Während des Zweiten Weltkrieges hat der Schweizer Diplomat Carl Lutz zehntausenden Jüdinnen und Juden das Leben gerettet. Zu seinem 50. Todestag wird am Mittwoch in seinem Geburtsort Walzenhausen AR ein neues, temporäres Museum eröffnet.

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Als Schweizer Vizekonsul in Budapest von 1942 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges rettete Carl Lutz über 60'000 Jüdinnen und Juden das Leben. Als er am 12. Februar 1975 in Bern starb, war Lutz enttäuscht und verbittert von der Haltung der offiziellen Schweiz. Seinen 50. Todestag nimmt die Gemeinde Walzenhausen nun zum Anlass, um an den erst spät gewürdigten Diplomaten mit einem Pop-Up Museum zu erinnern.

"Für uns ist das Wirken von Carl Lutz, der zehntausende Menschen gerettet hat, ein Zeugnis höchster Zivilcourage und tiefster Menschlichkeit", sagte Anita Winter der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Winter ist Präsidentin der Schweizer Stiftung "Gamaraal", die sich um Holocaust-Überlebende in der Schweiz kümmert und in der Holocaust-Erziehungsarbeit engagiert ist. Sie konzipierte die Ausstellung "Carl Lutz - Lebensretter aus Walzenhausen."

In der Ausstellung im sogenannten Haus "Hohl" in Walzenhausen informieren mehrere Texte über das Leben und Wirken von Carl Lutz. "Die Ausstellung beschreibt auch die Unermesslichkeit des Zweiten Weltkrieges, die sämtliche Vorstellungskraft sprengt", so Anita Winter. Ferner soll das Pop-Up Museum aufzeigen, wohin Antisemitismus, der gemäss Winter "gerade heute wieder auf erschreckende Weise" aufflackere, führen kann.

Thematisiert werden etwa die Stationen von Carl Lutz als Diplomat in Palästina oder Budapest. In der ungarischen Hauptstadt leitete er die Abteilung für fremde Interessen und vertrat damit auch die Interessen von anderen Ländern wie etwa der USA und Grossbritannien.

Schweiz hielt sich mit Würdigung zurück

Der aus einem gläubigen Methodistenmilieu stammende Schweizer verschaffte zehntausenden Jüdinnen und Juden Schutzpässe und Schutzbriefe, um nach Palästina auszuwandern. Dies bewahrte sie vor der Deportation.

Von den Nazis konnte Lutz ein Kontingent von 8000 solcher Schutzbriefe einhandeln. Gemeinsam mit weiteren Personen entwickelte Lutz ein richtiges System und stellte ein Mehrfaches des erlaubten Schutzbrief-Kontingents aus. Diese Dokumente nummerierte er jeweils von 1 bis 7999. Es gelang dem Schweizer zudem, den diplomatischen Schutz auf nicht weniger als 76 Gebäude in Budapest auszudehnen.

Während Lutz' Wirken im Ausland gewürdigt wurde, hielt sich die Schweiz lange Zeit zurück. Anstatt Lob gab es für den nach dem Krieg in die Schweiz zurückgekehrten Diplomaten zunächst einmal eine Rüge wegen Kompetenzüberschreitung.

Ehrung in Israel

1963 verlieh ihm sein Geburtsort Walzenhausen das Ehrenbürgerrecht. Ein Jahr später ehrte die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem ihn und seine erste Frau Gertrud Lutz-Fankhauser mit dem Titel "Gerechter unter den Völkern".

Erst Mitte der 1990er Jahre entsann sich die offizielle Schweiz, wohl auch vor dem Hintergrund des Streits um nachrichtenlose Vermögen, der couragierten Männer und Frauen, die sich selbstlos für die Rettung von Juden eingesetzt hatten. 1995 wurde Lutz posthum rehabilitiert. Im April 2018 wurde das grösste Sitzungszimmer im Bundeshaus nach Carl Lutz benannt.

Ein nächster, grosser Schritt wäre ein permanentes Museum für Carl Lutz in seinem Geburtsort Walzenhausen. Ende Jahr werde man das Besucheraufkommen analysieren und dann entscheiden, so Anita Winter. Das Pop-Up Museum hat sicherlich bis Ende 2025 geöffnet.  © Keystone-SDA