Die Universität Bern hat einem Dozenten fristlos gekündigt, der sich positiv zum Hamas-Angriff auf Israel geäussert hatte. Zudem wird eine Administrativuntersuchung des Nahost-Instituts eingeleitet. Dessen Co-Leiterin wird einstweilen von ihren Aufgaben entbunden.

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"Die Universität Bern sieht sich mit einem für sie präzedenzlosen Fall konfrontiert, der in der Öffentlichkeit eine enorme Resonanz ausgelöst hat", sagte Rektor Christian Leumann am Dienstag vor den Medien in Bern.

Die Universitätsleitung und die Fakultäten seien "sehr betroffen", dass solch menschenverachtende Äusserungen von einem Mitarbeitenden in den Sozialen Medien gemacht worden seien. "Wir verurteilen jede Art von Gewalt", betonte Leumann.

An der Fakultät hätten weder antisemitische noch islamophobe Aussagen Platz, doppelte Faktultätsdekan Peter Schneemann nach. "Das ist nicht mit unseren Werten und Diskussionskulturen im Einklang".

Vertrauensverlust

Der Dozent vom Institut für Studien zum Nahen Osten und zu muslimischen Gesellschaften soll auf dem Kurznachrichtenportal X (ehemals Twitter) geschrieben haben, der Hamas-Überfall sei das beste Geschenk, das er vor seinem Geburtstag bekommen habe.

In einem weiteren Post soll er ein Video des Hamas-Überfalls mit den Worten "Shabbat Shalom" ("Friede sei Sabbat") kommentiert haben. Die Online-Beiträge wurden unterdessen gelöscht.

Die fristlose Kündigung erfolge aufgrund des untolerierbaren Verhaltens und des damit eingehenden Vertrauensverlusts, sagte Christoph Pappa, Generalsekretär der Universität Bern, vor den Medien. Er bezeichnete die X-Tweets als "inakzeptabel, zynisch und menschenverachtend".

Institutsleiterin von Aufgaben entbunden

Im Rahmen der Administrativuntersuchung solle die Führung des Instituts einer externen Begutachtung unterzogen werden. Die Co-Leiterin Serena Tolino wird während der Untersuchung von ihren Aufgaben entbunden. Pikantes Detail: Tolino ist die Ehefrau des fristlos entlassenen Dozenten.

Die Universität Bern trifft Massnahmen nach dem Wirbel um einen Dozenten des Nahost-Instituts. (Symbolbild) © KEYSTONE/MANUEL LOPEZ

Die Universität habe ein Interesse daran, für ausländische Forschende attraktiv zu sein. In diesem Zusammenhang stelle sich mitunter auch die Frage nach einer Anstellung eines Partners oder einer Partnerin, erklärte Leumann das Anstellungsverhältnis der Ehegatten.

Ein solches Vorgehen sei im Rahmen von verschiedenen Auflagen möglich, so Leumann. Die angestossene Untersuchung soll unter anderem zeigen, ob in diesem Bereich allenfalls Anpassungen nötig sind.

Die Untersuchung wird vom ehemaligen Rektor der Universität Basel und Präsidenten der Akademien der Wissenschaften, Antonio Loprieno, geleitet. Als Aegyptologe verfüge Loprieno über viel Fachwissen und kenne sich im Umfeld des Forschungsgebiets aus, sagte Leumann. Der Zeitrahmen für die Untersuchung beträgt rund zwei Monate.

Keine "Gesinnungsprüfung"

Vorwürfe, die Universität habe beim umstrittenen Dozenten zu wenig genau hingeschaut, wies die Leitung zurück. Die Situation am Institut sei unauffällig gewesen. Genau deshalb sei eine Untersuchung wichtig, sagte Leumann.

Die Universität sei eine offene Institution mit Regeln, wie Meinungsaustausch stattfinden soll, führte Leumann aus. Eine Art "Gesinnungsprüfung" kommt für die Universität vor dem Hintergrund der Forschungsfreiheit nicht in Frage.

Die Untersuchung soll der Universität helfen zu verstehen, wie es zu einer solchen Situation gekommen sei und wie man das in Zukunft vermeiden könne, sagte Leumann. Gleichzeitig schränkte er aber auch ein, dass man Ausreisser in einem grossen, offenen Betrieb mit rund 7000 Angestellten wohl nie gänzlich ausschliessen könne.

Die Berner Staatsanwaltschaft prüft den Sachverhalt zurzeit auf seine strafrechtliche Relevanz. Die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen, teilte der Sprecher der Staatsanwaltschaft am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit.  © Keystone-SDA

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