"Immortals" ist ein berührender und bildstarker Film über das Leben im Irak nach den Protesten von 2019. Der Dokumentarfilm ist nun in den Deutschschweizer Kinos zu sehen.

Mehr Schweiz-Themen finden Sie hier

Ende Januar erhielt "Immortals" den mit 60'000 Franken höchstdotierten Filmpreis der Schweiz, den "Prix de Soleure" an den Solothurner Filmtagen. "Ein wilder Film", wie es an der Verleihung hiess. Realisiert hat ihn die in Zürich und Berlin lebende Maja Tschumi.

Der Dok spielt in Bagdad und fängt die Stimmung nach den Protesten von 2019 und 2020 ein. Eine der zwei Hauptfiguren des Films ist Milo. Vor einiger Zeit hat sie gemerkt: Wenn sie als Mann wahrgenommen wird, geniesst sie Privilegien, die ihr als Frau verwehrt sind. Darum trägt Milo ihr Haar kurz und geht in weiter Kleidung durch die irakische Hauptstadt. Erst auf den zweiten Blick merkt man, dass sich unter der Hygienemaske und der Kappe kein junger Mann, sondern eine Frau Anfang zwanzig verbirgt. "Immer, wenn ich mich wie ein Mann verhalten muss, hasse ich mich selbst", erklingt Milos Stimme aus dem Off. "Denn ich bin stolz, eine Frau zu sein. Aber ich bin dazu gezwungen. Damit ich als Frau leben kann."

Mal atmosphärisch, mal erschütternd

Im Zuge der Proteste errichteten junge Demonstrierende in Bagdad ganze Zeltstädte. Sie forderten unter anderem das Ende von Korruption, Arbeitslosigkeit und der Einmischung anderer Länder. Rückblickende Aufnahmen aus der Zeltstadt auf dem Tahrir-Platz vermitteln eine Aufbruchstimmung. Eine hoffnungsvolle Zukunft schien zum Greifen nah.

Doch wenige Jahre später ist davon kaum mehr etwas zu spüren. Milo bezahlte einen hohen Preis für ihre Teilnahme an den Protesten. Ihre Familie hat ihren Pass verbrannt. Ein Jahr lang hat sie ihr Vater eingesperrt. Für Milo ist klar: Hier findet sie die Freiheit nicht. Mit ihrer Freundin träumt die feministische Milo von einem Leben an einem anderen Ort. Und obwohl die beiden wütend, mal traurig sind wegen der vielen Missstände, schaffen die vertrauten Treffen atmosphärische Bilder - ohne dem Kitsch zu verfallen.

Der Dreh von "Immortals" begann im Frühling 2022 und dauerte ein Jahr. Der Film ist in drei Kapitel geteilt, das zweite zeigt das Geschehen durch die Augen von Khalili. Der junge Mann hat das Leben in den Zelten und die Proteste teilweise mit mehreren Kameras gleichzeitig aufgenommen. Sein Filmmaterial findet ebenfalls Eingang in den Dok. Es zeigt erschütternde Bilder von Auseinandersetzungen mit der Polizei und exzessiver Gewalt.

Zwei Bildsprachen

Mit "Immortals" ist Maja Tschumi ein einnehmendes Porträt zweier junger Menschen gelungen, die für eine ganze, sich nach Freiheit sehnende Generation stehen. Die Doku lädt ausserdem ein, über das Medium Film und seine Rolle in politischen Ausnahmezuständen nachzudenken. So wird Khalili auch beim Filmen gefilmt. Obwohl seine Bildsprache eine andere ist als jene von Kamermann Silvio Gerber, beisst sich die Kombination nicht.

Im Vorspann wird angekündigt, dass einige Szenen nachgestellt wurden. Diesen Eindruck hinterlässt vor allem der erste Teil des Films, der sich um die rebellische Milo dreht. Das wirft Fragen auf, wenn nicht klar ist, welche Gespräche und Ereignisse nun gestellt sind. Es mindert die Bedeutung der Szenen für den Film aber nicht.

Geschrieben hat Tschumi den Dokumentarfilm gemeinsam mit den beiden Hauptfiguren. Im dritten Kapitel werden beide gezeigt, wie sie vor wichtigen Entscheidungen für ihre Zukunft stehen. Im Film begegnen sie sich aber nie.

An der Verleihung des "Prix de Soleure" sagte die Regisseurin, der humanistische Aspekt des Films liege ihr besonders am Herzen. Der Film habe mehr als ein Leben verändert - darunter auch ihr eigenes.  © Keystone-SDA