Wieso leisten Secondos Militärdienst? Luka Popadić geht dieser Frage in "Echte Schweizer" nach. Ein humorvoller und berührender Film über Identität und Heimat.
Es lohnt sich, die eigenen Vorurteile aussen vor zu lassen, wenn man sich auf diesen Dokumentarfilm einlässt: Zum Militärdienst haben die meisten Schweizerinnen und Schweizer ein ambivalentes Verhältnis. Nicht so die Protagonisten in Luka Popadićs "Echte Schweizer". Saâd, Thuruban und Andrija sind, genauso wie der Regisseur selbst, Offiziere in der Schweizer Armee. Und sie sind Secondos, mit tunesischen, srilankischen und serbischen Wurzeln.
Eine Kombination, der der ehemalige Bundesrat und SVP-Politiker Ueli Maurer misstraut, wie er in einer Rede einst bekannt gab. Er bezweifelt deren Loyalität gegenüber der Schweiz im Ernstfall. Es ist eine Frage, die auch Popadić in seinem Film beschäftigt. "Würdest du für die Schweiz sterben?" fragt er seine Protagonisten ganz direkt. Sie gehören zu den berührendsten Szenen des Filmes, der an den Solothurner Filmtagen den Publikumspreis gewonnen hat und ab dem 4. April in den Deutschschweizer Kinos zu sehen ist.
"Die Frage, ob du für das Heimatland deiner Familie oder für die Schweiz sterben würdest, ist etwas, was unter uns Secondos im Militär oft diskutiert wird", sagte Popadić im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. "In der kollektiven Erinnerung der Schweiz gibt es keinen Krieg. Meine Eltern sind geflüchtet, mein Grossvater war in Kriegsgefangenschaft, viele meiner Verwandten sind im Zweiten Weltkrieg gestorben." Die Gewissheit, dass es zu einem Krieg kommen könne, sei viel präsenter. "Klar haben mich auch meine Verwandten darin bestärkt, Militärdienst für mein Land, also für die Schweiz, zu leisten."
"Das Militär ist kein rechter Haufen"
Es ist das erste lange Werk des Regisseurs. Studiert hat der Badener mit serbischen Eltern Regie an der traditionsreichen Filmschule in Belgrad. Die Ausbildung habe ihn geprägt, sagt er im Gespräch. "Die Dozenten waren sehr kritikfreudig", so der 43-Jährige. Gleichzeitig seien sie als Studierende darin geschult worden, den eigenen Film vor Publikum zu verteidigen. Ein Rat, den ihm seine Mentoren auf den Weg gegeben haben, hat sich Popadić besonders zu Herzen genommen: "Versuch, ehrliche Filme zu machen!"
Diese wertfreie Herangehensweise zeichnet auch "Echte Schweizer" aus. "Es geht mir nicht um eine linke oder rechte Haltung. Das Militär ist nämlich kein rechter Haufen", betonte er. Er würde sich wünschen, dass auch mehr Menschen mit linker Haltung Militärdienst leisten würden: "Das ist einer der grossen Vorteile der Milizarmee, dass alle Teil davon sein können. Ich fände es toll, wenn mehr Linke Kommandofunktionen inne hätten und auch mal eine Anschaffung oder Kampfstrategie hinterfragen würden."
Luka Popadić, der sich als Filmemacher und in jüngeren Jahren als Rapper in einem eher linken Umfeld bewegte, musste sich immer wieder rechtfertigen, wieso er Militärdienst leistete und sich zum Hauptmann befördern liess.
Kameradschaft war für ihn lebensrettend
In "Echte Schweizer" wird aufgezeigt, dass die Gründe, Militärdienst zu leisten, für Secondos vielfältig sind. Für Popadić selbst war der Grund ein sehr persönlicher. Während des ersten WKs starb seine Mutter unerwartet. Seinen Vater verlor er bereits in jüngeren Jahren. Auf Rat seiner Vorgesetzten reiste er nicht nach Hause in die leere Wohnung zurück, sondern beendete die Rekrutenschule. Für ihn waren der Zusammenhalt und die Kameradschaft damals lebensrettend.
Der persönliche Strang des Films war erst gar nicht geplant. Viel mehr interessierte den Regisseur das Phänomen der Milizarmee. "Im Ausland wurde ich immer wieder ungläubig darauf angesprochen: Was, du leistest Militärdienst und hast eine Waffe Zuhause? Da habe ich gemerkt, dass das Militär für viele etwas Exotisches ist."
Humor als Bewältigungsstrategie
Der humorvolle Unterton ist eine weitere Stärke des Filmes, in dem etwa die behördlichen Absurditäten, die ein fehlendes Schriftzeichen auf einem Namensschild auslösen, verhandelt werden. "Humor ist eine grossartige Bewältigungsstrategie für vieles", sagte Popadić. "Der selbstironische Ton im Film, das ist ein bisschen so, wie ich das Leben sehe."
"Muslim oder Vegi?" - diese Frage wird bei der Einrückung ganz selbstverständlich gestellt. Rassismus haben die Protagonisten im Militär kaum erlebt. Trotzdem sagt Thuruban im Film einmal: "Im Militär ist mir bewusst geworden, dass ich anders bin."
Popadić würde sich mehr Secondos in Führungspositionen wünschen, nicht nur im Militär. "Das Militär ist ein Abbild unserer Gesellschaft. Wie alles in der Schweiz dauert dieser Wandel halt etwas länger", so der Regisseur. "Aber wer weiss, vielleicht sehen wir in 40 Jahren den ersten Bundesrat mit Migrationshintergrund. Ich traue es der Schweiz zu."
*Dieser Text von Sarah Sartorius, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert. © Keystone-SDA
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