Der ehemalige deutsche Nationalspieler Patrick Femerling spricht im Interview mit unserer Redaktion über die Chancen des DBB-Teams bei der Basketball-WM. Ausserdem erklärt der 48-Jährige, worauf es für das Nationalteam ankommt und benennt seine Favoriten.
Herr Femerling, am Freitag beginnt die Basketball-Weltmeisterschaft in Japan, Indonesien und auf den Philippinen. Wie gross ist Ihre Vorfreude auf das Turnier?
Patrick Femerling: Ich freue mich sehr darauf, dass es bald losgeht und wünsche mir spannende Spiele bis zum Schluss. Ich hoffe, dass die deutsche Mannschaft ein erfolgreiches Turnier spielen wird.
Wie sehr schmerzen oder schaden sogar fehlende NBA-Superstars wie Giannis Antetokounmpo oder Nikola Jokic dem Stellenwert dieser Weltmeisterschaft?
Auf der Ebene der Nationalmannschaften geht es mehr um Teambasketball statt Individualisten, wie es in der NBA oftmals der Fall ist. Natürlich braucht es Spieler, die die entscheidenden Situationen am Ende einer Partie kreieren können, gerade offensiv. Daher ist es schade, dass diese Spieler nicht dabei sind. Aber es ist die Chance, dass das Kollektiv in den Vordergrund gerückt wird und die Last weniger auf einzelnen Spielern liegt. Ausserdem sind die Spiele zwischen Nationalmannschaften automatisch etwas intensiver, da das Spielfeld kleiner ist im Vergleich zur NBA und dadurch die Verteidigung etwas leichter ist. So ist es für die Superstars auch schwieriger, in jedem Spiel aussergewöhnliche Leistungen abzuliefern, da sie viel mehr Körner auf dem Spielfeld lassen müssen.
Als Topfavorit geht Team USA ins Turnier, das diesmal aber auf die bekanntesten Namen verzichtet. Im Test gegen Deutschland gab es einen knappen Sieg. Sind die Amerikaner schlagbar?
Die Mannschaft ist trotzdem sehr stark, mit unheimlich viel Athletik. Zudem legt sie mehr Wert auf gute Dreierwerfer, als es in der Vergangenheit vielleicht der Fall war. Ihr fehlt etwas die Erfahrung im Basketball nach Fiba-Regeln (Fiba ist der Basketball-Weltverband; Anm. d. Red.). Aber die USA bestrafen jeden Fehler des Gegners sofort, insbesondere durch ihr schnelles Umschaltspiel. Es wird jedoch nicht so leicht für sie werden, Gold zu holen, wie sie das vielleicht denken.
Wer sind neben den USA Ihre Favoriten auf die vorderen WM-Plätze – und haben Sie auch eine Überraschung auf dem Zettel?
Ich finde, dass Kanada extrem stark besetzt ist, wie man auch in den zwei Spielen gegen Deutschland sehen konnte. Die Serben werden auch stärker sein, als man es jetzt vermutet. Griechenland wird sehr unangenehm zu spielen sein. Die Australier haben ebenfalls einen starken Kader zusammen. Natürlich darf man Slowenien mit Luka Doncic nicht vergessen. Eine Überraschung könnte Finnland werden, das mit Lauri Markkanen einen der spannendsten Spieler des Turniers in seinen Reihen hat.
Das DBB-Team spielte eine starke Vorbereitung. Darf man von einer WM-Medaille träumen?
Natürlich. Wichtig wird zunächst sein, Rhythmus aufzunehmen und einen gelungenen Start ins Turnier zu erwischen. Aber das Talentlevel und die starken Vorbereitungsspiele lassen einen von der Medaille träumen. Das wird sicherlich auch in der Mannschaft so sein – doch sie weiss, dass es nur Schritt für Schritt möglich sein wird, diesen Traum auch Realität werden zu lassen.
Der deutsche WM-Kader ist zu grossen Teilen das gleiche Team, das im vergangenen Jahr EM-Bronze gewann. Ist das ein Vorteil bezüglich der Eingespieltheit und dem Verständnis untereinander?
Das hilft auf jeden Fall. Ich glaube, dass da auch emotionale Verbindungen entstanden sind. Es wirkt von aussen wie eine Einheit und es gibt viel gegenseitiges Verständnis für Eigenheiten und Marotten. Auf dem Feld hilft es beim Spielverständnis und bei der Entwicklung von Automatismen, was alles viel schneller passiert, wenn man sich bereits kennt.
Ich freue mich sehr auf ihn. Er ist ein ultratalentierter, guter Typ, der immer hart an sich arbeitet und extrem vielseitig ist. Wagner kann selbst scoren und auch Abschlüsse für seine Mitspieler kreieren. Aber es ist wichtig, dass das deutsche Team mehrere Optionen hat, denn der Fokus der Gegner wird auf Schröder und Wagner liegen. Gerade bei Schröder ist neben physischer Spielweise auch mit psychischen Spielereien gegen ihn zu rechnen. Es ist also unabdingbar, dass auch andere Spieler ihren Beitrag leisten. Daniel Theis mit seiner Energie, Andreas Obst als effizienter Schütze von der Dreierlinie, Joe Voigtmann mit seiner Spielintelligenz. Aber die deutsche Mannschaft hat gezeigt, dass jeder Spieler aus dem Zwölfer-Kader bereit ist, etwas für den Erfolg der Mannschaft zu produzieren. Und doch muss Spiel für Spiel die richtige Balance gefunden werden, um diesen Erfolg zu erreichen.
Lesen Sie auch: Isaac Bonga über WM, NBA, LeBron James und den nächsten Dirk Nowitzki
Wie sehr hat Sie der starke Auftritt von Daniel Theis in der Vorbereitung überrascht, nachdem er in der NBA aufgrund von Verletzungsproblemen nicht gespielt hat?
Die Motivation bei ihm ist hoch, er möchte zeigen, dass er zu Recht dabei ist. Er kann auf diesem Niveau performen. Es freut mich für ihn, dass er sich nach der schweren Saison so präsentieren kann.
Deutschlands Sportfans haben bislang in diesem Jahr noch keine grossen Erfolge der Nationalmannschaften erlebt. Das DBB-Team könnte das ändern. Wie gross ist die Chance auf eine Basketball-Euphorie in Deutschland durch die WM?
Ich hoffe sehr, dass sie entstehen wird. Wir haben in Deutschland eine starke Liga mit guten Spielern. Die Nachwuchs-Nationalmannschaften bei Mädchen und Jungen haben bereits sehr gute Resultate geliefert in den vergangenen Wochen. Ich hoffe, dass die WM eine Plattform schaffen kann, um noch mehr Werbung für den Basketball zu machen. Fussball ist dominant in Deutschland, doch die Sportlandschaft ist deutlich vielseitiger. Deswegen hoffe ich, dass viele Menschen die Spiele schauen werden, um dann eine Euphorie entstehen zu lassen.
Apropos schauen: Wie werden Sie die WM verfolgen, werden Sie auch vor Ort sein?
Ich werde die Spiele am TV verfolgen, im besten Fall live, und ausserdem für "MagentaSport" als Experte teilweise die WM-Spiele begleiten.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.