Schweizer Lehrkräfte warnen vor einem Mangel an Ressourcen, vor allem für die spezielle schulische Förderung. Zudem sei die Unzufriedenheit so gross, dass immer mehr Lehrer und Lehrerinnen den Beruf wechselten.

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Obwohl mehr Lehrkräfte ausgebildet und auch ausländische Lehrerinnen und Lehrer eingestellt würden, bestehe insgesamt ein Mangel an Personal, sagt Beat W. Zemp, Präsident des Dachverbands der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer.

"Einer der Gründe dafür ist, dass in der Schweiz alle Kinder zusammen in derselben Klasse sind. Dies bedeutet, dass wir zwei Lehrkräfte brauchen: eine fürs Unterrichten und eine weitere, die sich um jene Schüler und Schülerinnen kümmert, die besondere Bedürfnisse haben", sagt Zemp im Interview. Das könnte zum Bespiel ein Kind mit Legasthenie sein, das im Geografie-Unterreicht Hilfe braucht.

Im Kanton Zürich etwa konnten nicht alle Stellen für spezielle Unterstützung an Schulen mit qualifizierten Kräften besetzt werden, einige wurden von Lehrkräften übernommen, die keine angemessene Ausbildung haben.

Ein weiterer Grund für den Mangel ist laut Zemp, dass die Lehrerausbildung mit einem Master-Diplom lange dauert.

Ausgebrannt

Zu Problemen führt auch der Druck auf die Berufsgruppe. Der Verband der französisch-sprachigen Lehrer (SER) liess in einem Communiqué zum Auftakt des neuen Schuljahrs verlauten, dass die Lehrkräfte vom "unermesslichen Anstieg" des bürokratischen Aufwands "erschöpft" würden.

Eine von sechs neuen Lehrkräften verlasse die Schule nach einem Jahr, fügte der SER an. Und fast die Hälfte schaue sich nach fünf Jahren nach einem neuen Job um. Deshalb hat der Verband eine Studie in Auftrag gegeben, wo Fragen der Belastung und Gesundheit bei den Lehrkräften in der Romandie untersucht werden sollen. Ergebnisse werden für August 2017 erwartet.

Laut Zemp überprüfen die zwei Lehrerverbände, die zusammen rund 70'000 Mitglieder zählen, die Lehrbedingungen regelmässig. So kam eine Umfrage des Lehrerdachverbands von 2014 zum Schluss, dass vor allem tiefe Löhne, zu wenig Zeit zum Unterrichten und ungenügende Ressourcen zur Umsetzung von Reformen zur Unzufriedenheit bei den Lehrkräften führten.

Auch Druck von Seiten der Eltern ist laut Zemp ein Faktor, dass die Leute den Lehrerberuf an den Nagel hängen. "Es gibt Eltern, die sehr genau beobachten, was in der Schule passiert. Zu den Gesprächen mit den Lehrern nehmen sie ihre Anwälte mit und könnten grosse Probleme machen", so der Experte.

Die Zeitung "Le Matin Dimanche" berichtete am 21. August, dass die Anzahl Rekurse gegen Schulentscheide zunehme. Der Kanton Freiburg untersagt ab dem neuen Schuljahr sogar Rekurse gegen gewisse Entscheide, um den administrativen Aufwand einzugrenzen.

Auch Familienverpflichtungen – 75 Prozent dieser Berufsgruppe sind weiblich – würden als Grund dafür genannt, dass Lehrkräfte ihr Pensum reduzierten oder sich für einen anderen Beruf entscheiden würden, erklärt Zemp.

Unterstützung aus dem Ausland

Um den Personalmangel zu beheben, wurden ausländische Lehrkräfte geholt. Seit 2011 wurden von der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren jährlich 700 ausländische Diplome akzeptiert – für Lehrer und Experten für spezielle Bedürfnisse.

Laut Zemp kommen viele der ausländischen Lehrkräfte aus den Nachbarländern Österreich und Deutschland.

Welche Auswirkung die Initiative "gegen Masseneinwanderung", die im Februar 2014 knapp angenommen wurde und die Zuwanderung kontingentieren will, auf die Berufsgruppe der Lehrer haben wird, ist laut Zemp noch nicht klar.  © swissinfo.ch

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