Forscher haben das Erbgut von Menschen untersucht, die vor bis zu 34.000 Jahren gelebt haben. Herausgekommen sind erstaunliche Ergebnisse.

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Alte Gene beeinflussen unsere Gesundheit: In einer grossangelegten Studie untersuchte ein internationales Forschungsteam das Erbgut von Menschen, die vor bis zu 34.000 Jahren lebten. Über die Ergebnisse waren selbst die Forschenden erstaunt.

Das Team aus 175 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 22 Ländern, darunter auch aus der Schweiz, erstellte die weltweit grösste Datenbank für alte menschliche DNA.

Dafür analysierten sie die Knochen und Zähne von fast 5.000 Skeletten, von der Steinzeit über die Bronzezeit und Wikingerzeit bis weit ins Mittelalter, wie die Universitäten Cambridge (USA) und Kopenhagen (Dänemark) in einer Mitteilung schrieben. Die Resultate wurden am Mittwoch in vier Studien im Fachblatt "Nature" veröffentlicht.

MS-Risiko aus dem Osten

Eine daraus gewonnene Erkenntnis ist, dass das in Nordwesteuropa im Vergleich zu anderen Regionen erhöhte Risiko für Multiple Sklerose (MS) auf Viehzüchter zurückgeführt werden kann, die vor rund 5.000 Jahren aus dem Osten nach Europa migrierten. Denn bestimmte Gene, die das MS-Risiko erhöhen, "wanderten" laut der Analyse mit dem Hirtenvolk der Jamnaja aus der Pontokaspis, einer Region, die Teile der heutigen Ukraine, Südwestrusslands und Westkasachstans umfasst, nach Nordwesteuropa.

MS ist eine Erkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise die "Isolierung" um die Nervenfasern von Gehirn und Rückenmark angreift. Die Forschenden vermuten, dass die Gene, die eine Erkrankung an MS begünstigen, den Hirten einen Überlebensvorteil verschafft haben könnten – höchstwahrscheinlich, indem sie sie vor Infektionen durch ihre Schafe und Rinder schützten.

"Diese Ergebnisse haben uns alle verblüfft. Sie bedeuten einen enormen Fortschritt in unserem Verständnis der Evolution von MS und anderen Autoimmunerkrankungen", wurde Studienautor William Barrie von der Universität Cambridge in der Mitteilung zitiert.

Hirten machen Europäer gross

Auch auf die Jamnaja zurückgeführt werden kann laut der Analyse der Grössenunterschied zwischen Menschen in Nordwest- und Südeuropa. So brachte der Einfluss der Hirten, der in Nordwesteuropa viel stärker ist als in Südeuropa, die genetische Prädisposition für eine grössere Körpergrösse.

Ausserdem konnten Forschende in einer am Mittwoch publizierten Studien weitere Zusammenhänge zwischen alten Vorfahren und modernen Merkmalen aufgezeigt. So bringen die Forschenden beispielsweise genetische Varianten, die mit dem Risiko für Diabetes Typ-2 und Alzheimer in Zusammenhang stehen, mit der Abstammung von westlichen Jägern und Sammlern in Verbindung.

Die DNA-Analyse der prähistorischen Bewohner Eurasiens hat ausserdem gezeigt, dass die Laktosetoleranz – die Fähigkeit, den Zucker in Milch und anderen Milchprodukten zu verdauen – vor etwa 6.000 Jahren in Europa entstanden ist. Die Fähigkeit, auf einer gemüsereichen Ernährung besser zu überleben, wurde den Genen der Europäer am Anfang des Neolithikums vor etwa 5.900 Jahren eingeschrieben.

Datensatz für die Zukunft

Die am Mittwoch publizierten Resultate beziehen sich noch nicht auf alle 5.000 analysierten Genome, wie Studienleiter Eske Willerslev von der Universität Kopenhagen (Dänemark) an einer Medienkonferenz zur Studie sagte. Die veröffentlichten Studien zeigen laut Willerslev, wie diese Gen-Daten genutzt werden können.

In Zukunft sollen laut dem Forscher weitere Analysen mit den alten Genen stattfinden. Sie sollen etwa mehr über die genetischen Marker von Autismus, ADHS, Schizophrenie, bipolaren Störungen und Depressionen enthüllen.(SDA/tas)

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