Kaum angekommen, schon wieder weg: Dennis Schröder wird nach nur wenigen Wochen bei den Golden State Warriors weiter zu den Utah Jazz getradet. Der Fall zeigt, wie wenig Kontrolle NBA-Spieler über ihre eigene Karriere haben – und bestätigt Schröders eigene Kritik am Transfersystem der Liga.
Am Mittwochabend wurde
Ironie des Schicksals: Nur einen Tag zuvor hatte der deutsche Basketballer das Transferwesen der Liga als "moderne Sklaverei" kritisiert. Im Gespräch mit "NBC News" hatte der 31-Jährige sich über den Wechsel von Luka Doncic zu den Los Angeles Lakers empört: "Am Ende des Tages ist es moderne Sklaverei. Jeder kann entscheiden, wohin du gehst, auch wenn du einen Vertrag hast."
Wie wenig Kontrolle NBA-Spieler über ihre eigene Karriere haben, erfuhr Schröder einen Tag nach seiner Generalkritik an der Basketball-Liga am eigenen Leib: Sein Arbeitgeber, die Golden State Warriors, setzten ihn und andere Spieler vor die Tür, um Platz für Superstar Jimmy Butler zu machen, der von den Miami Heat nach Kalifornien kommt.
Prompt spotteten die US-Sportmedien, Schröder sei ein "NBA Journeyman", eine Art Vagabund oder Landstreicher der Liga. Auf X witzelte ein Fan: "Die Warriors spielen heute Abend gegen Utah, und Dennis Schröder hat erst ein paar Stunden vor dem Anpfiff erfahren, dass er nach Utah transferiert wird. Was macht er also? Einfach in die andere Umkleidekabine gehen?"
Dennis Schröder nur sieben Wochen lang Teamkollege von Steph Curry
Der Fall Schröder zeigt, wie brutal und unpersönlich das US-Sportsystem sein kann. Der deutsche Spielmacher war erst im vergangenen Dezember von den Brooklyn Nets aus New York zu den Golden State Warriors nach Nordkalifornien gewechselt. Nach sieben Wochen und 24 Spielen an der US-Westküste muss er nun erneut seine Koffer packen. Um seine Zustimmung zum Wechsel hat ihn niemand gebeten.
Denn das Transfersystem der NBA unterscheidet sich grundlegend von dem des internationalen Fussballs. Während Profi-Fussballer bei Wechseln ein Mitspracherecht haben und für hohe Ablösesummen transferiert werden, existieren in der NBA keine Ablösezahlungen.
Die Spieler haben in der Regel keine Kontrolle über ihren Verbleib oder ihren nächsten Verein: Ihre Verträge gelten für die Liga, nicht für einzelne Teams. Sobald ein Team einen Spieler nicht mehr braucht oder eine bessere Option sieht, wird er innerhalb der Liga verschoben. Man stelle sich bloss vor, Jamal Musiala bekäme plötzlich einen Anruf, dass er ab sofort für Holstein Kiel spiele.
Schröders kurzes Gastspiel bei den Warriors um Superstar Steph Curry war von sportlicher Enttäuschung geprägt: Nach starken Leistungen in Brooklyn (18,4 Punkte, 6,6 Assists pro Spiel) sank sein Scoring bei den Warriors auf 10,6 Punkte im Schnitt – die Erwartungen wurden nicht erfüllt. So wurde Schröder am vorletzten Tag der Transferperiode selbst zur Tauschwährung.
Der NBA-Draft 2013: Aus Braunschweig nach Atlanta
Doch bevor Schröder zum Spielball der NBA-Trades wurde, begann seine Reise in der Liga mit dem NBA-Draft 2013. Anders als im Fussball, wo junge Talente selbst ihren ersten Profi-Klub wählen können, werden NBA-Neulinge durch den Draft einem der 30 Liga-Teams zugeteilt.
Diese 30 Franchises sind über den ganzen nordamerikanischen Kontinent verstreut – vom hohen Norden (Minnesota Timberwolves) bis in die texanische Wüste (San Antonio Spurs). Die schlechtesten NBA-Teams der Vorsaison haben die besten Chancen auf die besten Talente – ein System, das für mehr Wettbewerb sorgen soll.
Dennis Schröder wurde beim NBA Draft 2013 in der ersten Runde an 17. Stelle von den Atlanta Hawks ausgewählt. Zuvor spielte der gebürtige Braunschweiger zwei Jahre lang in der Basketball-Bundesliga für seinen Heimatklub, die New Yorker Phantoms Braunschweig, wo er seinen Durchbruch feierte.
Sein erster NBA-Vertrag war ein Rookie-Deal, ein Vertrag, der typischerweise für Neulinge in der Liga aufgesetzt wird. Dieser bot ihm für vier Jahre zwar eine garantierte Summe, aber kaum Entscheidungsfreiheit. Diese Verträge sind stark reglementiert: Ein Spieler kann nicht einfach wechseln, wenn er unzufrieden ist. Zudem haben Teams Optionen, die Laufzeit des Vertrags zu verlängern, sodass ein junger Spieler oft bis zu sieben Jahre an seinen ersten Klub gebunden bleibt. Schröder blieb fünf Jahre lang in Atlanta – bis heute seine mit Abstand längste Station in den USA.
Mats Hummels zeigt sich empört über NBA-Transfer
2018 ging es für den deutschen Guard weiter zu Oklahoma City Thunder: Es sollte der erste von sieben Wechseln in den kommenden sieben Jahren werden. Diese Wechsel, sogenannte Trades, werden oft von wirtschaftlichen Faktoren bestimmt: Die NBA arbeitet mit einem Salary Cap, einer Gehaltsobergrenze, die Teams nicht überschreiten dürfen. Das "Salary Cap"-System sorgt dafür, dass die Gehaltsstruktur eines Teams im Rahmen bleibt, wodurch Spieler nicht nur nach sportlicher Leistung, sondern auch nach finanziellen Aspekten hin- und hergeschoben werden.
Die Transfers werden meist so gestaltet, dass sich die Gehaltswerte der beteiligten Spieler ungefähr ausgleichen. Schröder verdiente bei den Warriors 13 Millionen Dollar pro Jahr – um ihn im Dezember nach San Francisco zu holen, mussten die Warriors also andere Spieler mit ähnlich guten Verträgen wieder abgeben.
Ein System, das für Profifussballer undenkbar scheint. So schrieb
Trade von Brooklyn Nets zu Golden State: Weihnachten auf FaceTime
Zudem gibt es noch Ausnahmen, die Trade-Exceptions, die es Teams erlauben, gewisse Gehaltsdifferenzen in einem Trade auszugleichen. Und die besten Spieler können unter bestimmten Umständen einen grösseren und langfristigeren Super-Max-Vertrag bekommen. Doncic etwa hätte in Dallas einen Super-Max-Vertrag über 345 Millionen Dollar verdienen können – nach seinem Wechsel zu den Lakers ist das nicht mehr möglich. Diese Mechanismen verdeutlichen, dass es bei den meisten NBA-Transfers weniger um sportliche Aspekte als um wirtschaftliche Optimierung geht.
Die ständigen Wechsel sind auch für die Familienangehörigen der Basketballer eine enorme Last. Schröder, der mit seiner Frau Ellen drei noch junge Kinder hat, musste Weihnachten mit seiner Familie per FaceTime feiern. Sie lebten noch in Brooklyn, während er bereits in Kalifornien spielte. Die harte Realität: Viele NBA-Spieler pendeln tausende Kilometer von ihrer Familie entfernt zwischen Hotels und Mietwohnungen, ohne langfristige Planungssicherheit.
Auch die Anhänger leiden: Mavs-Fans trugen Doncic-Sarg durch Dallas
Doch Schröder stellte in seinem Interview mit der "NBC" auch klar, dass es ihm nicht um sein Gehalt, sondern um die fehlende Entscheidungsfreiheit gehe: "Ich glaube, jeder, der hier in der NBA ist, ist gesegnet. Aber wenn man wirklich darüber nachdenkt, ist es irgendwie verrückt, dass die Organisation einem sagen kann: 'Wir wollen, dass unser Team für dich an erster Stelle steht, aber jetzt musst du dorthin wechseln'. Das ist schon krass."
Und nicht nur die Spieler, sondern auch die Fans leiden unter dem abrupten Wechselsystem. Als die Dallas Mavericks am vergangenen Wochenende wie aus dem Nichts den Abgang ihres Superstars Doncic verkündeten, der seit 2018 für die Mavs spielt und sie 2024 bis in die NBA-Finals führte, trugen die Mavs-Fans symbolisch einen Sarg durch die Stadt.
Was die Utah Jazz nun mit Schröder vorhaben, ist unklar. NBA-Insider berichten, dass Utah ihn nicht unbedingt behalten will – ein erneuter Wechsel könnte folgen. Damit würde sich Schröders Reise durch die NBA weiter fortsetzen.
Verwendete Quellen:
- NBC Sports: Warriors guard Schroder compares trade deadline to ‘modern slavery'
- Deutsche Welle: Dennis Schröder - Basketball-Vagabund in der NBA
- Basketball-Wissen.de: Spielerwechsel in der NBA
- Basketball-Wissen.de: NBA Draft
- Sport1: So läuft der NBA-Transfermarkt
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