Patrick Fritzsche sorgt mit seiner temperamentvollen Art, Fussball- und Basketballspiele zu kommentieren, für Aufsehen. Im Interview spricht er über Emotionen am Mikrofon, Pyrotechnik im Stadion und seine Ziele.
Patrick "Paddy" Fritzsche ist erst 27 Jahre alt, hat sich als Kommentator von Fussball- und Basketballspielen beim "MDR" und beim Streamingportal "Dyn" aber schon einen Namen gemacht. Was vor allem daran liegt, dass Fritzsche die Spiele aussergewöhnlich emotional begleitet. Für seine unkonventionelle Art zu kommentieren bekommt Fritzsche viel Zuspruch von Fans, er polarisiert aber auch. Im Interview spricht er über seinen Stil, das Feedback von Kolleginnen und Kollegen und verrät, was er als Kommentator gerne erreichen würde.
Patrick Fritzsche, Sie kommentieren Fussball- und Basketballspiele sehr emotional und sehr laut. Wie haben Sie diesen Stil entwickelt?
Patrick Fritzsche: Ich glaube, man kann sich nicht vornehmen, auf eine gewisse Art und Weise zu moderieren oder zu kommentieren. Das entsteht einfach. Die allermeisten Kolleginnen und Kollegen haben zuerst Radio oder Fernsehen gemacht und sind dann bei Events auf der Bühne gestanden. Bei mir war es andersrum, ich habe meine ersten moderativen Schritte auf der Bühne gemacht. Und da hast du ein Live-Publikum, das du bespielen musst. Dabei habe ich gelernt, mit einer sehr raumgreifenden, expressiven Mimik und Gestik zu moderieren, weil ich alle Leute in einem grossen Saal erreichen musste. Und diese Art und Weise zu moderieren habe ich dann mit ins Fernsehen und ins Radio genommen. Das ist eine mögliche Erklärung dafür…
Emotion pur am Mikrofon
Welche gibt es noch?
Ich kann mich extrem reinhypen in Sport, in Dinge, die ich liebe. Und ich liebe das, was ich tue. Ich liebe vor allem den Fussball und fange an, den Basketball zu lieben, mehr und mehr, von Woche zu Woche. Ich lasse mich dann einfach mitreissen. Das klingt vielleicht platt, es ist aber einfach so. Meine Idee ist, dass ich ein Programm oder einen Kommentar machen will, der von einem Fan des Spiels für Fans des Spiels gemacht ist. Ich bin einfach kein Distanztyp. Und offensichtlich gibt es bei vielen Sportfans auch den Wunsch, dass einer mal ein bisschen mehr aus der Haut fährt und näher am Fan dran ist. Dass jemand bei aller Unparteilichkeit die Fanbrille aufsetzt. In dem Sinne, dass man die Wertschätzung, die die zuhörenden oder zuschauenden Fans für ihre Vereine haben, widerspiegelt. Ich spüre das, ich nehme es auf und versuche es zurückzugeben.
Fällt es Ihnen manchmal auch schwer, so viele Emotionen aufzubringen?
Ja, aber dann mache ich es auch nicht. Gekünstelt darf es nicht sein. Ich habe vor einigen Monaten ein Spiel zwischen Erzgebirge Aue und dem VfL Osnabrück kommentiert, ein 0:0, ein Drittliga-Spiel ohne Highlights. Bei den wenigen Torchancen habe ich so ein bisschen angezogen, aber angepasst zum Spiel und Kontext. Online sieht man immer nur die Highlight-Szenen, aber natürlich bin ich nicht 90 Minuten lang auf Anschlag. Das wäre ja totaler Quatsch, eine Spannungskurve aufzubauen, wenn es in einem Spiel keine Emotionen gibt.
Während des Spiels Aue gegen Osnabrück haben Sie gesagt: "Das Geschehen auf dem Platz ist wie eine Bäckerei im Ausverkauf: ziemlich brotlos." Fällt Ihnen so ein Spruch spontan ein oder denken Sie sich das vorher aus?
Viele kommen spontan. Ich habe keinen Zettel mit Sprüchen dabei, die ich unterbringen muss. Das wäre unprofessionell, weil das Spiel die Geschichte vorgibt. Aber natürlich sind solche Momente geprägt durch das, was ich sonst so konsumiere und erlebe. Wenn zum Beispiel an einem Abend mit Kumpels etwas Lustiges gesagt wird. Ausserdem nutze ich gerne politisches Kabarett oder auch gute Comedy als Inspiration, zum Beispiel von Johann König, Olaf Schubert, Torsten Sträter oder Dieter Nuhr. Ich übernehme Phrasen und Wörter in meinen Sprachgebrauch, die mir in solchen Momenten einfallen und die ich dann auf den Fussball adaptiere.
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Zwischen Fanbrille und Fachlichkeit
Würden Sie sich wünschen, dass mehr Spiele so emotional kommentiert werden, wie Sie es tun?
Ja. Und zwar durch mich! (lacht) Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn ich mit meiner Art zu kommentieren mehr und mehr Menschen positiv erreichen kann. Dass sich diese Menschen vielleicht zumindest unterhalten fühlen, auch wenn ihr Verein gerade komplett das Handtuch in den Nacken bekommt. Ich finde es schlimm, wenn Leute sagen, dass sie den Kommentar zu einem Spiel stumm gestellt haben. Denn wir Kommentatoren wollen ja einen Mehrwert liefern. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die sind fachlich so stark, dass sie ein Fussballspiel so gut erklären können, dass ich mit der Zunge schnalze. Andere fahren auf der Emotionsschiene. Aber wichtig ist immer, dass es einen Mehrwert gibt. Wenn wir ein Spiel einfach ohne eigene Note begleiten, dann wird der Kommentar stumm geschaltet. Aber ja, als Kind und Jugendlicher hat mir oft ein wenig die Emotion gefehlt. Und es gibt noch etwas, was mich gestört hat…
Erzählen Sie.
Für mich fühlt es sich manchmal so an, als ob es fast schon eine Abwehrhaltung gegenüber Fussballfans gibt. Ich stand wie viele andere Kolleginnen und Kollegen früher selbst im Block. Und dann weiss man doch, dass da nicht nur Asoziale stehen, sondern Menschen quer durch die ganze Gesellschaft hindurch. Die Liebe zum Verein und die Zugehörigkeit im Block ist ein verbindendes Element. Mir hat es früher gefehlt, dass auch mal positiv über Fans gesprochen wird. Das habe ich mir immer gewünscht. Jetzt versuche ich, das zu machen und die Emotionen der Fans zu spiegeln.
Wie fällt das Feedback aus, wenn Ihre Sendungen beim MDR nachbesprochen werden?
Als Jakob Lemmer im vergangenen Oktober im DFB-Pokal in der elften Minute der Nachspielzeit den Ausgleich für Dynamo Dresden gegen Darmstadt erzielt hat, habe ich "Lemmer, Lemmer, Lemmer!" geschrien. Da haben ein, zwei Kollegen gesagt, dass sie das an die Reporterlegende Gert "Zimmi" Zimmermann erinnert hat. Der hatte auch extrem viel Feuer. Als Alexander Schnetzler 2011 im DFB-Pokal den Siegtreffer gegen Leverkusen erzielt hat, hat Zimmermann im MDR Sachsenradio elf Mal den Namen "Schnetzler" gerufen. Mir wurde dann mit einem Augenzwinkern gesagt, dass ich noch ein bisschen Puffer nach oben hätte. Ansonsten gibt es relativ wenig Feedback, was mir Ruhe gibt, weil man offensichtlich hinter meiner Art zu kommentieren steht. Wenn ich Basketball für "Dyn" kommentiere, fordere ich deutlich mehr Feedback und Austausch ein, auch was fachliche Fragen angeht. Aber ich habe das Gefühl absoluter Rückendeckung bei beiden Sendern.
Ziele, Gegenwind und grosse Träume
Wie kommt es an, wenn Sie sich positiv über Pyrotechnik äussern?
Die Sportchefin des MDR hat mir mal gesagt, dass ich es ein bisschen journalistischer einordnen soll. Womit sie auch Recht hat, ich kann es nicht einfach blind abfeiern. Wenn ich ein Reel mit Pyrotechnik poste, kommt das bei meinen Followern fast ausschliesslich positiv an. Aber ich weiss natürlich auch, dass es ausserhalb dieser Zielgruppe Leute gibt, die Pyrotechnik nicht gut finden. Die meisten Kolleginnen und Kollegen filmen und fotografieren, wenn es eine Choreografie mit Pyrotechnik gibt und finden es ganz cool. Aber sie sagen es nicht öffentlich, was ich ein bisschen schade finde. Aber wirklich Gegenwind habe ich deswegen noch nicht bekommen.
Wie reagieren Kolleginnen und Kollegen generell auf Sie und Ihren emotionalen Stil?
Wenn ich irgendwo vor Ort bin, ist das eigentlich nie ein Thema. Man gibt sich sehr wenig Feedback. Ich habe mal bei einem Kollegen nachgefragt, er hat gesagt, dass es manche cool finden, andere finden es drüber. Das ist eine Stilfrage und absolut legitim. Ich will lernen, ich will besser werden und bin für alles offen. Aber am Spieltag, wenn alle schon im Tunnel sind und sich auf das Spiel vorbereiten, kann man schlecht Kollegen nach Feedback fragen. Aber ich habe jemanden, der mich coacht und dafür bin ich sehr dankbar.
In den Kommentaren auf Instagram bekommen Sie sehr viel Zuspruch, Sie haben kürzlich aber auch über Hass im Netz gesprochen. Was überwiegt?
Das Positive überwiegt extrem. Für den MDR kommentiere ich vor allem Spiele von Dynamo Dresden und Erzgebirge Aue. Wenn die Fans aufeinandertreffen, ist die Anspannung normalerweise gross. Aber in meiner Community liken auch Dresden-Fans ein Aue-Reel und umgekehrt. Die sind so nett zueinander, das finde ich faszinierend. Auch wenn ich vor Ort bin, gibt es keine bösen Kommentare. Aber ich habe in einem Dreivierteljahr knapp 95.000 Follower in meinen sozialen Kanälen dazu gewonnen, natürlich sind da in den Direktnachrichten auch immer mal negative Sachen dabei. Das ist für mich nach wie vor hart, ich muss lernen, wie man damit umgeht. Ich bin ein sehr empathischer Mensch und nehme mir sehr viel zu Herzen. Aber ich gewöhne mich dran, die Schale ist schon härter geworden. Und manchmal steckt auch in einer Hassnachricht etwas drin, was ich mitnehmen kann.
Wie sieht Ihr Karriereplan aus, was sind Ihre Ziele als Kommentator?
Ich möchte irgendwann der Kommentator von EA Sports FC sein. Es ist mein Ziel, dass eine Generation von Kindern mit meiner Stimme in ihrem Kinderzimmer aufwächst, während sie sich in den Fussball verlieben. So wie ich früher Tom Bartels, Frank Buschmann oder Wolff-Christoph Fuss gehört habe, wenn ich FIFA gespielt habe. Ich würde gerne meinen Teil dazu beitragen, indem ich ihnen zeige, was Fussball auslösen kann, wie emotional und auch mal ein bisschen drüber dieser Sport sein kann. Das ist mein grosses Ziel, das gleichzeitig impliziert, dass ich zuvor Bundesliga, Champions League, vielleicht auch bei einer Welt- und Europameisterschaft kommentiert hätte. Das ist das übergeordnete Ziel. Eine WM ist das Grösstmögliche im Fussball, das möchte ich vor Ort erleben. Und auch die Olympischen Spiele reizen mich extrem, weil ich Sport generell liebe. Die Olympischen Spiele 2028 finden in Los Angeles statt, wenn das kein Ziel von mir wäre, müsste ich mich selbst hinterfragen.
Verwendete Quellen:
- Telefonisches Interview mit Patrick Fritzsche
- Instagram: Reel von Paddy Fritzsche
- Tik Tok: Beitrag Paddy Fritzsche
Über den Gesprächspartner:
- Patrick Fritzsche kommentiert Fussball- und Basketballspiele beim "MDR" und beim Streamingportal "Dyn". Der 27-Jährige ist auch als Moderator von Live-Events tätig, er betreibt einen Podcast und ist auf Instagram und TikTok aktiv