinität zum Thema", so Luisi. "Ich kenne mich auch nicht besonders gut aus damit. Ich war und bin einfach neugierig."

KI leistet "erstaunlich gute Arbeit"

Zum Entstehungsprozess des Films sagt der Zürcher Regisseur und Produzent: "Ich habe einen Satz zum Inhalt geschrieben und die KI dann gebeten, daraus ein Drehbuch mit Figuren und Dialogen zu schreiben." Gedreht hat Luisi auf Englisch, weil die KI in dieser Sprache "schlicht besser" ist. Vom Ergebnis sei er positiv überrascht gewesen: "Die KI hat erstaunlich gute Arbeit geleistet." Er habe das Drehbuch weitgehend übernommen, kein Wort geändert. "Ich habe nur gekürzt und eine Auswahl getroffen."

Deshalb betont er: "Ich bin nicht der Autor dieses Films." Abgesehen vom Drehbuch ist der Film entstanden wie jeder andere auch: Echte Schauspieler spielten auf einem echten Set.

Dabei ist Luisi klar, dass KI für Unruhe sorge. Es stellten sich zentrale Fragen: Braucht es uns Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren noch? Sind unsere Existenzen bedroht? Doch für Luisi sei der entscheidende Punkt, dass "Zensur der falsche Ansatz" ist. "Wenn wir uns dafür entscheiden, einfach wegzuschauen, werden KI und die damit verbundenen Möglichkeiten nicht verschwinden", sagt Luisi.

Luisi fordert Regeln und Gesetze

Er verweist auf 130 Jahre Filmgeschichte, doch nun "stehen wir an einem krassen Punkt". Möglicherweise ändere sich nun etwas fundamental: "Es ist erstmals möglich, dass ein Drehbuch für einen Langspielfilm nicht mehr zwingend von einem Menschen geschrieben sein muss." Doch Luisi, der ja selber Drehbücher schreibt, befürchtet trotzdem nicht, sich selber abzuschaffen. KI sei "ein sehr mittelmässiger Schreiber. Wer also einigermassen schreiben kann, ist in Sicherheit", gibt er sich gelassen. Aber für die Zukunft heisst das noch nichts: Er wisse nicht, "was kommt, wenn sich die KI in diesem Tempo wie bisher entwickelt".

Luisi gibt zu, dass er sich die Zeit zurückwünsche, "in der das alles kein Thema war". Doch das sei nicht möglich. "Die KI ist da, sie bleibt und sie wird uns massiv beschäftigen." Vor diesem Hintergrund drängt er darauf, dass die Diskussion geführt werde – "so oder so". Es gehe um Handfestes und Wichtiges: um Regeln, Gesetze, Urheberrechte. "Die Augen davor zu verschliessen ist für mich ein zwar verständlicher, aber ein komplett falscher Ansatz."*

*Dieser Text von Raphael Amstutz, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.  © Keystone-SDA

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