Ein neues Gel der ETH Zürich könnte die schädlichen Wirkungen von Alkohol reduzieren, indem es ihn im Magen-Darm-Trakt abbaut, bevor er ins Blut gelangt. Es könnte helfen, Alkoholmissbrauch zu bekämpfen und alkoholbedingte Todesfälle zu reduzieren.
Ein neues Gel lässt Mäuse ohne Schäden Alkohol trinken. Das von Forschenden der ETH Zürich entwickelte Mittel baut Alkohol im Magen-Darm-Trakt ab, bevor es ins Blut gelangt, wie eine am Montag im Fachblatt "Nature Nanotechnology" veröffentlichten Studie zeigt.
In Zukunft könnten soll das Gel auch bei Menschen die gesundheitsschädigende und berauschende Wirkung von Alkohol reduzieren, wie Studienleiter Raffaele Mezzenga von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (ETH Zürich) der Nachrichtenagentur Keystone-SDA erklärte. "Unsere Technologie könnte eine neuartige Lösung im Kampf gegen das weltweite Problem des Alkoholmissbrauchs bieten", sagte der Forscher.
Ohne Zwischenprodukt
Wenn Alkohol konsumiert wird, gelangt er in den Magen und den Darm, wo er in den Blutkreislauf aufgenommen wird und dann zur Leber transportiert wird. Dort wird der grösste Teil des Alkohols abgebaut. Die Leber enthält Enzyme, die Alkohol in verschiedene Substanzen umwandeln, insbesondere in sogenanntes Acetaldehyd und dann weiter in Essigsäure. Dieses Zwischenprodukt ist giftig und zerstört die Leber.
"Das Gel wandelt Alkohol in Essigsäure um, ohne Acetaldehyd zu produzieren", erklärte Mezzenga. Wird es also vor oder während dem Alkoholkonsum eingenommen, wandelt es dieses um, bevor es in den Blutkreislauf gelangt. "Wenn der Alkohol jedoch bereits im Blut ist, ist es zu spät", so der Wissenschaflter.
Für den Freizeitgebrauch
Die Forschenden sehen verschiedene Anwendungsbereiche für das Gel. Interessant ist es laut Mezzenga etwa für Menschen, die nicht auf Alkohol verzichten wollen, ihren Körper aber nicht belasten möchten und auch nicht an der berauschenden Wirkung des Alkohols interessiert sind. So könnte man damit beispielsweise ein paar Gläser Alkohol trinken und trotzdem sicher mit dem Auto nach Hause fahren.
"Wir haben in Tierversuchen nachgewiesen, dass die Verwendung unseres Gels in Kombination mit Alkohol Mäusen ein Verhalten verleiht, das dem von nüchternen Mäusen ähnelt: Sie sind wacher und aufmerksamer", sagte Mezzenga. "Wir erwarten daher auch, dass das Gel positive Auswirkungen auf die Linderung von Katererscheinungen hat."
Als Therapiemittel
Vor allem soll das Gel aber dabei helfen, die mit Alkohol in Verbidnung stehenden Todesfälle zu minimieren. "Es soll keinesfalls zu erhöhtem Alkoholkonsum anregen", stellte Mezzenga klar. Es wird geschätzt, dass übermässiger Alkoholkonsum jedes Jahr mehr als drei Millionen Menschen tötet.
"Wir haben eindeutige Beweise dafür, dass unsere Technologie die negativen Auswirkungen von Alkohol in allen Organen wie Leber, Darm usw. verringert", sagte Mezzenga. Denn neben einem niedrigeren Blutalkoholspiegel wiesen die Mäuse, denen während zehn Tagen regelmässig Alkohol verabreicht wurde, dank des Gels auch einen geringeren Gewichtsverlust, weniger Leberschäden und bessere Blutwerte auf. Auch andere Organe wie Milz oder Darm sowie das Gewebe der Mäuse wiesen deutlich weniger alkoholbedingte Schäden.
Nebenprodukt von Käseherstellung
Das Gel besteht aus einem Molkenprotein, das bei der Käseherstellung als Nebenprodukt anfällt. Dieses wurde mehrere Stunden gekocht, so dass sich daraus lange, dünne Fasern bildeten, wie die ETH in einer Mitteilung zur Studie erklärte. Fügt man anschliessend Salz und Wasser als Lösungsmittel hinzu, vernetzen sich die Fasern zu einem Gel.
Daraufhin statteten die Forschenden das Gel mit Eisen, Glukose und Gold aus. So wird eine mehrstufige Kaskade von Reaktionen ausgelöst, die am Ende Alkohol in Essigsäure verwandelt.
Bevor es für Menschen zugelassen wird, sind aber noch einige klinische Tests notwendig. "Wir planen, bald klinische Studien durchzuführen", sagte Mezzenga. Ein Patent haben die Forschenden für ihr neues Gel aber bereits beantragt. (SDA/phs)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.